Boehringer testet Beipackzettel mit „Gebärdensprach-Avatar“

Packungsbeilagen von Arzneimitteln enthalten Informationen, die für die Anwendung und Handhabung essenziell sind. Für viele Menschen sind die Informationen aber gar nicht zugänglich – aus unterschiedlichen Gründen: zum Beispiel, weil sie das Geschriebene nur schwer verstehen oder weil sie eine eingeschränkte Sehkraft haben. Auch Gehörlose tun sich mit der Erfassung von Schriftsprache oft schwer. Boehringer möchte hier nun künftig Abhilfe schaffen.

Für wen die einzige Herausforderung an einem Beipackzettel darin besteht, ihn wieder korrekt zusammenzufalten, kann sich glücklich schätzen. Denn für viele Patienten ist das Geschriebene schwer zu verstehen. Häufig kommt daher die Forderung nach Patienteninformationen in „einfacher Sprache“ auf. Darunter versteht man zum Beispiel Formulierungen mit einfachen Wörtern, sinnvoller Gliederung und eher kurzen Sätzen. Dies soll es Menschen mit Sprachschwierigkeiten oder Lese-Rechtschreibschwäche erleichtern, dem jeweiligen Inhalt zu folgen.

Bereits im Jahr 2015 gab es aus dem Saarland einen Antrag im Bundesrat für eine Entschließung zur Verbesserung der Lesbarkeit der Packungsbeilagen von Arzneimitteln. Das Land wollte, dass der Bundesrat sich gegenüber der Bundesregierung für dieses Anliegen starkmacht. Und auch die EU-Kommission arbeitete schon vor Jahren daran, Unzulänglichkeiten in Packungsbeilagen und Fachinformationen aufzudecken.

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Das Pharmaunternehmen Boehringer Ingelheim hat bei der Gestaltung seiner Packungsbeilagen nun an eine weitere Patientengruppe gedacht, die Schwierigkeiten beim Lesen von Produktinformationen haben kann: Gehörlose.

Für die meisten Betroffenen ist die Gebärdensprache die Muttersprache. Das Lesen und Schreiben der deutschen Schriftsprache fällt vielen Gehörlosen schwer. Das ist darauf zurückzuführen, dass sie bedingt durch die Hörschädigung keine Lautsprache erfahren. Die meisten Gehörlosen können daher, wenn sie Lesen und Schreiben lernen, nicht auf Lautsprache zurückgreifen, diese steht aber im direkten Zusammenhang mit der schriftsprachlichen Darstellung. In der Folge haben sie häufig Schwierigkeiten beim Verstehen einzelner Wörter, Sätze und Texte. Weil die an die Lautsprache gebundene Erfahrung oft fehlt, ist für die meisten Gehörlosen die Schriftsprache eine völlig neue, fremde Sprache, die sie oft mühsam erlernen müssen.

Mittels QR-Code zum Video

Laut Pressemitteilung des Unternehmens sind weltweit 70 Millionen Menschen gehörlos. Viele würden die Laut- und Schriftsprache zwar lernen, dennoch blieben medizinische Fachbegriffe eine Herausforderung. Doch gerade bei lebenswichtigen Inhalten, wie zum Beispiel Arzneimittelinformationen, mache barrierefreie Kommunikation den Unterschied.

Daher kündigt das Unternehmen an, künftig einen „Gebärdensprach-Avatar“ in seine Beipackzettel zu integrieren. Mittels QR-Code gelangen die Patienten von der jeweiligen Packungsbeilage zu einer Website mit animierten Erklärvideos – sowohl mit als auch ohne digitalem Gebärdenübersetzer.

Ziel der Erklärvideos sei es, komplexe Begriffe zur Anwendung und Handhabung des jeweiligen Medikaments in Gebärdensprache zu übersetzten und zu erklären. Zudem stehe ein Lexikon für spezifische Fachbegriffe bereit.

Bereits ein Beipackzettel im Testlauf

Laut Boehringer Ingelheim wird das Angebot seit kurzem bereits in einem ersten Beipackzettel in deutscher Sprache getestet. Das Unternehmen kündigt an, weitere Packungsbeilagen entsprechend zu ergänzen.

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