Corona: Können Blutdrucksenker zu schwereren Krankheitsverläufen führen? – Naturheilkunde & Naturheilverfahren Fachportal

Coronavirus und Blutdruckmedikamente

In den vergangenen Monaten tauchten immer mal wieder Spekulationen auf, die Einnahme von Blutdruckmedikamenten könnte anfälliger für eine Infektion mit dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 machen und auch schwere COVID-19-Krankheitsverläufe begünstigen. Jetzt gibt es dazu neue Erkenntnisse.

Viele Patientinnen und Patienten sind durch Spekulationen verunsichert: Blutdrucksenker könnten anfälliger für Coronavirus-Infektionen machen beziehungsweise zu schwereren COVID-19-Erkrankungen führen. Doch wie die Deutsche Hochdruckliga nun in einer aktuellen Mitteilung berichtet, sind solche Sorgen unberechtigt.

Blutdrucksenker weiter einnehmen

Das Coronavirus SARS-CoV-2 nutzt zum Eintritt in die Zellen das Enzym ACE2. Dieser krankheitsauslösende Mechanismus von SARS-CoV-2 hat viele Patientinnen und Patienten mit Bluthochdruck verunsichert, denn die blutdrucksenkende Therapie (mit ACE-Hemmern/ACEi oder Angiotensin-Rezeptor-Blockern/ARB) kann zu einer leichten Erhöhung von ACE2 führen – und mehr „Eintrittspforten“, so die Befürchtung, könnten Betroffene anfälliger für die Infektion mit dem neuartigen Erreger machen.

Die europäische Bluthochdruckgesellschaft („European Society of Hypertension“/ESH) stufte dieses Risiko in einer Stellungnahme jedoch als sehr gering ein und riet Bluthochdruckpatientinnen und -patienten, weiterhin ihre blutdrucksenkenden Medikamente wie verschrieben einzunehmen.

Schutz, Schaden oder kein Einfluss?

Die Datenlage zur Gabe von ACEi und ARB bei schwer erkrankten COVID-19-Patientinnen und -Patienten war bisher allerdings durchaus widersprüchlich. Einige Studien haben die Sicherheit der blutdrucksenkenden Medikamente bei COVID-19-Erkrankten hinterfragt, andere wiederum lieferten Hinweise, dass sie Betroffene sogar vor schweren Krankheitsverläufen schützen könnten.

Denn ACE2 hat laut der Hochdruckliga gleichzeitig einen protektiven Effekt auf die Lungenfunktion: Es spaltet schädliches Angiotensin II, ohne diese Umwandlung von Angiotensin II in „harmloses“ Angiotensin 1-7 kann es zu Lungenschädigungen kommen; eine Abnahme von ACE2 führte im Tiermodell des akuten Lungenversagens sogar zu schwereren Krankheitsverläufen. Dies legte eine Grundlagenstudie dar, die Ende Juli im renommieren Fachjournal „Science“ publiziert wurde.

Doch in dieser Publikation wird auch hervorgehoben, dass diese Schutzfunktion vom Virus selbst außer Kraft gesetzt werden könnte: Wie bei vielen Gastzellen-Virus-Interaktionen wird die Expression des Virusrezeptors, also des ACE2, in SARS-CoV-2-infizierten Zellen durch den Erreger herunterreguliert.

Zusammenfassend war bislang also unklar, welche Rolle die Blutdrucksenker tatsächlich im Krankheitsgeschehen spielen, ob sie Patientinnen und Patienten mit schweren COVID-19-Verläufen schützen, schaden oder womöglich gar keinen Einfluss auf die Infektionskrankheit nehmen.

Weniger kritische Verläufe

Ende August erschien in der Fachzeitschrift „Current Atherosclerosis Reports“ eine Beobachtungsstudie aus Großbritannien, die Daten von mehr als 28.000 Patientinnen und Patienten auswertete, die wegen COVID-19 in ein Krankenhaus eingewiesen wurden. Im Ergebnis zeigte sich, dass die Rate an Todesfällen und kritischen Verläufen, bei den Erkrankten, die Blutdrucksenker einnahmen, um fast 34 Prozent reduziert war (OR: 0,66).

„Das war für uns ein wichtiges und deutliches Signal, allerdings haben Beobachtungsstudien letztlich keine Beweiskraft für einen kausalen Zusammenhang. Der positive Effekt könnte auch durch andere Faktoren entstanden sein, z.B. schlichtweg dadurch, dass Patienten mit unbehandeltem Blutdruck ein höheres Sterberisiko haben. Die Studie beweist also nicht, dass Blutdruckmedikamente vor schweren COVID-19-Erkrankungen schützen“, erläutert Prof. Dr. med. Ulrich Wenzel, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Vorstandsvorsitzender der DHL®.

Neue Ergebnisse vorgestellt

Vor wenigen Tagen wurden nun auf dem virtuellen Kongress der „European Society of Cardiology“ (ESC) die Ergebnisse der BRACE-CORONA-Studie vorgestellt, der ersten randomisierten Studie zu COVID-19 und ACEi/ARB.

Wie die ESC dazu in einer Mitteilung schreibt, wurden in die Untersuchung 659 hospitalisierte COVID-19-Patientinnen und -Patienten eingeschlossen und in zwei Gruppen randomisiert: Bei der einen Gruppe wurde die Medikation mit ACEi/ARB fortgesetzt, in der zweiten abgebrochen. Nach 30 Tagen wurde analysiert, ob es einen Unterschied im Überleben sowie in der Dauer des Krankenhausaufenthaltes gab.

Im Ergebnis zeigte sich, dass dies nicht der Fall war und die Ergebnisse in beiden Gruppen vergleichbar waren. „Da diese Daten darauf hinweisen, dass die Unterbrechung der routinemäßigen Einnahme dieser Medikamente bei Krankenhauspatienten mit leichtem bis mittelschwerem COVID-19 keinen klinischen Nutzen bringt, sollten sie im Allgemeinen für Patienten mit einer Indikation fortgesetzt werden“, sagte der Hauptforscher Professor Renato Lopes vom Duke Clinical Research Institute, Durham, USA.

Mögliche Unsicherheiten aufgehoben

„Wir denken, dass diese Studie mögliche Unsicherheiten, die bislang immer noch bestanden, aufhebt. Wir können nun mit ziemlich hoher Sicherheit sagen, dass die Blutdruckmedikamente keinesfalls schaden und eine COVID-19-Erkrankung verschlechtern oder sogar das Sterberisiko erhöhen“, so der DHL-Vorstandsvorsitzende Wenzel.

„Patientinnen und Patienten können nun beruhigt ihre Blutdrucksenker wie verschrieben einnehmen und müssen vor dem Hintergrund der SARS-CoV-2-Pandemie keine Sorge haben, sich dadurch einem höheren Risiko auszusetzen. Wir sind froh, dass diese randomisierte Studie nun endlich Klarheit gebracht hat“, sagt der Mediziner. (ad)

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