BioNTech-Studie: mRNA-Impfstoff gegen Multiple Sklerose besteht erste Testverfahren – Heilpraxis
mRNA-Impfstoff gegen Multiple Sklerose?
Durch die Entwicklung des Impfstoffs BNT162b2 (Handelsname Comirnaty) gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 und die durch den Erreger verursachte Krankheit COVID-19 gelangte das deutsche Unternehmen BioNTech weltweit in die Schlagzeilen. Nun sorgt die Firma erneut für Aufsehen; sie berichtet über einen Impfstoff, der gegen Multiple Sklerose (MS) helfen könnte.
Ein Forschungsteam von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern von dem Unternehmen BioNTech und der Johannes Gutenberg-Universität Mainz hat in der Fachzeitschrift „Science“ präklinische Daten zu einem neuartigen mRNA-Impfstoffansatz gegen Autoimmunkrankheiten veröffentlicht. Die Publikation beschreibt die Untersuchungen eines entzündungshemmenden nukleosidmodifizierten mRNA-Impfstoffs, welcher die Krankheitsaktivität in verschiedenen, klinisch relevanten Mausmodellen der Multiplen Sklerose (MS) unterdrücken konnte.
Zwei mRNA-Impfstoffe gegen COVID-19
Wie das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) erklärt, werden bei mRNA-Impfstoffen keine Krankheitserreger oder deren Bestandteile (Antigene) für die Immunisierung benötigt.
„Durch die Impfung wird den Zellen im Muskelgewebe in Form einer mRNA (messenger-RNA bzw. Boten-RNA) nur die Information für die Herstellung einzelner Antigene übertragen. Ähnlich der Infektion mit einem Virus, beginnt die Zelle nach dem Bauplan der mRNA mit der Produktion von Proteinen, die als Antigene dem Immunsystem präsentiert werden und eine Immunantwort auslösen“, schreibt das Ministerium.
Derzeit basieren zwei Impfstoffe gegen COVID-19 auf dieser Methode – einer davon ist BNT162b2 (Handelsname Comirnaty) von dem Mainzer Unternehmen BioNTech und seinem US-amerikanischen Partner Pfizer. Nun berichtet die deutsche Firma über einen mRNA-Impfstoffansatz gegen Multiple Sklerose (MS).
Immunsystem mit Fehlfunktion
Wie es in einer aktuellen Mitteilung der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz heißt, sind Autoimmunerkrankungen wie MS Krankheiten, bei denen das Immunsystem eine Fehlfunktion aufweist und gesundes Gewebe oder körpereigene Zellen angreift.
Durch diese Entzündungsreaktion werden bei MS die schützenden Myelinscheiden zerstört, die die Nervenfasern umhüllen. Hierdurch wird die Signalübertragung zwischen den Nervenzellen und dem jeweiligen Zielgewebe unterbrochen, was zu einer Reihe von neurologischen sowie motorischen Symptomen führt, die von Person zu Person sehr unterschiedlich sein können.
Den Angaben zufolge stellt diese erste Anwendung von BioNTechs mRNA-Technologie bei MS eine neue Modalität in dieser Indikation dar.
Symptomatische Krankheit wurde verhindert
In der Studie der Forschenden wurde ein entzündungshemmender Nanopartikel-mRNA-Impfstoffkandidat, der für ein MS-assoziiertes Antigen kodiert, per Infusion an Mäuse mit experimenteller Autoimmun-Enzephalomyelitis (EAE) verabreicht. EAEs sind klinisch relevante Mausmodelle für humane MS.
Laut der Mitteilung wurde der mRNA-Impfstoffkandidat so konzipiert, dass er das kodierte Zielantigen, welches mit der Autoimmunkrankheit assoziiert ist, zu Antigen-präsentierenden Zellen in den Lymphknoten im ganzen Körper liefert, wobei eine Entzündungsreaktion vermieden wird. Das ermöglicht eine körperweite Präsentation der Zielantigene in Lymphgeweben, wodurch eine Immuntoleranz gegen diese Antigene induziert wird.
Den Fachleuten zufolge konnte der Impfstoff in allen untersuchten EAE-Mausmodellen eine symptomatische Krankheit verhindern oder, in Mäusen mit bestehender Krankheit im Frühstadium, das Fortschreiten der Krankheit verhindern und motorische Funktionen wiederherstellen.
Die Infiltration von pro-inflammatorischen Effektor-T-Zellen (Teff) in Gehirn und Rückenmark und die De-Myelinisierung des Rückenmarks wurden deutlich reduziert. Diese Effekte wurden durch die Induktion krankheitsunterdrückender regulatorischer T-Zellen (Treg) erzielt, die sich ausschließlich gegen das Impfstoff-kodierte Antigen richten.
Zudem induzierten die Treg-Zellen in allen MS-Mausmodellen einen starken, immunsuppressiven „Bystander“-Effekt. Das bedeutet, dass die Treg-Zellen, einmal durch ihr Ziel-Antigen aktiviert, bei komplexen Erkrankungen auch Teff-Zellen, die gegen andere Antigene gerichtet sind, im entzündeten Gewebe unterdrücken können.
Dies ist ein essenzieller Faktor, um auch polyklonale Erkrankungen, die auf verschiedenen, teilweise unbekannten Antigenen basieren, sowie um die inter-individuelle Heterogenität zwischen einzelnen Patientinnen und Patienten adressieren zu können.
Behandlung von Autoimmunerkrankungen
Wichtig ist, dass der präklinische Impfstoffkandidat keine Immunreaktionen gegen andere, Nicht-Myelin-Antigene (beispielsweise Antigene des Influenza-Impfstoffs) unterdrückt hat und somit in den Untersuchungen eine der zentralen Herausforderungen bei der Behandlung von Autoimmunerkrankungen adressiert: die Induktion einer unspezifischen, systemischen Immunsuppression.
Außerdem führte der Impfstoffkandidat auch nach wiederholter Verabreichung nicht zur Entstehung von Autoantikörpern gegen das Zielantigen. Das ist eine weitere potenzielle Herausforderung aktueller Autoimmuntherapien, die letztendlich dazu führen könnte, die Krankheit zu verschlimmern.
Insgesamt verdeutlichen diese ersten Ergebnisse zur Immunantwort zusammen mit der Flexibilität des mRNA-Ansatzes, die es ermöglicht, individuelle Antigene der Patientinnen und Patienten zu adressieren, das große Potenzial von mRNA-basierten Therapeutika für die Behandlung von hochkomplexen und seltenen Autoimmunerkrankungen. (ad)
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