Coronavirus: Menschen in Pflegeheimen bewegen sich wegen Corona
Alten- und Pflegeheime gelten in der Corona-Pandemie als Orte, an denen besondere Vorsicht geboten ist: Die Bewohnerinnen und Bewohner gehören durch ihr Alter, oft verbunden mit Vorerkrankungen, zu den Risikogruppen für einen schweren Verlauf von Covid-19. Während des ersten Lockdowns im Frühjahr waren Besuche in diesen Einrichtungen daher verboten – zum Schutz der Alten.
Doch eine vollständige Isolation schlägt sich nicht nur negativ auf die psychische Verfassung der Menschen nieder, sondern auch auf ihre körperliche. Wie eine Studie der Universität Tübingen in ersten Zwischenergebnissen zeigt, sind die körperlichen Aktivitäten von Pflegeheimbewohnern wegen der Kontaktbeschränkungen zu kurz gekommen – und könnten langfristig sogar zu ähnlich schlimmen gesundheitlichen Risiken führen wie die Pandemie.
Pflegepersonal überlastet
„Die Bewegungsförderung in den Heimen wurde erheblich behindert“, sagte Annika Frahsa vom Tübinger Institut für Sportwissenschaft in einer am Dienstag veröffentlichten Mitteilung. Das Problem sei, dass die Förderung von Bewegung in den internen Leitlinien der untersuchten Heime nicht vorgesehen sei.
Zwar sahen die Führungskräfte der Heime laut der Studie Bewegungsangebote und -anreize auch in Zeiten der Pandemie als wichtig an. „Doch ist das in Heimen wenig institutionalisiert. Durch den eingeschränkten Zugang konnte die Bewegungsförderung nicht wie üblich an externe Dienstleister delegiert werden“, sagt Ansgar Thiel, der das Forschungsprojekt „Basalt“ an der Uni Tübingen leitet. Die Aufgabe sei daher in diesem Bereich an wenig qualifizierte, interne Mitarbeiter übertragen worden. Da die Arbeitskapazität des Pflegepersonals durch die Pandemie selbst überbeansprucht gewesen sei, sei die Bewegungsförderung in vielen Fällen zurückgefahren worden.
Die Aufgaben – dazu zählen beispielsweise Gleichgewichtsübungen und Training des Reaktionsvermögens – würden großenteils von externen Dienstleistern erfüllt, die während des Shutdowns im Frühjahr keinen Zutritt zu den Heimen hatten. Das Forschungsteam will nun neue Konzepte entwickeln, um die Pflegebedürftigen mobil zu halten.
„Wenn die Maßnahmen längerfristig anhalten, tragen wir durch den Schutz vor Infektionen zu anderen gesundheitsbezogenen Risiken bei“, sagte Thiel dem SPIEGEL. Diese Kollateralschäden könnten wertvolle Lebenszeit rauben und sich negativ auf den Pflegestatus der Bewohnerinnen und Bewohner auswirken.
Große Hoffnungen setzt Thiel in Antigen-Schnelltests, die künftig in Alten- und Pflegeheimen eingesetzt werden sollen. „Sie erhöhen die Sicherheit für Besucher und können vielleicht auch wieder externe Dienstleistungen leichter möglich machen“, so Thiel.
Das Forschungsprojekt „Basalt“ des Tübinger Forschungsteams lief bereits vor der Corona-Pandemie. Erforscht wird, wie Gesundheit und Lebenszufriedenheit von Menschen in Pflegeheimen optimal gefördert werden können. Die Teilstudie über die Bedingungen im Corona-Lockdown wurde aktuell eingeschoben. Acht Heime in den Stadt- und Landkreisen Tübingen, Reutlingen und Esslingen waren einbezogen.
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