Warentest-Experte über Qualitätsunterschiede bei Corona-Schnelltests: "Ein Münzwurf hätte mehr Aussagekraft"
Herr Schwan, aktuell steigen die Fallzahlen mit dem Coronavirus wieder. Im Handel gibt es viele Schnelltests. Woran erkennen Verbraucherinnen und Verbraucher, welche gut sind?
Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) hat viele dieser Tests geprüft und ermittelt, wie hoch die Messgenauigkeit ist – also wie zuverlässig die Schnelltests eine Infektion erkennen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat diese Daten ergänzt. Allerdings waren die Listen für Verbraucherinnen und Verbraucher nur schwer lesbar. Wir von der Stiftung Warentest haben die Ergebnisse daher nach verschiedenen Kriterien filterbar in einer Datenbank aufbereitet. Sie enthält die Ergebnisse für 61 Corona-Selbsttests. Bei 18 Tests steht die Prüfung durch das PEI noch aus, die anderen 43 werden als "geeignet" eingestuft. Sie erfüllen das vom PEI geforderte Mindestkriterium: eine Messgenauigkeit von mindestens 75 Prozent bei hoher Viruslast.
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Was bedeutet dieser Wert?
Die Zahl ergibt sich aus einem Vergleich der Schnelltests mit der PCR-Analyse. Die PCR ist das beste bekannte Verfahren, um eine Infektion nachzuweisen. Die PEI-Prüferinnen und -Prüfer haben die Ergebnisse dieser Tests mit jenen der Schnelltests verglichen und untersucht, ob die Schnelltests ähnlich gut anschlagen. Die Messgenauigkeit wird auch als Sensitivität bezeichnet. Ein Wert von 75 Prozent bedeutet, dass ein Schnelltest drei von vier Infizierten mit hoher Viruslast erkennt, die auch laut PCR positiv sind. Eine infizierte Person würde in diesem Fall aber durch das Raster fallen.
Drei von vier? Das klingt mau.
Ja, die Quote ist recht schwach. Es handelt sich dabei allerdings nur um das Mindestkriterium. Es gibt viele Tests, die einen höheren Wert erreichen.
Die Datenbank enthält verschiedene Suchkriterien. Welche Einstellung ist besonders sinnvoll?
Wir empfehlen den Filter "hohe Messgenauigkeit über alle Viruskonzentrationen". Verbraucherinnen und Verbraucher wissen zum Testzeitpunkt schließlich nicht, wie hoch ihre Viruslast ist. Übrig bleiben elf Selbsttests. Diese können dann noch weiter sortiert werden, zum Beispiel nach dem Ort, wo die Probe genommen wird, also in der Nase oder im Mund beziehungsweise Rachen.
Haben Sie sonst noch einen Tipp?
Ich würde nach Setzen der Filter immer zu dem Test mit der größten Messgenauigkeit greifen. Der beste Test in der Datenbank erreicht eine Sensitivität von 90 Prozent, bezogen auf die Messgenauigkeit über alle Viruskonzentrationen.
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Mit anderen Worten: Neun von zehn Infektionen werden erkannt. Auch da ist Luft nach oben, oder nicht?
Absolut. Ein einzelnes negatives Ergebnis sollte deshalb nicht als Freifahrtschein angesehen werden.
Wie lässt sich die Sicherheit steigern?
Durch einen PCR-Test oder durch wiederholtes Testen, zum Beispiel am Folgetag. Das erhöht die Chance, dass im Verlauf der Virusinfektion vielleicht doch der Punkt erreicht ist, ab dem die Viruslast groß genug ist, um die Infektion mit einem Selbsttest zu erkennen.
Vorausgesetzt, die Tests taugen etwas.
Ein Test sollte wenigstens das Mindestkriterium von 75 Prozent bei hoher Viruslast erfüllen. Zahlreiche Tests in der PEI-Auswertung haben das nicht geschafft. Einige hatten sogar eine Messgenauigkeit von null Prozent und waren damit überhaupt nicht in der Lage, das Virus zu erkennen. Wer an einen solchen Schnelltest gerät, hat schlechte Karten. Da hilft auch wiederholtes Testen nichts. Sogar ein Münzwurf hätte mehr Aussagekraft. Da gibt es immerhin eine 50:50-Wahrscheinlichkeit.
Werden solche Tests noch verkauft?
Davon ist auszugehen, ja. Zwar müssen die Anbieter für die Qualität einstehen, aber bis die Tests dann wirklich vom Markt verschwinden – und sei es nur durch einfache Marktbereinigung, weil sie nicht mehr gekauft werden – braucht es meist eine ganze Weile.
Können Schnelltests auch die Omikron-Variante des Coronavirus erkennen?
Viele Schnelltests detektieren das Coronavirus über das sogenannte Nukleo-Protein (N), nicht über das Spike-Protein, das bei Omikron stark verändert ist. Deshalb sind viele Schnelltests grundsätzlich auch in der Lage, Omikron zu erkennen. Allein: Wie gut sie das tatsächlich tun, wird aktuell noch vom Paul-Ehrlich-Institut untersucht.
Man hört immer wieder, dass Schnelltests, deren Probe im Rachen statt in der Nase genommen wird, schneller positiv werden. Eine Infektion kann demnach frühzeitiger angezeigt werden. Ist da was dran?
Grundsätzlich sollten Verbraucherinnen und Verbraucher beim Testen so vorgehen, wie in der Gebrauchsanweisung beschrieben, denn eine falsche Anwendung kann das Ergebnis des Schnelltests beeinflussen. Wer mit einem Rachenabstrich besser zurechtkommt, kann aber natürlich zu einem Test greifen, der entsprechend anzuwenden ist. Zwischen Tests, deren Probe in der Nase oder im Rachen genommen wird, scheint es keine großen qualitativen Unterschiede zu geben. In unserer Liste mit hoher Messgenauigkeit über alle Viruskonzentrationen sind beide Testvarianten vertreten.
Wie verhalte ich mich richtig, wenn ich Symptome einer Atemwegserkrankung habe?
Um Ansteckungen zu vermeiden, ist es am besten, zuhause zu bleiben und den Infekt auszukurieren – insbesondere dann, wenn man nicht genau weiß, ob es sich nicht vielleicht doch um eine Infektion mit dem Coronavirus handelt. Bei starken oder anhaltenden Symptomen sollte ein Arzt zu Rate gezogen werden.
Zu der frei abrufbaren Selbsttest-Datenbank der Stiftung Warentest geht es hier.
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