Nichts gewonnen

Abgesehen von 50 Millionen Euro mehr Notdiensthonorar sehen die Eckpunkte der Apothekenreform nicht mehr Geld für die Apotheken vor. Die ABDA-Forderungen nach zusätzlichen 2,7 Milliarden Euro sind demnach gescheitert. Stattdessen drohen eine Umverteilung mit Verlustpotenzial für die nächsten Jahre und spätere Anpassungsverhandlungen in der Selbstverwaltung. Die Politik will die Aufgabe loswerden.

In den jüngsten Eckpunkten des BMG für die angekündigte Apothekenreform steht das Honorar an erster Stelle. Doch von den Honorarwünschen der Apotheker wurde praktisch nichts umgesetzt. Abgesehen von höheren Mitteln für den Notdienstfonds ergibt sich sogar eine schlechtere Position als zuvor.

50 Millionen Euro mehr für den Notdienst

Der einzige Honorarvorteil in diesen Plänen ergibt sich beim Notdiensthonorar. Der Zuschlag für den Notdienstfonds soll von 21 auf 28 Cent pro Rx-Packung steigen. Das Volumen des Fonds wird damit von gut 150 Millionen Euro auf gut 200 Millionen Euro pro Jahr wachsen. Diese zusätzlichen 50 Millionen Euro stehen in einem gewaltigen Missverhältnis zu den geforderten etwa 2,7 Milliarden Euro. Damit würden nicht einmal zwei Prozent der Forderung erfüllt. Wenn das so kommt, wäre die ABDA mit ihren Maßnahmen krachend gescheitert.

Kassenabschlag wie geplant

Als nächsten Punkt nennt das Eckpunktepapier den Wegfall des erhöhten Kassenabschlags ab dem 1. Februar 2025. Er würde dann wieder auf 1,77 Euro sinken. Das ist aber schon jetzt die Rechtslage. Es irritiert, dass das Ministerium dies als neue Maßnahme zur Stärkung der Apotheken darstellt. Hoffnungen der Apotheker auf eine frühere Rückführung des Abschlags hätten sich damit erledigt.

Umverteilung mit wenig Nutzen und neuen Gefahren

Als wichtigster Aspekt folgt eine Änderung der Zuschläge auf Rx-Arzneimittel. Der dreiprozentige Zuschlag soll mit einem Zwischenschritt von 2,5 Prozent im Jahr 2025 auf zwei Prozent im Jahr 2026 sinken. Als Begründung wird auch angeführt, dass die Kostenrisiken der Apotheken geringer geworden seien, weil die Retaxierungsmöglichkeiten der Krankenkassen deutlich eingeschränkt worden seien. Die Verminderung des prozentualen Zuschlags soll „1:1 für eine entsprechende Erhöhung des Festzuschlags“ verwendet werden. Anders als das „Handelsblatt“ nennt das Eckpunktepapier keine Beträge. Möglicherweise ist inzwischen aufgefallen, dass die im „Handelsblatt“ aufgemachte Rechnung nicht passt. 

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Doch es bleibt bei der zentralen Idee, dass hier nur umverteilt werden soll. In den Eckpunkten heißt es dazu: „Auf diese Weise wird die ungleichmäßige Verteilung der Packungshonorare zwischen den Apotheken aufgrund stark angestiegener Arzneimittelpreise in einigen Arzneimittelsegmenten ausgeglichen, während eine Kostendeckung für preisbezogene Kosten weiterhin erhalten bleibt.“ Dies ist allerdings zu bezweifeln. Denn schon jetzt ist aus Apotheken zu hören, dass sich Hochpreiser bei ungünstigen Finanzierungsbedingungen nicht rechnen. Darum besteht bei einer noch geringeren prozentualen Vergütung die Gefahr, dass manche Apotheken diese Versorgungsaufgabe nicht mehr erbringen können. Außerdem würde mit einem noch geringeren prozentualen Zuschlag die minimale Anpassung der Apotheken an die Wirtschaftsentwicklung weiter verringert. 

Diesen strukturellen Nachteilen stehen auch in den begünstigten Apotheken nur sehr geringe Vorteile gegenüber. Einen Vorteil hätten diejenigen Apotheken, deren durchschnittlicher Packungswert unter dem Branchendurchschnitt liegt. Doch es gibt auch in klassischen „Versorgungsapotheken“ viele Packungen in der Größenordnung des Durchschnittswertes. Der Durchschnitt kann daher in einzelnen Apotheken allenfalls wenige Euro unter dem Branchendurchschnitt liegen. Es würden also einige Apotheken erheblich belastet und viele andere Apotheken minimal entlastet. Ein solcher Vorteil von allenfalls ein paar Cent pro Packung stünde in einem gewaltigen Missverhältnis zur ABDA-Forderung von 12 Euro Festzuschlag. Dies alles ist in doppelter Weise das Gegenteil der Apothekerforderungen. Es gibt nicht mehr Geld, und die geringe Kopplung an steigende Preise wird bis 2026 sogar vermindert.

