Pflegeheime lassen Betten trotz Nachfrage bewusst leer stehen
Das Wichtigste
- Trotz großer Nachfrage bleiben Betten in Pflegeeinrichtungen vermehrt leer. Das hat nun ein ARD-Magazin herausgefunden.
- Hintergrund ist neben dem Fachkräftemangel der zunehmende Einsatz von teueren Zeitarbeitern.
- Maßnahmen der zuständigen Ministerien halten Experten für unzureichend.
Neben dem Fachkräftemangel sei auch der zunehmende Einsatz von teuren Zeitarbeitern, die personelle Lücken schließen sollen, ein Grund dafür. Das haben Recherchen des ARD-Politikmagazins „Report Mainz“ ergeben.
Pflegeheime lassen bewusst Betten leer stehen
Margarete Vehrs, Residenzdirektorin der „pro seniore“ Einrichtung im rheinland-pfälzischen Cochem, hat ebenfalls entschieden, die Zahl der belegten Betten deutlich zu reduzieren. So könne jeder Bewohner von festangestelltem Stammpersonal versorgt werden. 15 von 70 Betten stehen in der Einrichtung leer. „Das machen viele Kollegen auch“, sagte die Residenzdirektorin im „Report Mainz“-Interview.
So könne das Heim die Kosten deutlich verringern. Der Einsatz eines Leiharbeiters in der Einrichtung würden monatliche Kosten in Höhe von mehr als zehntausend Euro verursachen. Zum Vergleich: Für festangestellte Pflegekräfte müssten nur rund 4.300 Euro veranschlagt werden.
Zusatzkosten für Leiharbeiter werden von Kostenträgern nicht refinanziert., der Heimträger muss selbst zur Kasse. „Gesamtwirtschaftlich kann ein Haus dadurch zugrunde gehen“, sagte Vehrs. In der Cochemer Einrichtung sind derzeit vier Leiharbeiter beschäftigt.
Leiharbeiter werden besser bezahlt als Stammpersonal
Das Problem für die Heimträger: Immer mehr Pflegekräfte wechseln in die Zeitarbeit. Waren es 2018 laut Bundesagentur für Arbeit noch rund 12.000, sind es 2022 bereits 17.000. Das liegt an zum Teil deutlich höheren Bezahlungen und bessere Arbeitsbedingungen, die Zeitarbeitsfirmen anbieten. So kommen Leiharbeiter auf bis zu 1.000 Euro netto mehr im Monat, auch Dienstwägen und Einfluss auf Dienstpläne spielen eine Rolle. Ein Unterschied, der in Pflegeeinrichtungen immer wieder zu Spannungen beim Stammpersonal führt.
Dass viele Heime nun nicht mehr alle Betten belegen wollen, hält Prof. Stefan Seil von der Hochschule Koblenz im Gespräch mit „Report Mainz“ für richtig. Der Sozialwissenschaftler hat sich intensiv mit der Problematik von Leiharbeitern in der Pflege beschäftigt. Dennoch ist er sich auch den Folgen der Entscheidung bewusst: „Das wird allerdings dazu führen, dass viele Familien in den vor uns liegenden Jahren keinen Pflegeheimplatz für ihre Angehörigen mehr bekommen werden“.
Ministerien planen Maßnahmen – die seien “unzureichend“
Auf Nachfrage des ARD-Magazin äußerten sich auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil gemeinsam. Es seien bereits „verschiedene Maßnahmen vereinbart“ worden, „um (…) die Zahl an Leiharbeitskräften zu reduzieren“. „Der Koalitionsvertrag“ enthalte weitere Maßnahmen: Zum Beispiel die „Abschaffung geteilter Dienste“, „die Einführung trägereigener Springerpools“ und „familienfreundliche Arbeitszeiten“. Außerdem werde das sogenannte „Personalbemessungsverfahren für Pflegeeinrichtungen“ umgesetzt. „In einem ersten Schritt wurde die Finanzierung von 13.000 zusätzlichen Fachkraft- und 20.000 zusätzlichen Hilfskraftstellen in der Langzeitpflege ermöglicht. Ab 1. Juli 2023 (…) können weitere Fach- und Hilfskräfte zusätzlich vereinbart werden.“
Sozialwissenschaftler Sell hält die geplanten Maßnahmen für „völlig unzureichend“. Die in der Antwort der Ministerien erwähnten 13.000 zusätzlichen Pflegekräfte seien bereits 2018 in die Welt gesetzt worden: „Viele dieser 13.000 damals versprochenen Stellen sind bis heute nicht besetzt, schlichtweg weil es keine Pflegekräfte gibt. Und die im Jahr 2023 erneut als einen Lösungspunkt vorzutragen, ist schon eine ziemliche Frechheit“, so Sell im Interview mit „Report Mainz“.
Das Bundesgesundheitsministerium hat nun eine Studie in Auftrag gegeben, die sich mit dem Thema „Leiharbeit in der Pflege“ auseinandersetzt. Die Ergebnisse werden „zeitnah veröffentlicht“, sagte eine Ministeriumssprecherin dem ARD-Politikmagazin.
Die Sendung “Report Mainz“ zum Thema läuft am Dienstag, 07. März um 21:45 Uhr im Ersten.
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