Arbeitgeber müssen auf verfallenden Urlaub hinweisen

Der EuGH hat sich heute mit drei vom Bundesarbeitsgericht vorgelegten Fällen befasst, in denen es um den Verfall von Urlaubsansprüchen ging. Was ist, wenn Arbeitnehmer schlicht nicht dazu kommen, ihren Urlaub zu nehmen, oder wenn sie dauerhaft erwerbsunfähig sind? Klar ist nun: Die Arbeitgeber können sich nicht einfach mit einem Hinweis auf Verjährung herausreden. Sie müssen etwas mehr tun, wollen sie nicht von lang angesammelten Urlaubstagen überrollt werden.

Gute Nachrichten für Angestellte: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) stärkt ihnen den Rücken bei der Verjährung von Urlaubsansprüchen. Der EuGH mahnt die Arbeitgeber in zwei am heutigen Donnerstag ergangenen Urteilen, dass sie ihre Arbeitnehmer darauf hinweisen müssen, dass der Urlaub verfallen könnte. Andernfalls bleibe der Anspruch auf Urlaub in bestimmten Fällen bestehen. Ähnliche Urteile fällte der EuGH auch schon in der Vergangenheit – doch die Konstellationen sind immer wieder etwas anders. Und so hakte das Bundesarbeitsgericht erneut ganz konkret nach. 

Drei Fälle aus Deutschland

Hintergrund der beiden Urteile sind drei Fälle aus Deutschland. In einem Fall konnte die Klägerin ihren Urlaub nach eigener Aussage wegen des hohen Arbeitsaufwands nicht nehmen und forderte eine Abgeltung der Urlaubstage. Ihr Arbeitgeber argumentierte, dass die Urlaubsansprüche nach der im Bürgerlichen Recht üblichen Frist von drei Jahren verjährt seien. Nach dem Zug durch die deutschen arbeitsgerichtlichen Instanzen bestätigte der EuGH nun grundsätzlich: Der Arbeitgeber habe ein berechtigtes Interesse daran, dass er nach drei Jahren nicht mehr mit Forderungen nach Urlaub oder finanzieller Vergütung für nicht genommenen Urlaub konfrontiert werde.

Es gibt den Richtern zufolge allerdings Einschränkungen: Der Arbeitgeber muss selbst Vorkehrungen treffen, dass solche späten Anträge nicht vorkommen. Dazu gehören gewisse Hinweis- und Aufforderungspflichten, also etwa der Fingerzeig darauf, dass der Urlaub bald verfallen wird. Der Arbeitnehmer sei die schwächere Partei. Deswegen dürfe die Verantwortung, den Urlaubsanspruch durchzusetzen, nicht allein auf seinen Schultern liegen.

Urlaubsanspruch bei Krankheit

Die anderen beiden Fälle, die in einem gemeinsamen Urteil entschieden wurden, betreffen den Urlaubsanspruch bei Krankheit. Die Kläger machen geltend, dass sie einen Anspruch auf bezahlten Urlaub für das Jahr haben, in dem sie aus gesundheitlichen Gründen erwerbsgemindert beziehungsweise arbeitsunfähig waren. Zum einen geht es um einen Mitarbeiter, der klagte, weil ihm sein Arbeitgeber für das Jahr 2014 seiner Ansicht nach noch 34 Arbeitstage Urlaub schulde, die er aus gesundheitlichen Gründen nicht nehmen konnte. Der Arbeitgeber argumentiert, der nicht genommene Urlaub sei nach Ablauf des Übertragungszeitraums im Jahr 2016 erloschen.

Im zweiten Fall war eine Mitarbeiterin im Jahr 2017 arbeitsunfähig geworden und hat ihren Urlaub für dieses Jahr nicht vollständig genommen. Der Arbeitgeber hatte sie den Angaben zufolge weder aufgefordert, ihren Urlaub zu nehmen, noch darauf hingewiesen, dass nicht beantragter Urlaub mit Ablauf des Kalenderjahres oder Übertragungszeitraums verfallen könne.

Mehr zum Thema

Arbeitsrecht

Apotheke muss über Urlaubsansprüche aufklären

Dem EuGH zufolge müsse man anerkennen, welche Schwierigkeiten sich für den Arbeitgeber ergäben, wenn Angestellte lange Zeit am Stück fehlten und Urlaubsansprüche ansammelten. Daher sei es grundsätzlich richtig, dass bei Krankheit die Urlaubsansprüche nur 15 Monate übertragen werden können und danach verfielen. Dies gilt demnach aber nicht für die Ansprüche aus dem Zeitraum vor oder nach der Krankheit, in dem der Angestellte tatsächlich gearbeitet hat. Auch hier liegt der Ball beim Arbeitgeber: Er muss seine Mitarbeiter auf den drohenden Verfall des Urlaubs hinweisen. Andernfalls würde der Anspruch auf Urlaub inhaltlich ausgehöhlt.

Wann und wie oft der Arbeitgeber auf den Urlaub hinweisen muss, sagten die Richter jedoch nicht. Das Bundesarbeitsgericht hat aus Luxemburg noch einige Hinweise für seine nun noch anstehenden abschließenden Entscheidungen bekommen. 

Urteile des EuGH vom 22. September 2022, Rs.: C-120/21, C-518/20 und C-727/20.

Quelle: Den ganzen Artikel lesen