Impfung: Bald Pflaster statt Spritze?

Für Professor Mark Prausnitz sieht die Zukunft so aus: "Wer eine Impfung braucht, kauft sich einfach ein Impfpflaster und klebt es zu Hause auf die Haut", meint der Biotechnologe vom ­Georgia Institute of Technology (USA). Für den Schutz genügen ein paar Minuten – und das Pflaster kann wieder abgezogen werden.

Erste Erfolge für die Impfung per Pflaster

Was nach Science-­Fiction klingt, bestand bereits erste Tests am Menschen. Das Impfpflaster gegen Grippe erwies sich als ebenso wirksam wie die Spritze. Es wird auf das Hand­gelenk gedrückt und nach 20 Minuten entfernt. Mikronadeln an der Unterseite ritzen die Haut ganz leicht an, damit der Wirkstoff in den Körper gelangt. Der Anwender merkt davon nichts.

"Der Ansatz hat großes Potenzial", urteilt Professor Klaus Cichutek, Leiter des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), das in Deutschland für die Zulassung und Prüfung von Impfstoffen zuständig ist. Ab wann Impfpflaster zur Verfügung stehen könnten, darüber zu spekulieren sei aber noch zu früh. Umfragen legen nahe, dass ohne Piks die Impfbereitschaft deutlich steigt.

Impfung per Creme oder Mundspülung?

Erfolgversprechende Ansätze gibt es mehrere: An den Helmholtz-Zentren in Braunschweig und Saarbrücken arbeiten Forscher an einer Impfcreme, die mittels winziger Nanopartikel Wirkstoffe über die Haut in den Körper schleust. Im Labor und bei Tieren klappt das bereits.

Eine ­andere Idee verfolgen Wissenschaftler der Berkeley-Universität in Kalifornien (USA): Sie haben ein Gerät entwickelt, das mit einem Flüssigkeitsstrahl Impfstoffe an die Mundschleimhaut abgibt. Ihr "MucoJet" ist so groß wie ein Gummibärchen und soll sich leicht und schmerzfrei an der Innenseite der Wangen anwenden lassen.

Zielgebiete Haut und Schleimhaut

"Welche Methode sich durchsetzen wird, lässt sich derzeit noch nicht sagen", sagt Dr. Ralf Wagner, Leiter des Fachgebiets Virale Impfstoffe am PEI. Dass die neuen Verfahren die Haut oder Schleimhaut als Schleuse in den Körper nutzen, ist kein Zufall: "Un­sere Haut ist mit unzähligen Immunzellen ausgestattet", erklärt er. Sie eignet sich deshalb gut, um eine Immunreaktion auszulösen und den Körper gegen Erreger zu wappnen.

Dass der unbeliebte Piks bald passé sein könnte, ist nicht der einzige Vorteil der neuen Darreichungsformen. Sie lassen sich auch einfacher handhaben und günstiger herstellen. Das macht sie vor allem für Entwicklungsländer interessant, wo noch immer viele Menschen an Infektionskrankheiten wie Masern, Polio und Tetanus sterben, gegen die es wirksame Impfungen gäbe.

Günstig und tropentauglich

Ein Grund, warum der Schutz Entwicklungsländer nicht erreicht: Impfen ist ein logistischer Kraftakt. Die Wirkstoffe müssen beim Transport kühl gelagert und von medizinischem Fachpersonal verabreicht werden. Hinzu kommt der hohe Preis. Pflaster dagegen sind platzsparend, kinderleicht anzuwenden, und das Grippepflaster bleibt sogar bei 40 Grad Cel­sius ein Jahr lang wirksam.

Manche Impfungen kommen bereits heute ohne Nadel aus: Seit ei­ni­gen Jahren gibt es ein Impfspray ­gegen Grippe, das bei Kindern und Jugendlichen eingesetzt wird. Ein Sprühstoß mit abgeschwächten Er­regern in die Nase imitiert den Weg, den das natürliche Virus nutzt. Schon lange im Einsatz ist die Schluckimpfung, etwa gegen Kinderlähmung (Polio).

Nachteil der Schluckimpfung

Verabreicht werden abgeschwächte, noch lebende Viren. Nur diese können die Darmbarriere passieren und im Körper aktiv werden. Bei immunschwachen Personen besteht jedoch ein geringes Risiko, dass es zu einer Erkrankung kommt. In Deutschland wird daher seit 1998 die Polio-Impfung mit toten Virus­partikeln per Spritze empfohlen. Eine Impfung zum Schlucken gibt es jedoch gegen Rotaviren.

Eine andere Vision wird es indes wohl nie auf den Markt schaffen: die Impfung zum Essen. Durch grüne Gentechnik lassen sich heute Impfstoffe in Pharmapflanzen züchten – allerdings nur tote Erreger oder Erregerteile, die an der Darmbarriere scheitern würden. Der leckere Schutz, etwa in Form einer Impfbanane, bleibt vorerst ein Traum.

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