Kontrolle? Lässt auf sich warten

Frank Plasberg diskutierte mit seinen Gästen über die mangelnde Kontrolle von Medizinprodukten, vorab gelaufen war eine Dokumentation in der ARD, die die Missstände im System ziemlich deutlich machte: Es gibt kein unabhängiges Prüfverfahren, deshalb kommen immer wieder schadhafte künstliche Hüftgelenke, Brustimplantate oder sogar Herzschrittmacher auf den Markt. Werden sie den Patienten eingesetzt, leiden die meist schlimmer als zuvor – einige sterben sogar an den Folgen.

Unter den Gästen war die Journalistin Britta von der Heide. Sie war an den Recherchen von „Süddeutscher Zeitung“, WDR, NDR und weiteren Medien beteiligt, auf denen auch die Dokumentation basierte. Von der Heide stellte klar: Die Zulassungshürden für Medizinprodukte sind viel zu gering. Die meisten werden demnach nicht klinisch am Menschen getestet, sondern es genügt, wenn der Hersteller einige selbst erhobene Daten vorlegt. Eine Zertifizierung für sein Produkt bekomme er von Privatunternehmen, die er selber dafür bezahle. Dass es keine unabhängigen Kontrollen gibt, werde „von der Industrie schamlos ausgenutzt“, sagte von der Heide.

Wohin das oft führt, konnte Jürgen Thoma im TV-Studio berichten: Nach der Implantation einer künstlichen Hüfte war er schwer erkrankt. Thoma, von Beruf technischer Leiter, wünschte sich, dass bei der Qualitätskontrolle von Implantaten zukünftig „wenigstens ansatzweise die gleichen Regeln wie im Maschinenbau“ gelten.

Trotz immer neuer Skandale gibt es bis heute kein Kontrollsystem, auf das sich Patienten verlassen könnten (die wichtigsten Fragen und Antworten zu problematischen Implantaten können Sie hier nachlesen). Genug Stoff eigentlich für eine brisante Diskussion. Wer als Zuschauer aber auf einen spannenden Austausch über politische Forderungen gehofft hatte, der wurde von Plasberg enttäuscht.

Der führte lieber Videos vor, die zeigten, dass der Ex-Handballnationaltrainer Heiner Brand – ebenfalls zu Gast – auch schon vor seiner Hüft-OP einen komischen Gang gehabt hatte. Und dass der früher mit vollem Körpereinsatz spielte – also auch schon mal auf die Hüfte gefallen war. Zur Debatte hat Brand ansonsten den Beitrag zu leisten, dass er zufrieden mit seiner künstlichen Hüfte sei, man solle sich bei Zweifeln einfach einen Arzt seines Vertrauens suchen. Nur dass eigentlich ziemlich klar wurde, wie wenig selbst Ärzte die Qualität der Produkte einschätzen können.

Eingeladen war mit Jens Saß auch der Geschäftsführer eines kleinen Medizinprodukte-Herstellers. Er durfte versichern, dass seine Produkte immer „von mindestens einem Mediziner“ geprüft würden.

Statt über Lösungen ließ Plasberg auf Nebenschauplätzen diskutieren: So sah Peter Sawicki, ehemals Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), das Problem, dass Krankenhäuser mit den billigsten Produkten Geld sparen wollten – was Gerald Gaß, Präsident der Deutschen Krankenhaus Gesellschaft, versuchte zu bestreiten.

Sawicki hat immerhin einen vernünftigen Vorschlag: Die Krankenkassen sollten Medizinprodukte wie Implantate nur dann bezahlen, wenn diese in kontrollierten Studien geprüft worden seien und sich und als nützlich erwiesen hätten.

Wie so oft bei Plasberg kam dann einer der sinnvollsten Beiträge nicht aus der Runde, sondern in Form einer Zuschrift über das Internet: Es müsse eine staatliche Behörde geben, um die Zulassung von Implantaten zu kontrollieren – so wie bei Medikamenten, schlug ein Zuschauer vor.

Der eigentliche Skandal sind nicht die neuen Zahlen, die jetzt veröffentlicht wurden (14.000 Verdachtsfälle von Gesundheitsschäden durch Medizinprodukte pro Jahr in Deutschland). Sondern vielmehr, dass das Problem der laschen Kontrollen seit Jahrzehnten jedem bekannt ist, der sich nur ansatzweise im Gesundheitswesen auskennt – und sich trotzdem nichts Nennenswertes daran geändert hat.

Wenig Hoffnung machte zuletzt die Reaktion des Gesundheitsministers auf die neuen Publikationen. Er wolle dafür sorgen, dass man in Zukunft nachverfolgen kann, welchem Patienten welche Produkte „eingebaut“ würden, sagte Jens Spahn der „Rheinischen Post“ – damit man „nachprüfen könne, wie lange diese halten“. Nur: Patienten würden das eben gerne wissen, bevor ihnen etwas in Hüfte oder Herz transplantiert wird. Dafür müsste tatsächlich eine staatlich organisierte Kontrolle von Medizinprodukten eingeführt werden – wie sie bei Medikamenten selbstverständlich ist. Die aber lässt, so wie es aussieht, weiterhin auf sich warten.

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