Sie überzeugte Spahn – jetzt bekommen Krebspatienten wichtige Leistung bezahlt

Einer Krebstherapie folgt oft die Unfruchtbarkeit. Das vorherige Einfrieren von Eizellen oder Samen wird jungen Patienten bald finanziert. Ins Rollen gebracht hat die Gesetzesänderung Claudia Neumann. Die Darmkrebspatientin und „Ehrenfelix“-Preisträgerin schnappte sich bei der Verleihung Gesundheitsminister Jens Spahn und redete ihm ins Gewissen.

Claudia Neumann ist eine lebensfrohe und furchtlose Frau. Die heute 32-Jährige hat nicht nur den fortgeschrittenen Darmkrebs überwunden, der vor vier Jahren bei ihr festgestellt wurde. Sie hat auch einen Bundesminister vor großem Publikum zum Vier-Augen-Gespräch eingeladen, um über ein drängendes Anliegen junger Krebspatienten zu sprechen. Das war 2018. Heute ist daraus eine gesetzliche Regelung entstanden, der noch in diesem Jahr umgesetzt werden soll. FOCUS Online sprach mit Claudia Neumann über Krebs, Lebensmut und ihren großen Erfolg.

FOCUS Online: Sie haben 2018 bei der Galaveranstaltung „Felix Burda Award“ der Felix Burda Stiftung den Ehrenfelix gewonnen, mit dem die Stiftung bemerkenswerte junge Darmkrebspatienten auszeichnet. Bei Ihrer Dankesrede während der festlichen Gala haben Sie den anwesenden Bundesgesundheitsminister aufgefordert, sich mit ihnen gleich noch über die Fruchtbarkeitserhaltung junger Krebspatienten zu unterhalten. Wie kamen Sie darauf?

Claudia Neumann: Da muss ich etwas ausholen. Bei mir selbst wurde 2015 Darmkrebs in fortgeschrittenem Stadium festgestellt. Da war ich 27, gerade zu meinem damaligen Ehemann nach Berlin gezogen und bereit für ein Familienleben. Dann musste ich um mein Leben kämpfen, Operation, Chemo und Bestrahlung überstehen. Die Folge der Operation war ein Stoma, also ein künstlicher Ausgang. Nach Chemo und Bestrahlung war ich mit 28 Jahren unfruchtbar – so wie viele andere junge Krebspatienten.

Die Fruchtbarkeit kann aber erhalten blieben, wenn Eizellen und Samen vor der Therapie entnommen und eingefroren werden, um bei späterem Kinderwunsch verwendet zu werden. Das ist teuer und die Kassen bezahlen die Prozedur nur für Patientinnen mit Eierstockkrebs. Das ist Unsinn, schließlich ist selten der Krebs, sondern die Therapie an der Unfruchtbarkeit schuld. Die Deutsche Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs, für die ich mich ehrenamtlich engagiere, kämpft seit Jahren dafür, dass die Kryokonservierung für alle jungen Krebspatienten übernommen wird. Und darüber wollte ich an dem Abend ich mit Herrn Spahn sprechen, wenn ich ihn schon mal persönlich treffe. privat Claudia Neumann genießt ihr Leben nach der schweren Darmkrebs-Erkrankung

FOCUS Online: Und wie war’s?

Neumann: Ausgesprochen angenehm. Der Minister war sofort bereit, sich mit mir zusammenzusetzen, wirkte echt interessiert und stellte ganz konkrete Nachfragen zum Thema. Er versprach, sich um die Sache zu kümmern. Sicher konnte ich mir da natürlich nicht sein. Aber tatsächlich kam nach ein paar Wochen ein Anruf aus dem Ministerium und die Einladung zu einem Treffen mit den Interessensvertretern des Terminservice- und Versorgungsgesetzes. Und jetzt ist die Finanzierung der Fortpflanzungserhaltung junger Krebspatienten tatsächlich ins neue Gesetz aufgenommen worden. Das ist großartig!

