Die Stimmung an der Basis ist schlecht wie nie

Die Stimmung an der Basis ist schlecht – so schlecht wie noch nie. Das wurde am vergangenen Mittwoch bei der Delegiertenversammlung der Bayerischen Landesapothekerkammer in der Diskussion über den Bericht des Präsidenten mehr als deutlich. Doch schwarz sehen will nicht jede:r.

Wenig überraschend nahm das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz im Bericht von Bayerns Kammerpräsident Thomas Benkert bei der Delegiertenversammlung einigen Raum ein. Als „Stein des Anstoßes“ bezeichnete er es. Bereits vor dem Apothekertag, als die ABDA-Spitze endlich einen Termin bei Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bekommen hatte, habe man das Thema angesprochen. „Wir haben mit Engelszungen auf ihn eingeredet, dass es bei den Apotheken nichts mehr zu holen gibt“, berichtet Benkert. 

Aber der Minister sei unbelehrbar gewesen. Man könne das Paket nicht mehr aufschnüren, hieß es. Dass Lauterbach bei den Ärzten dennoch eine Anpassung vorgenommen hat, ärgert Benkert – auch wenn er ihnen alles gönne, wie er betont. „Vor dem Hintergrund des Milliardendefizits der GKV sind die den Apotheken zu erzielenden Einsparungen ein Mückenschiss an der Wand. Einigen Kollegen tut das aber richtig weh“, so der Kammerpräsident.

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Seine Ansage an die Politik: „Wir brauchen Rahmenbedingungen für Planungssicherheit.“ Im Koalitionsvertrag sei die Rede von einer Stärkung der Vor-Ort-Apotheken. Dazu brauche es aber die notwendigen Zutaten, zum Beispiel ein Einkommen, das nicht von der wirtschaftlichen Gesamtentwicklung abgekoppelt ist, sowie eine Dynamisierung der Vergütung. Zudem brauche es klare Vorgaben zum Impfen und den Ausbau der pharmazeutischen Dienstleistungen. Benkert plädierte außerdem für eine Verstetigung der Coronaregelungen, die dem Berufsstand mehr „Beinfreiheit“ gäben, auch um mit Lieferengpässen besser umgehen zu können.

Verzweifelte und aggressive Anrufe

Wie sehr „der Mückenschiss“ einigen weh tut, zeigte die anschließende Diskussion. An der Basis sei die Stimmung so schlecht wie nie, berichteten mehrere Delegierte. Es gebe verzweifelte und aggressive Anrufe, hieß es. Das habe man noch nie so erlebt. Ob es einen Kommunikationsleitfaden gäbe, um die Stimmung aufzufangen, wurde gefragt. Zudem müssen man gegenüber der Politik ein Zeichen setzen, dass man mit den Apotheker:innen eben nicht alles machen könnte.

„Wir müssen uns auf das Positive konzentrieren“

Der Vorsitzende des Bayerischen Apothekerverbands, Hans-Peter Hubmann, will in diese Klagen allerdings nicht einstimmen. Manche ließen sich in einen Negativstrudel herabziehen. Ihm habe die Arbeit in der Apotheke noch nie so viel Spaß gemacht wie in den vergangenen zwei Jahren. Und er sei oft in seiner Apotheke am HV. „Wir müssen uns auf das Positive konzentrieren“, so Hubmann. Hinsichtlich möglicher Protestaktionen sagte er: „Wir müssen uns ehrlich machen. Das Druckmittel der Ärzte ist größer, sie haben andere Rachemöglichkeiten.“ 

Hubmann forderte von den Kollegen, realistisch zu bleiben. Das Jahr 2022 habe in Bayern gut begonnen und auch 2021 sei ein gutes Jahr gewesen. „Wer sinnvoll agiert hat, hat Reserven“, so der BAV-Vorsitzende. In seine Augen muss man differenzieren, welche Probleme dem Spargesetz geschuldet sind und welche ihren Ursprung an anderer Stelle haben. Jammern und Protestieren sei keine Lösung; man arbeite in der Berufspolitik intensiv an sinnvollen konstruktiven Vorschlägen für die weitere Finanzierung der Apotheken, auch im Hinblick auf die kommende Strukturreform.

Mit dieser Einstellung ist Hubmann nicht alleine: „Wir leben in einer geilen Zeit“ – das sollte in den Augen eines weiteren Delegierten der Grundtenor sein. Er zielte dabei auf die neue Errungenschaft der Dienstleistungen hab, die gut verhandelt wurden, wie er sagte. „Jeder kann, keiner muss. Man muss den Leuten Lust machen. Die Lust auf Pharmazie kann nicht größer sein als in der jetzigen Zeit, wo wir so viele Optionen haben.“

„Die Politiker wissen gar nicht, was da läuft“

Eine weitere Delegierte teilt die positive Grundeinstellung bezüglich der Dienstleistungen zwar. Sie seien eines der wenigen Dinge, bei denen Apotheker:innen selbst wirksam sein können. Aber gerade da fehle vielen Kolleg:innen die Handlungs- und Umsetzungskompetenz. Die Basismitglieder müssten mitgenommen werden. Bei ihnen zeige sich jetzt das emotionale Kräftezehren der letzten Zeit. „Die sind durch mit den Nerven.“ Das müsse man ernst nehmen. Zudem müsse man an die Politik herantreten, um die Versorgung sicherzustellen. „Die wissen gar nicht, was da läuft“, konstatierte sie. „Wenn wir keine Arzneimittel haben, ist mir egal, wie hoch der Kassenabschlag ist. Wir müssen versorgen können und das muss emotional nach außen gebracht werden“, so der Appell an die Standesvertretung.

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