Spermienschwund: Die Mär von der ewigen Fruchtbarkeit des Mannes

George Clooney war 56, als er zum ersten Mal Vater wurde. Peter Maffay legte mit 69 Jahren zum dritten Mal nach und Richard Gere war bei Kind Nummer vier bereits 70. Es gibt sie, die Männer, die sich auch im fortgeschrittenen und hohen Alter noch über Nachwuchs freuen können. Aber eine Selbstverständlichkeit ist das späte Vaterglück nicht. Auch bei Männern tickt die biologische Uhr.

Wahr ist, dass Frauen weniger Zeit haben, Kinder zu bekommen als Männer. Während Männer immer wieder neue Spermien bilden, werden Frauen bereits mit einer gewissen Anzahl Eizellen geboren, weitere werden im Laufe des Lebens nicht produziert. Diese Zahl an Eizellen nimmt ab der Geburt kontinuierlich ab. Sind es anfänglich rund eine Million Eizellen, sind es zu Beginn der Pubertät nur noch etwa 300.000. Ab etwa 35 sinkt zudem auch die Qualität der noch vorhandenen Eizellen. Bereits mit 40 ist die Eizellreserve bei einer von 100 Frauen erschöpft. Daher können viele Frauen schon Jahre vor der Menopause, deren Einsetzen eine Schwangerschaft in der Regel endgültig unmöglich macht, keine Kinder mehr bekommen.

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Spermien werden im Alter zunehmend träge

Bei Männern gibt es einen solchen Fixpunkt nicht. Aus biologischer Sicht werden sie nicht zeugungsunfähig. "Grundsätzlich können Männer bis ins hohe Alter Kinder zeugen", sagte Professor Sabine Kliesch, Direktorin des Centrums für Reproduktionsmedizin und Andrologie an der Uniklinik Münster, zu "Quarks". Und tatsächlich lassen sich Männer mit dem Kinderkriegen auch immer mehr Zeit. 1991 waren Männer in Deutschland beim ersten Kind durchschnittlich 31 Jahre alt, 2020 waren sie 34,6 Jahre, das zeigen Zahlen des Statistischen Bundesamts. Dabei ist auch ihr Zeitfenster, in dem sie Kinder zeugen können, begrenzt. Das Fruchtbarkeitsfenster von Männern beginnt sich ab etwa 40 Jahren zu schließen – wie schnell, das ist von Mann zu Mann verschieden. Einfluss darauf hat unter anderem der Lebensstil. Abträglich für die Fruchtbarkeit können das Rauchen, zu viel Alkohol, Cannabis, Leistungssport und Wärme sein.

Bewiesen ist, dass im Alter der Mann, ist er gesund, zwar weiterhin Spermien produziert, deren Qualität aber schlechter wird. Zu allem Übel werden die Spermatozoen träge. Sie bewegen sich weniger und verlieren an Geschwindigkeit. Der Grund: In den Spermien finden sich vermehrt genetische Defekte. Je mehr Spermien von solchen Defekten betroffen sind, desto länger dauere es laut Kliesch, dass die Frau schwanger wird. So fand ein britisches Forscherteam im Rahmen einer Studie heraus, dass Paare mit einer Frau unter 25 Jahren und einem Mann über 40 etwa dreimal so viel Zeit benötigen, um schwanger zu werden, als Paare, in denen der Mann jünger als 40 Jahre ist. In diesem Fall dauert es im Schnitt sieben Monate, bis die Frau schwanger ist. Gelingt die Zeugung trotz höherem Mannesalter, kann es einen negativen Einfluss auf die Gesundheit des Kindes haben. So gibt es Anhaltspunkte, dass dies bei Kindern psychische Erkrankungen und Autismus begünstigt.

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Fruchtbarkeit von Männern nimmt weltweit ab

Die Fortpflanzungsfähigkeit des Mannes lasse etwa ab 40 Jahren nach, erklärt auch Reproduktionsmediziner Eberhard Nieschlag dem "Focus". "Zu dem Zeitpunkt kann man aber noch nichts Fehlerhaftes an den Spermien sehen. Vom 50. Lebensjahr an geht dann die Spermienbeweglichkeit zurück und die ist für die Fortpflanzung von Bedeutung, sonst finden die Spermien die Eizelle nicht", so Nieschlag. Wie fruchtbar ein Mann ist, kann ein Samentest klären. Bei diesem wird geprüft, wie die Befruchtungsfähigkeit der Spermien ist. Sind die Ergebnisse des Spermiogramms auffällig, können Hormonuntersuchung oder eine Untersuchung der Samenwege mit Ultraschall nötig werden. In manchen Fällen kann eine medikamentöse Behandlung, in anderen eine Operation helfen. "In vielen Fällen lässt sich aber keine eindeutige Ursache für eine eingeschränkte Fruchtbarkeit finden", ist auf der Seite der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) nachzulesen.

Dazu kommt, dass die Fruchtbarkeit von Männern insgesamt abnimmt – weltweit. Laut einer israelischen Studie sank die durchschnittliche Spermienkonzentration zwischen 1973 und 2018 um mehr als 51 Prozent, von 101,2 Millionen auf 49 Millionen Spermien pro Milliliter Samenflüssigkeit. Die Ergebnisse deuten daraufhin, "dass sich dieser weltweite Rückgang im 21. Jahrhundert beschleunigt", heißt es in der am Dienstag in der Zeitschrift "Human Reproduction Update" veröffentlichten Studie. Die Spermienzahl sinkt demnach mit einer Rate von 1,1 Prozent pro Jahr, warum es zu dem Spermienschwund ist nicht bekannt. Klar ist aber, dass sich die Fortpflanzungsfähigkeit der Männer dadurch weiter verschlechtert.

Quelle:  BZgA, BZgA 2, Quarks, Statista, Focus, mit Material der dpa

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