Autoantikörper im Blut: Kann Long-Covid bald mit einem simplen Test nachgewiesen werden?

Immer mehr Menschen leiden unter Corona-Spätfolgen – und die können sich ziehen, monatelang. "Die Symptome sind sehr bunt und sehr breit", sagte die Virologin Sandra Ciesek kürzlich im Podcast "Coronavirus-Update". Auch deswegen befürchten Expert:innen, dass eine hohe Zahl der an Folgeschäden Erkrankten überhaupt nicht weiß, dass es Long-Covid ist, das sie quält. Die Diagnose ist schwierig. Hoffnung schöpfen Forscher:innen nun aus einer britischen Pilotstudie. Sie könnte der Stein des Anstoßes für ein neues Diagnosetool sein. In Zukunft, so die Vision, könnte ein simpler Bluttest Klarheit liefern.

Eine Forschergruppe des Imperial College in London hat sich das Blut von Long-Covid-Patienten genauer angesehen und Unregelmäßigkeiten festgestellt. Demnach fanden sie sogenannte Autoantikörper bei Menschen mit anhaltenden Symptomen, nicht aber bei Menschen, die sich schnell von der Corona-Infektion erholt hatten oder nie infiziert waren. Sie könnten, so Danny Altmann, der die Forschergruppe leitet, eine Ursache für Long-Covid-Symptome sein. 

Im Kampf gegen eine Krankheit bildet der Körper normalerweise Antikörper. Manchmal werden aber auch Autoantikörper produziert. Anders als Antikörper arbeiten diese nicht gegen das Virus, sondern gegen den Körper selbst. Autoantikörper greifen gesundes Gewebe an, wodurch dauerhafte Schädigungen entstehen können. Sie stehen unter anderem im Verdacht nicht nur bestehende Autoimmunerkrankungen zu verstärken, sondern sie auch auszulösen. Autoantikörper können daher ein wichtiger Marker bei der Diagnostik bestimmter Erkrankungen sein. 

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Gibt das Blut Aufschluss über Long-Covid?

Sollten sich die Funde des Imperial College im weiteren Studienverlauf erhärten, könnten diese Autoantikörper auch einen stichhaltigen Beweis für bisher schwer zu diagnostizierende Long-Covid-Erkrankungen liefern. Eine Möglichkeit dafür wären simple Bluttests. Die Forscher:innen hoffen einen solchen binnen sechs bis 18 Monaten entwickeln zu können. Noch aber befindet sich die Studie in einem Frühstadium. Verglichen wurde bisher nur das Blut von einigen Dutzend Probanden. Diese Stichprobengröße kann später ausgeweitet werden. Als Durchbruch könnten diese Ergebnisse nicht gewertet werden, sagte Danny Altmann. Sie seien aber "ein sehr aufregender Fortschritt". 

Dass möglicherweise Autoantikörper eine Rolle bei Corona-Erkrankungen spielen könnten, ist nicht neu. Bereits zuvor hatten Wissenschaftler:innen bei Patienten Antikörper gefunden, die nicht gegen das Virus arbeiten, sondern sich gegen den Körper selbst richten. So fand die Yale University in einer Studie, die im Fachmagazin "Nature" veröffentlicht wurde, gleich eine Vielzahl von Autoantikörpern bei Corona-Patienten, die beispielsweise gegen Blutgefäße, das Nervensystem und auch gegen das Immunsystem selbst arbeiteten.

Keine Infektion, keine Folgeschäden

Der Kampf gegen das Coronavirus ist nicht nur einer gegen eine akute Infektion. Denn auch wer diese vermeintlich glimpflich übersteht, kann es im Nachhinein mit Symptomen zu tun bekommen. Experten schätzen, dass 10 bis 20 Prozent aller Infizierten im Nachgang mit Langzeitfolgen zu kämpfen haben. Andere gehen sogar von 50 bis 70 Prozent aus. Darunter sind auch Kinder. Geschätzt wird, dass unter ihnen fünf bis zehn Prozent der Fälle Long-Covid entwickeln. Allerdings gibt es hierzu für Deutschland keine belastbaren Zahlen. 

Zu den häufigen Symptomen zählen krankhafte Erschöpfung, Schlafstörungen, Konzentrations- und Gedächtnisprobleme sowie Kreislaufprobleme. Die Liste ist lang und die Folgeschäden zum Teil hartnäckig. Laut einer Studie des Universitätsklinikums Heidelberg hatte sich ein Großteil der teilnehmenden Long-Covid-Patienten auch ein Jahr nach der Virus-Infektion nicht komplett erholt, rund 73 Prozent der Studiengruppe litt weiterhin an den Nachwirkungen der Erkrankung. 

Nur, wer sich gar nicht erst mit dem Virus infiziert, ist gefeit davor, Long-Covid zu entwickeln. Als wichtigstes Werkzeug gegen eine Erkrankung gilt die Corona-Impfung. In Deutschland hat inzwischen 58,7 Prozent der Bevölkerung mindestens eine Impfdosis erhalten, 43 Prozent sind vollständig geimpft. Aufgrund der Delta-Variante, die sich rasant ausbreitet und als hochansteckend gilt, gehen Experten davon aus, dass eine Impfquote von mindestens 85 Prozent nötig sein wird. Doch die Zahl der Erstimpfungen geht zurück. Heiß diskutiert wird daher, ob Impf-Anreize der Kampagne neuen Schwung verschaffen könnten.

Parallel dazu sind weitere Lockerungen von Corona-Maßnahmen geplant. Ist das hinsichtlich der sich mehrenden Daten zu Long-Covid der richtige Schritt? Es müsse die Frage beantwortet werden, "ob wir bei geplanten Öffnungen aller Sektoren die Long-Covid-Fälle verhindern wollen oder sagen: selbst schuld, ihr hattet Impfangebot", twitterte der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. In diesem Fall sollte, so Lauterbach, wenigstens den Kindern noch eine Impfung angeboten werden, "bevor Durchseuchung startet".

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