Wurde durch Merkel-Schelte berühmt – Krankenpflege-Azubi: „So krank ist unsere Pflege“

Es ist der 11. September 2017, der Alexander Jorde einem breiten Publikum bekannt macht: Der Auszubildende zum Krankenpfleger nimmt Kanzlerin Merkel (CDU) in der ARD-Wahlarena beim Thema Pflegenotstand in die Mangel. Der Hildesheimer ist schlagfertig und hakt nach.

Seitdem ist er in verschiedenen Talkshows wie "Hart aber Fair" oder "Markus Lanz" zu Gast gewesen – und wurde als "Gesicht der Pflege" betitelt. Heute erscheint sein Buch "Kranke Pflege". Mit der AZ spricht er über politische Fehler, kluge Nachbarländer – und kritisiert auch seine Kollegen.

AZ: Herr Jorde, im Sommer beenden Sie Ihre Ausbildung als Krankenpfleger. Was überwiegt: Vorfreude oder Angst vor dem Ende des Welpenschutzes?

ALEXANDER JORDE: Natürlich freut man sich erst mal, wenn man den akuten Prüfungsstress nicht mehr hat und nicht mehr schulisch lernen muss. Obwohl das ja ein Beruf ist, in dem man grundsätzlich nie aufhört zu lernen. Aber natürlich bin ich mir auch bewusst, dass noch ein großer Batzen an Verantwortung dazukommt.

"Der Pflegenotstand ist Produkt jahrelanger Fehlentscheidungen"

Wandern Sie dann gleich ins Pflegeparadies Norwegen ab?

Da müsste ich erst einmal Norwegisch lernen! Nein, das habe ich nicht vor. Aber ich verstehe die Frage, weil Pflege dort deutlich attraktiver ist als hier in Deutschland.

In Ihrem Buch "Kranke Pflege" berichten Sie von einem Besuch in einem Krankenhaus in Oslo, der Alltag der Pfleger klingt tatsächlich paradiesisch. Was machen andere Länder besser?

In Norwegen ist das Gesundheitssystem in kommunaler Hand, die Finanzierung ist solidarischer, weil es keine Beitragsbemessungsgrenze gibt. Und die Personalstandards sind sehr viel höher. Unser Pflegenotstand ist ein Produkt jahrelanger politischer Fehlentscheidungen. Die gab es in anderen Ländern nicht in dem Maß wie bei uns.

Wenn wir schon bei der Politik sind: Sie sind seit ein paar Monaten SPD-Mitglied. Wollen Sie Gesundheitsexperte Karl Lauterbach beerben?

Ich habe mir keinen Posten-Plan gemacht. Viele unterstellen einem das, wenn man ein bisschen Aufmerksamkeit hat und dann in eine Partei eintritt. Ich glaube, dass das gar nicht so erstrebenswert ist: Man wird damit nicht reich und fährt von einer Veranstaltung zur anderen. Ich will mich sachlich einbringen, und wenn sich irgendwann mal was ergibt, wäre das okay. Ich würde mir eher wünschen, dass viel mehr Menschen mit Fachwissen aus der Pflege in die Politik gehen würden, egal in welche Partei – außer vielleicht in die AfD.

Sie kritisieren, dass der Pflegenotstand auch eine Folge davon ist, dass Krankenhäuser Profit machen wollen. Können Sie das erklären?

Es ist eigentlich logisch: Wenn Krankenhäuser, vor allem private Träger, möglichst viel Gewinn machen wollen, brauchen sie möglichst wenig Ausgaben. Und das geht natürlich am ehesten, wenn man am Personal spart. Das setzt eine Negativspirale in Gang.

Sollten also alle Krankenhäuser verstaatlicht werden?

Das wäre meine Wunschvorstellung. Aber ich bin Realist. Erstmal sollte man über Anreize und vor allem staatliche Vorgaben dafür sorgen, dass private Krankenhäuser erst dann Gewinne machen dürfen, wenn Sicherheit und Qualität der Versorgung und gute Arbeitsbedingungen der Pflegekräfte gewährleistet sind.

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