FOCUS Online: Wie fühlt es sich an, ein Gesetz auf den Weg gebracht zu haben?

Neumann: Das Thema kam ja nicht erst durch mich in Gang. Die Stiftung hat sich schon lange dafür stark gemacht und auch bei Politikern vorgesprochen. Aber ich glaube schon, dass der persönliche Kontakt der Sache noch einmal einen Schub gegeben hat. Es hat geholfen, dass ein Schicksal mit einem Gesicht verbunden ist, da kam eine emotionale Ebene dazu.

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FOCUS Online: Konnten Sie selbst auch von der Kryokonservierung profitieren?

Neumann: Nein, für mich bestand damals nach der Diagnose T4-Rektalkarzinom nicht mehr die Zeit für das Einfrieren von Eizellen. Die Ärzte wollten sofort mit der Therapie beginnen. Aber ich bin unglaublich froh, dass jetzt andere Krebspatienten die Möglichkeit dazu haben. Es geht dabei immerhin um Kosten von über 4000 Euro.

FOCUS Online: Gibt es neben der Fruchtbarkeit noch andere Themen, die speziell für junge Krebspatienten wichtig sind?

Neumann: Armut durch Krebs ist so ein Thema, das niemand wirklich auf dem Schirm hat. Wenn zum Beispiel ein Student wegen der Krankheit die Studienzeit nicht einhalten kann und exmatrikuliert wird, fällt er durch alle finanziellen Sicherheitsnetze.

Ein anderes Thema ist die fehlende Einbindung von Familie und Freunden in die Betreuung, vor allem psychologisch. Mit einem sterbenskranken Kumpel sind junge Menschen einfach überfordert.

Und schließlich, das liegt mir persönlich besonders am Herzen, müsste es flächendeckende Testungen für junge Menschen geben, bei denen individuelle oder familiäre Risikofaktoren vorhanden sind. Bei jungen Menschen wird bei Warnsignalen viel zu selten an eine lebensbedrohliche Erkrankung gedacht.

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FOCUS Online: Hätte ein Gentest auf Darmkrebs Sie vor der Erkrankung bewahren können?

Neumann: Nein, mein Darmkrebs hat keine genetische Komponente. Es gab auch keine anderen Risikofaktoren, warum ich mit 27 diesen Krebs bekam. Es war der pure Zufall nach dem Motto „zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort.

FOCUS Online: Wie sehr sind Sie durch die Folgen des Darmkrebses gehandicapt, etwa durch das Stoma?

Neumann: Ich sehe das überhaupt nicht als Handicap. In den ersten Wochen war ich geschockt vom künstlichen Ausgang. Inzwischen gehört der Beutel einfach zu mir und ich kann so ziemlich alles uneingeschränkt machen, zum Beispiel auch beim Strandurlaub ins Wasser gehen. Das Handicap hat eher die Umgebung im Kopf, für die das Stoma ein großes und unangenehmes Thema ist.

Ich selbst bin einfach nur glücklich, dass ich am Leben bin.

Die Diagnose Darmkrebs bedeutet für Betroffene nicht nur einen emotionalen Einbruch, sondern oft auch einen finanziellen. Wer Patienten unterstützen möchte, kann an folgendes Konto spenden:

Felix Burda Stiftung
IBAN: DE35 6808 0030 0730 0323 01
BIC: DRESDEFF680
Commerzbank Offenburg
Stichwort: „patientenhilfe darmkrebs“

Weitere Informationen finden Sie unter diesem Link. Die Felix Burda Stiftung mit Sitz in München wurde 2001 von Dr. Christa Maar und Verleger Prof. Dr. Hubert Burda gegründet und trägt den Namen ihres 2001 an Darmkrebs verstorbenen Sohnes.

Die Stiftung widmet sich ausschließlich der Prävention von Darmkrebs und ist heute eine der bekanntesten, gemeinnützigen Institutionen in der deutschen Health Community.

Anmerkung: FOCUS Online gehört wie die Felix Burda Stiftung zu Hubert Burda Media. FOL

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