Kosten ohne Deckelung vertragen kein gedeckeltes Honorar
Die Apotheken brauchen mehr Geld. Trotzdem kursieren immer wieder neue Ideen, das Honorar der Apotheken zu kürzen. Besonders problematisch erscheint der Gedanke, den dreiprozentigen Zuschlag für Rx-Arzneimittel zu deckeln. Denn die Kosten sind auch nicht gedeckelt und die absolute Belastung bei der jüngsten Idee zu diesem Thema wäre sogar deutlich größer als bei der geplanten Erhöhung des Apothekenabschlags. Diese Analyse beschreibt die Zusammenhänge.
Im Zuge der Diskussion über das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz wurden weitere Ideen für Kürzungen im Apothekenbereich formuliert. Die FDP-Bundestagsfraktion hat das Bundesgesundheitsministerium beispielsweise gebeten zu prüfen, was eine Deckelung der 3-Prozent-Marge für Rx-Arzneimittel auf 45 Euro bringen würde (siehe DAZ.online vom 28. 9.). Das ist nur eine Prüfbitte und kein Vorschlag. Doch wenn eine solche Idee im politischen Raum steht, erscheint es sinnvoll, die Gedanken dazu zu sortieren.
Jeder gekürzte Euro fehlt bei der Versorgung
Dabei ist zuerst das Grundproblem aller Kürzungsideen zu bedenken. Durch das Streichen von Einnahmen wird kein Aufwand gespart. Die Apotheken werden belastet und dabei zählt am Ende die Summe – unabhängig vom Mechanismus der Streichung. Denn die Apotheken haben Kontrahierungszwang und einen Versorgungsauftrag. Sie können sich ihre Kunden nicht aussuchen. Darum ist die Arzneimittelpreisverordnung kein Tarif mit Steuerungswirkung, sondern sie soll die Finanzierung der Apotheken sichern.
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Oder anders ausgedrückt: Es ist egal, ob den Apotheken das Geld aus der linken oder aus der rechten Tasche gezogen wird. Es wird auf jeden Fall bei der Versorgung fehlen. Wenn Apotheken schließen oder ihre Öffnungszeiten reduzieren müssen, trifft es letztlich die Patienten.
Umsatzabhängige Kosten sind nicht gedeckelt
Speziell bei der Deckelung ist einerseits die Grundidee und andererseits die Höhe der Belastung zu betrachten. Schon die Grundidee ist sehr gefährlich. Denn jedes Handelsunternehmen, das Eigentum an den gehandelten Waren erwirbt, hat wertabhängige Kosten. Bei Apotheken sind das Finanzierungskosten, ein Ausgleich für Bruch, Verfall oder Retaxationen, Beiträge und Prämien für Versicherungen und Mitgliedschaften, Gebühren für die Rezeptabrechnung, Steuerberatungskosten und alles, was sonst vom Umsatz abhängt. Bei hochpreisigen Arzneimitteln für privat Versicherte gehört dazu auch die mögliche Kreditkartengebühr. Aus allen diesen Gründen brauchen die Apotheken eine prozentuale Marge – und die ist mit drei Prozent nach den Maßstäben des Handels sehr knapp bemessen. Dass die Apotheken bisher so überhaupt arbeiten konnten, war auch eine Folge der niedrigen Zinsen. In eine Zeit steigender Zinsen passt eine Deckelung überhaupt nicht. Außerdem widerspricht eine Deckelung der Struktur der Kosten. Denn die Kosten sind auch nicht gedeckelt. Das ist der entscheidende Grund, weshalb die Idee an der Arbeitswirklichkeit der Apotheken vorbei geht. Dabei erscheint es besonders befremdlich, dass ausgerechnet die FDP, die sonst gerne wirtschaftsnahe Antworten gibt, eine Idee ins Spiel bringt, die so weit weg von der wirtschaftlichen Realität ist.
Belastung von etwa 270 Millionen Euro pro Jahr droht
Das andere Problem ist die Höhe der Belastung. Diese wäre weitaus größer als bei der geplanten Erhöhung des Apothekenabschlags. Das zeigt die folgende Rechnung.
Die Deckelung des dreiprozentigen Zuschlags für den Rx-Arzneimittelpreis auf 45 Euro wäre bei einem Apothekeneinkaufspreis von 1500 Euro erreicht. Die ABDA weist den Anteil der Rx-Fertigarzneimittel mit Apothekenverkaufspreisen über 1500 Euro aus. Im Jahr 2021 betrug der Anteil demnach 0,7 Prozent vom Absatz und 37,5 Prozent vom Umsatz. Gemäß dem Apothekenwirtschaftsbericht für 2021 gaben die Apotheken 756 Millionen Rx-Packungen (58,7 Prozent von 1.288 Millionen Packungen) im Wert von 50,19 Milliarden Euro (80,4 Prozent von 62,43 Milliarden Euro, ohne Mehrwertsteuer) ab.