Hauptproblem: Sorge um die Anpassung

Für die weitere Anpassung ab 2027 gibt es in den Eckpunkten eine echte Neuigkeit. Dort heißt es: „Mit Wirkung zum 1. Januar 2027 wird die Vereinbarung einer Anpassung des Festzuschlags auf den GKV-Spitzenverband und die Apothekerschaft im Benehmen mit der PKV übertragen.“ Die Aufgabe soll also von der Politik auf die Selbstverwaltung übergehen. Damit wird zwar die Notwendigkeit von regelmäßigen Änderungen anerkannt, aber die Erfahrung mit früheren Verhandlungen lässt für die Apotheken wenig Gutes erwarten. Die Eckpunkte sehen vor, dass die Verhandlungsparteien im Jahr 2025 ein gemeinsames Gutachten in Auftrag geben. Immerhin geben die Eckpunkte vor, dass die Verhandlungspartner die Versorgungssituation sowie Änderungen des Verbraucherpreisindexes und der Grundlohnsumme zu beachten haben. Das gibt eine gewisse Hoffnung, dass sich die Verhandlungspartner nicht in aussichtslosen Diskussionen über die Vorgehensweise verhaken. Doch auf jeden Fall entstünde hier eine komplett neue Baustelle. Vor allem bleibt vollkommen ungeklärt, was mit dem Änderungsbedarf geschehen soll, der seit 2013 und eigentlich schon seit 2002, dem Basisjahr des Kombimodells, aufgelaufen ist. Es sieht danach aus, dass die ganze Entwicklung bis 2025 unter den Tisch fällt. Das wäre aber für das System nicht zu verkraften. Hier liegt die zentrale Herausforderung, auf die das Ministerium überhaupt nicht eingeht. Die ABDA ist hier mit ihrer Botschaft offenbar überhaupt nicht durchgedrungen.

Vorsichtige Entwarnung bei Scheinapotheken

In den weiteren Eckpunkten geht es überwiegend um Aspekte, die Lauterbach bereits beim Deutschen Apothekertag erwähnt hatte. „Apotheken light“ gemäß der ursprünglichen Idee sind dabei nicht mehr vorgesehen. Bei der Vertretungsbefugnis für PTA geht es „nur noch“ darum, dass bei telepharmazeutischer Beratungsmöglichkeit mit einem Apotheker „Apotheken und Filialen auch vorübergehend öffnen, wenn eine erfahrene PTA vor Ort die Arzneimittelabgabe übernimmt“. Hier hat die Kritik von Seiten der Apotheker offenbar etwas bewirkt. 

Das gilt wohl auch für die Unterscheidung von Filial- und Zweigapotheken. Denn im Zusammenhang mit der Entbürokratisierung wird die „einfachere Gründung von Zweigapotheken in abgelegenen Orten oder Ortsteilen ohne Apotheke“ erwähnt. Das wäre etwas vollkommen anderes als die befürchteten „Apotheken light“. Denn erstens geht es nicht um Apotheken ohne Apotheker und zweitens können Zweigapotheken nicht nach Belieben, sondern nur unter bestimmten Voraussetzungen eingerichtet werden. Die befürchtete Wettbewerbsverzerrung würde damit vermieden, und möglicherweise gäbe es dann tatsächlich ein paar Zweigapotheken mehr. 

Das Eckpunktepapier des Ministers

Lauterbachs Pläne: Umverteilung vom prozentualen zum festen Zuschlag

Außerdem sehen die Eckpunkte vor, dass zwei Apotheker gemeinsam eine Filiale leiten dürfen. Dies wäre tatsächlich eine Erleichterung für die Personalsuche. Es gibt also ein paar positive Ansätze. Dass die Warnung vor „Apotheken light“ offenbar gewirkt hat, ist allerdings nur eine Korrektur der früheren Pläne des Ministers. Bezogen auf die Ausgangslage im ersten Halbjahr sind hingegen praktisch nur Verschlechterungen festzustellen.

Neue Aufgaben – auch mehr Geld?

Zu erwähnen ist noch die Ankündigung neuer Aufgaben für die Apotheken. Es soll neue pharmazeutische Dienstleistungen zur Prävention und Früherkennung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und tabakassoziierten Erkrankungen geben. Dabei bleibt aber offen, wie diese honoriert werden sollen und ob der Zuschlag zur Finanzierung des Dienstleistungsfonds erhöht werden soll. Bestenfalls ist hier mehr Geld für neue Aufgaben zu erwarten.

Die zentrale Herausforderung, die fehlende Anpassung der Honorierung nachzuholen und damit die Apotheken zu stärken, wird aber überhaupt nicht angegangen. Das Bundesgesundheitsministerium will in Sachen Honorarerhöhung offenbar nicht tätig werden und unterstreicht dies sogar. Denn es übergibt diese Aufgabe der Selbstverwaltung. Die Politik will das Thema loswerden.


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