Eine pharmazeutische Dienstleistung formiert sich
Viele Apotheker:innen können sich leider noch nichts Konkretes unter pharmazeutischen Dienstleistungen vorstellen. Während die Verhandlungen zwischen GKV-Spitzenverband und DAV zu pharmazeutischen Dienstleistungen offenbar kein Ergebnis gebracht haben, startet heute in Nordrhein ein AMTS-Projekt mit der Patientenversorgung. Die Hintergründe des Modellvorhabens „digitales interprofessionelles Medikationsmanagement“ aus der Deutschen Apotheker Zeitung können Sie hier lesen.
Das im Dezember 2020 in Kraft getretene Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz (VOASG) sieht vor, dass gesetzlich Krankenversicherte Anspruch auf pharmazeutische Dienstleistungen haben (§ 129 Abs. 5e SGB V). Mit 150 Millionen Euro sollen Krankenkassen die Apotheken jährlich für dieses Angebot entlohnen. Die Finanzierung erfolgt durch eine Erhöhung des Festzuschlags auf Rx-Arzneimittelpackungen um 20 Cent – und zwar ab 15. Dezember 2021. Bis zum gestrigen 30. Juni 2021 sollten GKV-Spitzenverband und Deutscher Apothekerverband (DAV) im Benehmen mit dem PKV-Verband das Nähere zu den Anspruchsvoraussetzungen, zur Vergütung und zur Abrechnung vereinbaren. Gelungen ist dies offenbar nicht – der DAV schweigt auf eine entsprechende Anfrage von DAZ.online, der GKV-Spitzenverband erklärt lediglich, dass er zu laufenden Verhandlungen „grundsätzlich kein Statement“ abgebe. Somit ist es nicht unwahrscheinlich, dass die Schiedsstelle zum Zug kommen wird.
Pharmazeutischen Dienstleistungen im Pilotprojekt
Währenddessen stellten Ärzte und Ärztinnen, Apotheker:innen und mehrere Krankenkassen in der Region Nordrhein ein Pilotprojekt für eine pharmazeutische Dienstleistung auf die Beine, das Schule machen könnte. Beim Projekt „digitales interprofessionelles Medikationsmanagement“ (DiM) vergüten die Kostenträger Medikationsanalysen und spezielle Maßnahmen zur Adhärenz-Förderung. Kein Cent der 150 Millionen Euro nach dem VOASG sind dafür nötig. Die Kassen zahlen die Kosten für das Modellprojekt aus eigener Tasche. Die teilnehmenden Apotheken erhalten 59,50 Euro brutto für die Medikationsanalyse. Neben dieser können sie 29,75 Euro als Zuschlag für die Adhärenzförderung abrechnen. Bei Interventionsbedarf können Apotheken für 41,65 Euro eine Folgemedikationsanalyse anbieten. Die Hälfte des Betrags wird sofort ausgezahlt, die zweite folgt, wenn die wissenschaftliche Auswertung zeigt, dass die anvisierten patientenrelevanten Ziele erreicht wurden.
Heute, am 1. Juli 2021, startet das Pilotprojekt DiM mit der Patientenversorgung. Einer der Initiatoren ist der Hausärzteverband Nordrhein, der half, geeignete „Paare“ zwischen Hausarztpraxen und Apotheken zu finden. Verhandlungspartner auf Kassenseite war die GWQ Serviceplus AG, ein Zusammenschluss und Dienstleister vieler kleinerer und mittelständischer Betriebs- und Innungskrankenkassen. Mittlerweile sind 15 Krankenkassen dem Pilotprojekt beigetreten, die allein in der Region Nordrhein knapp eine halbe Millionen Menschen versichern.
Nicht nur in Nordrhein können sich Apotheken, Ärzte und Patienten dem Modell anschließen. Im Gespräch mit der Redaktion der Deutschen Apotheker Zeitung zeigen sich Oliver Harks von der GWQ Serviceplus AG und Oliver Funken vom Hausärzteverband Nordrhein offen für weitere Interessenten aus anderen Regionen Deutschlands.
Das vollständige Interview aus der DAZ Nr. 26 / 2021
Modellprojekt in Nordrhein liefert ein „Rezept“ für pharmazeutische Dienstleistungen
Medikation digital und interprofessionell
Beim DAZ-Interview dabei war zudem die Ärztin und Geschäftsführerin der Firma Viandar, Andrea Gillessen. Viandar setzt sich zum Ziel, Apotheken einen leichten Einstieg in das Medikationsmanagement zu ermöglichen. Sie entwickelten die Software Medinspector®, die einen integralen Bestandteil des Pilotprojektes „digitales interprofessionelles Medikationsmanagement“ darstellt. Medinspector® stellt Wechselwirkungen auf einen Blick übersichtlich dar, Ärzte und Apotheker arbeiten beim Modellprojekt mit denselben Patientendaten zu Indikation und Medikation. Für schwierigere Fragen stellt Viandar ein Expertenteam bereit. Es kann jederzeit konsultiert werden, um die Fälle einzusehen und Empfehlungen zu erarbeiten. Auch die wissenschaftliche Evaluation des Modellprojekts stützt sich auf die Daten aus dem Medinspector®. Gillessen findet klare Worte: „Wir sind das erste Projekt, das eine objektive Datengrundlage für pharmazeutische Dienstleistungen bildet. Wir sind gespannt und hoffen, dass wir ein Fundament legen.“
Wie genau Medinspector® funktioniert und warum DAZ-Autorin Isabel Waltering die Software gar als „Sherlock Holmes“ der Arzneimitteltherapie-Datenbanken bezeichnet, können Sie in folgendem Artikel in der aktuellen DAZ Nr. 26 nachlesen.
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