Corona

»Ich hab erlebt, dass die Leute nicht verstanden haben, was da eigentlich passiert.« 

»Corona ist schon sehr tückisch und unberechenbar.« 

»Ich denke, dass es eben mit Applaus nicht getan ist.« 

Fabian Fiechter wohnt in Lörrach, an der Grenze zur Schweiz und hat zwei Jobs. Seit mehr als 15 Jahren arbeitet er auf der Intensivstation am Universitätsspital im benachbarten Basel – in Teilzeit, denn in seinem zweiten Job ist der 40-Jährige freiberuflicher Fotojournalist. Irgendwann während der ersten Corona-Welle fiel ihm auf, dass er beides miteinander verbinden sollte. 

Fabian Fiechter, Intensivpflegefachmann und Fotograf 
»Jeden Tag gab es irgendwie ein Interview mit einem Chefarzt, der vor einer Kamera vor der Klinik stand und da ausführliche Informationen gegeben hat, aber es gab keine Bilder. Und ich war dann überrascht über die Bilder, die es in den deutschsprachigen Medien gab, dass das oft irgendwelche Agenturbilder waren, die so ein bisschen diffus die Intensivstation gezeigt haben, aber nicht wirklich nah dran waren.« 

Fiechter fragte die Klinikleitung, ob er im Haus außerhalb seiner Arbeitszeit fotografieren dürfe. Die willigte schließlich ein. Fiechters Anliegen: so zu fotografieren, dass er ein möglichst realistisches Bild vom Krankenhausalltag in der Corona-Pandemie vermittelt.  

Fabian Fiechter, Intensivpfleger
»Im Frühjahr haben mich die Leute noch komisch angeguckt, wenn ich gesagt hab: Hey, haltet bitte Abstand oder zieht eine Maske an. Die hören dann irgendwelche Zahlen und dann heißt es: Da kommt ein gefährlicher Virus. Und die Bevölkerung ist dann so: Ja, aber ich kann doch jetzt nochmal ins Kino gehen, oder? Und ich hab aber das Gegenteil im Krankenhaus gesehen. Also da kommen jetzt meine Bilder ins Spiel. Ich hab erlebt, dass die Leute nicht verstanden haben, was da eigentlich passiert. 

Zu einer normalen Grippesaison haben wir immer wieder mal Patienten mit Lungenversagen, aber niemals in dieser Menge. Also ich habe noch nie erlebt, dass wir die halbe Station, dass 20 Betten nur belegt sind für Patienten, die an ein und demselben Virus erkrankt sind. Wir haben oft Patienten, die dann auf einmal sich verschlechtern oder irgendwelche zusätzlichen Komplikationen machen, die wir nicht erwartet hätten. Und dazu kommt dann auch noch, dass dann irgendwie Kollegen ausfallen, dass die krank werden. Man spürt das schon auch im Team, dass die Leute müde werden. 

Normal auf einer Intensivstation ist es, dass es eine hohe Arbeitsbelastung ist, aber dann immer wieder auch mal abnimmt und man auch mal wieder ein paar ruhigere Dienste hat und sich wieder erholen kann als Team, und dann nimmt es wieder zu. Und jetzt ist es eigentlich sehr lange auf höchstem Niveau immer.« 

Einige seiner Bilder bleiben dem Fotografen selbst besonders im Kopf. 

Fabian Fiechter, Intensivpfleger
»Einmal das Bild einer Kollegin, die im Nachtdienst ihre Hand auf das Bein von einem Patienten legt, die das gerade ihre Runde macht. Sie untersucht den Patienten. Die Mimik der Leute ist weg, weil sie Masken anhaben. Man sieht nicht, ob jemand lächelt… Aber für mich zeigt dieses Bild einfach auch diese Zuwendung zu den Menschen.   

Ein weiteres Bild, was mich berührt hat, ist die Hochzeit eines Patienten bei uns. Er war schon, ich glaube knapp drei Monate bei uns auf Station und hat dann bei uns seine Partnerin geheiratet. Das ist einerseits ein trauriger Anlass, dass das im Spital passieren muss, aber andererseits ist es auch ein bisschen eine Hoffnungssituation natürlich das, dass es irgendwie weitergeht.« 

Fabian Fiechter begleitet den Patienten auch während seiner Zeit in der Reha mit der Kamera. Monatelang muss er daran arbeiten, von der Beatmungsmaschine weg und wieder auf die Beine zu kommen. 

Fabian Fiechter, Intensivpfleger
»Die Bilder zeigen für mich einfach auch, wie schwer jemand und wie lange jemand mit diesen Spätfolgen zu kämpfen hat. Und auch heute hat er noch daran tagtäglich zu kämpfen.« 

Mit seinen Fotos will Fiechter auch auf die dauerhaft schwierige Situation in der Pflege hinweisen. 

Fabian Fiechter, Intensivpfleger
»Ich habe schon in meiner Ausbildungszeit dieses Thema Pflegenotstand gehört, und das ist 20 Jahre her. Und natürlich haben sich manche Sachen optimiert. Aber das Grundproblem, dass wir zu wenig Pflegende haben, zu wenig Anerkennung auch in diesem Beruf, die Bezahlung, die Arbeitsbedingungen sind zu schlecht. Und das führt jetzt in dieser Pandemiezeit natürlich zu einer Situation, die sich dann zuspitzt.«  

Zumal von Entwarnung keine Rede sein kann. Insbesondere mit den deutlich ansteckenderen Virusmutationen. 

Fabian Fiechter, Intensivpfleger
»Ich habe auch großen Respekt davor, dass diese Situation auch kippen kann, weil bis jetzt können wir das noch irgendwie händeln. Aber wenn die Infektionszahlen natürlich massiv steigen, dann würde auch die Betreuung der Patienten sich verschlechtern und das würde dann wiederum bedeuten, dass mehr Leute daran versterben.« 











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