COVID-19: Was verursacht die stille Atemnot bei Coronavirus-Infektionen? – Heilpraxis

Suche nach den Ursachen der stillen Hypoxämie

Bei manchen Erkrankten ist im Zuge von COVID-19 ein lebensbedrohlicher Sauerstoffmangel im Blut festzustellen, ohne dass sie über auffällige Beschwerden klagen. Die Ursachen dieser sogenannten stillen Hypoxämie sind bisher nicht abschließend geklärt. Ein Forschungsteam um Professor Javier Villadiego von der Universität Sevilla liefert nun eine mögliche Erklärung.

Erst kürzlich hatte ein Forschungsteam der Boston University und University of Vermont berichtet, dass die Ursache der stillen Atemnot bei COVID-19 vermutlich mit einer beeinträchtigten Durchblutung der Lunge und Schädigungen der Lungengefäße zusammenhänge. Wieso der Körper nicht mit entsprechenden Alarmsignalen reagiert, blieb jedoch unklar. Das spanische Forschungsteam hat hierfür jetzt eine mögliche Erklärung gefunden. Veröffentlicht wurden die entsprechenden Studienergebnisse in dem Fachmagazin „Function“.

Verblüffendes und gefährliches COVID-19-Symptom

„Eines der physiopathologischen Merkmale von COVID-19, das die wissenschaftliche und medizinische Gemeinschaft am meisten verblüfft hat, ist die stille Hypoxämie“, berichtet die Universität Sevilla. Bei Betroffenen sei eine schwere Lungenentzündung mit deutlich vermindertem arteriellem Sauerstoffgehalt im Blut (sogenannte Hypoxämie) festzustellen, ohne dass sie eine Dyspnoe (subjektives Gefühl von Kurzatmigkeit) oder eine erhöhte Atemfrequenz aufweisen, die normalerweise charakteristische Symptome einer Hypoxämie bilden.

Den Betroffenen droht bei einer stillen Hypoxämie eine plötzliche Verschlechterung ihres Zustandes und dies kann durchaus tödlich enden, berichten die Forschenden. Normalerweise würde der Körper zum Beispiel mit einer Erhöhung der Atemfrequenz auf den Sauerstoffmangel reagieren, doch bei einigen COVID-19-Erkrankten ist dies offensichtlich nicht der Fall.

Infektion des Glomus caroticum

Gesteuert werde der Reflexmechanismus gegen den Sauerstoffmangel durch die sogenannten Glomus caroticum, kleine Organe, die sich auf beiden Seiten des Halses neben der Halsschlagader befinden. Sie erfassen den Sauerstoffgehalt im Blut und senden bei einem Mangel Signale an das Gehirn, um das Atemzentrum zu stimulieren, erläutern die Forschenden. Sie haben daher die Hypothese aufgestellt, dass die stille Hypoxämie bei COVID-19 durch eine Infektion des Glomus caroticum mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 verursacht werden könnte.

Eine Hypothese, die aufgrund ihrer therapeutischen Bedeutung durchaus das Interesse der wissenschaftlichen Gemeinschaft geweckt hat. Begründet wird diese mit den aktuellen Untersuchungsergebnisse, bei denen eine hohe Präsenz des Rezeptors ACE2 im Glomus caroticum nachgewiesen wurde. ACE2 nutzt das Coronavirus, um in die Zellen einzudringen.

Sauerstoffgehalt nicht mehr korrekt erfasst

Da das Virus bei COVID-19 im Blut zirkuliert, sei eine Infektion des Glomus caroticum durch SARS-CoV-2 in den frühen Stadien der Krankheit möglich und diese könne dazu führen, dass der Sauerstoffgehalt des Blutes nicht mehr korrekt erfasst wird, so dass ein Sauerstoffabfall in den Arterien nicht mehr bemerkt wird.

Neue therapeutische Optionen

„Sollte sich diese Hypothese, die derzeit in neuen experimentellen Modellen getestet wird, bestätigen, würde dies den Einsatz von Aktivatoren des Glomus caroticum unabhängig vom Sauerstofferkennungsmechanismus als Atmungsstimulanzien bei Patienten mit COVID-19 rechtfertigen“, resümieren die Forschenden. Zusammenfassend spreche vieles dafür, dass Infektionen des Glomus caroticum die Ursache für die stille Hypoxämie bei COVID-19 sind – oder zumindest eine Teilursache bilden. (fp)

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