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Um mit diesen Zahlen weiterrechnen zu können, ist eine Arbeitshypothese zur Verteilung der Rx-Arzneimittel nötig. Für eine Schätzung soll hier angenommen werden, dass sich die Rx-Arzneimittel zu 80 Prozent auf die GKV, zu 10 Prozent auf die PKV und 10 Prozent auf Selbstzahler verteilen. Der Hochpreiser-Anteil in GKV und PKV wird als gleich unterstellt, obwohl er bei der PKV vermutlich eher größer ist. Bei den nicht erstattungsfähigen Rx-Arzneimitteln für Selbstzahler werden keine Hochpreiser angenommen. Unter diesen eher vorsichtig gewählten Annahmen lässt sich die Zahl der Arzneimittel, die vom erwähnten Preisdeckel betroffen wären, auf 4,76 Millionen Packungen mit einem Umsatz von 16,94 Milliarden Euro schätzen. Dies ergäbe einen durchschnittlichen Apothekenverkaufspreis von 3559 Euro pro Packung. Darin wären aufgrund der Arzneimittelpreisverordnung 103 Euro als prozentuale Marge für die Apotheke enthalten. Bei einer Deckelung des Aufschlags auf 45 Euro würde den Apotheken 58 Euro Rohertrag pro Packung verloren gehen. Bei 4,76 Millionen Packungen wären das pro Jahr 276 Millionen Euro Einbuße beim Rohertrag oder durchschnittlich 15.100 Euro pro Apotheke. Es sei daran erinnert, dass dies eine vorsichtige Schätzung aufgrund der oben erwähnten Verteilungshypothese ist. Entscheidend ist die Größenordnung.
Hohe Belastung – besonders bei PKV-Patienten
Ein Branchendienst hatte kürzlich eine geringere Belastung ermittelt, dabei aber nur mit niedrig angesetzten vier Millionen Packungen gerechnet. Dort wurde die PKV überhaupt nicht berücksichtigt. Gerade der Anteil der PKV ist aber ein großes Problem bei dieser Idee. Änderungen an der Arzneimittelpreisverordnung betreffen auch die PKV. An dieser Stelle würde die GKV nicht entlastet, die Apotheken würden aber erheblich belastet. Da Hochpreiser vergleichsweise häufig mit Kreditkarten bezahlt werden, sind die umsatzabhängigen Kosten bei der PKV besonders relevant. Damit unterscheidet sich die Idee der Deckelung wesentlich vom Plan, den Apothekenabschlag zu erhöhen. Die Deckelung würde zusätzlich die PKV-Umsätze treffen und die Einbuße wäre viel höher. Bei der Erhöhung des Abschlags dürfte die Belastung etwa 120 Millionen Euro jährlich für zwei Jahre betragen.
Irritierende Idee zur Importförderklausel
Mindestens ebenso irritiert eine weitere Frage der FDP-Fraktion an das Bundesgesundheitsministerium. Es soll prüfen, „um welchen Betrag der Apothekenabschlag zusätzlich erhöht werden müsste, um die Streichung der Importförderklausel daraus vollständig zu refinanzieren“ (siehe DAZ.online vom 28. 9.). Doch von einer solchen Streichung würde hauptsächlich die Pharmaindustrie profitieren. Da die Apotheken nur einen dreiprozentigen Aufschlag auf den Einkaufspreis erheben, kämen bei ihnen nur drei Prozent der Preisdifferenz an. Es würden einige organisatorische Kosten im Zusammenhang mit Importen wegfallen, aber auch mögliche höhere Rabatte der Importeure. Das Problem liegt daher in der Grundidee der Frage: Warum sollte der Apothekenabschlag erhöht werden, der die Apotheken zu 100 Prozent trifft, um einen Vorteil zu kompensieren, an dem die Apotheken nur zu drei Prozent beteiligt sind? Warum sollten die Apotheken herhalten, um gegenüber der GKV eine Umverteilung auszugleichen, die die Pharmaindustrie begünstigt? Dazu lässt sich zwar eine Zahl errechnen, aber sie hätte keinen wirtschaftlichen Sinn. Darum bleibt zu hoffen, dass beide Prüfbitten möglichst schnell aus der Diskussion verschwinden.
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