So geht es Kindern in Deutschland

In einer groß angelegten Studie erforschen Wissenschaftler des Robert Koch-Instituts seit Jahren, wie es um die Gesundheit der Kinder und Jugendlichen in Deutschland steht. Neue Auswertungen zeigen insbesondere, wie oft schon Minderjährige von Schmerzen geplagt sind, welche Rolle Migrationshintergrund und Familieneinkommen für die Gesundheit spielen und in welchem Alter Kinder besonders unfallgefährdet sind.

Details dazu, wie die Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGS) durchgeführt wird, finden Sie hier.

Konstant zu dick

Die positive Nachricht vorab: Ein Großteil der Kinder in Deutschland hat ein normales Gewicht. Allerdings leiden auch 7,6 Prozent der 3- bis 17-Jährigen unter Untergewicht, 15,4 Prozent sind übergewichtig oder gar fettleibig.

Weder bei Jungen noch bei Mädchen hat sich der Anteil der zu dicken oder zu dünnen Kinder zwischen den beiden KiGGS-Erhebungen signifikant verändert, schreiben die Forscher. Die Wissenschaftler untersuchten mehrere Tausend Kinder – inzwischen in drei Studien in den Zeiträumen von 2003 bis 2006, 2009 bis 2012 und 2014 bis 2017

Viele Kinder und Jugendliche haben wiederholt Schmerzen

„Hattest du bzw. hatte Ihr Kind folgende Schmerzen in den letzten drei Monaten?“ Diese Frage stellten die Wissenschaftler entweder den Kindern selbst, wenn sie mindestens elf Jahre alt waren oder deren Sorgeberechtigten. Die Antwort konnte entweder „nein“, „ja, einmalig“ oder „ja, wiederholt“ lauten – gezählt wurden nur jene, die angaben, dass die Schmerzen wiederholt aufgetreten waren.

Die Ergebnisse zeigen, dass Schmerzen schon im Kindesalter (3 bis 10 Jahre) häufig sind:

  • Etwa jedes fünfte Mädchen und jeder sechste Junge hatten demnach im vergangenen Vierteljahr mehrmals Kopfschmerzen,
  • jedes dritte Mädchen und jeder vierte Junge Bauchschmerzen.
  • Unter Rückenschmerzen litten 4,9 Prozent der Mädchen und 4,5 Prozent der Jungen.

Im Jugendalter (11 bis 17 Jahre) werden Kopf- und Rückenschmerzen häufiger:

  • Rund 45 Prozent der Mädchen und knapp 29 Prozent der Jungen litten laut der Befragung wiederholt unter Kopfweh.
  • Rund 28 Prozent der Mädchen und 20 Prozent der Jungen hatten wiederholt Rückenschmerzen.

Im Vergleich mit den Daten aus den Jahren 2003 bis 2006 gaben die Kinder und Jugendlichen bei der aktuellen Befragung häufiger an, Schmerzen zu haben.

Sportverein für alle!

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt, dass Kinder und Jugendliche täglich mindestens eine Stunde körperlich aktiv sein sollten. Dieses Ziel erreicht jedoch nur ein Viertel der 3- bis 17-Jährigen in Deutschland. Schon Kinder sitzen zu viel.

Entsprechend fällt auch das Urteil über die motorische Leistungsfähigkeit aus: Sie stagniert laut den Forschern auf niedrigem Niveau.

Für die Studie mussten Kinder und Jugendliche einige Aufgaben absolvieren, etwa eine Minute auf einem schmalen Block auf einem Bein stehen, wobei die Zahl der Bodenkontakte gezählt wurde.

Teilnehmer, die in einem Verein Sport trieben, nicht übergewichtig waren und deren Eltern einen hohen sozioökonomischen Status hatten, schnitten in den Tests besser ab.

Ob ein Kind sportlich aktiv ist, hängt mit dem Einkommen der Eltern zusammen: Lediglich elf Prozent der Kinder aus Haushalten mit hohem Einkommen sind sportlich inaktiv, in Familien mit mittleren Einkommen sind es 18,4 Prozent. Unter den Kindern von Eltern mit geringem Einkommen treiben 28 Prozent keinen Sport.

Aus Sicht der Wissenschaftler sollte mehr dafür getan werden, dass insbesondere Kinder aus einkommensschwachen Familien, übergewichtige Kinder sowie Mädchen häufiger in Sportvereine eintreten. Denn alle Kinder sollten einen Zugang zu regelmäßigem Sport haben, schreibt das Forscherteam.

Essstörungen – ein gravierendes Mädchenproblem

Um heraufzufinden, ob Kinder Symptome einer Essstörung zeigten, stellten die Forscher ihnen fünf Fragen, etwa: „Findest du dich zu dick, während andere dich zu dünn finden?“ „Übergibst du dich, wenn du dich unangenehm voll fühlst?“ oder „Machst du dir Sorgen, weil du manchmal nicht mit dem Essen aufhören kannst?“ Beantworteten Kinder mindestens zwei der Fragen mit „ja“, bewerteten die Forscher dies als einen Hinweis auf eine Essstörung.

Bei der Auswertung zeigte jedes fünfte Kind im Alter von 11 bis 17 Jahren Anzeichen einer Essstörung. Mädchen waren mehr als doppelt so häufig betroffen:

  • Bei den Mädchen zeigten 27,9 Prozent Anzeichen für eine Essstörung.
  • Bei den Jungen waren es 12,1 Prozent.

Das Risiko für eine Essstörung stieg unter anderem, wenn Kinder in einer Familie mit einem geringen Zusammenhalt lebten, emotionale Probleme hatten oder weniger in ihre Fähigkeiten vertrauten, herausfordernde Situationen zu meistern.

Ebenfalls als kritisch galt, wenn sich die Jugendlichen als viel zu dick oder viel zu dünn empfanden. „Körperunzufriedenheit ist, gerade vor dem Hintergrund der körperlichen Veränderungen in der Pubertät, ein wesentlicher Risikofaktor für die Entwicklung von Essstörungen, insbesondere bei Mädchen“, heißt es in der Studie.

Migrationshintergrund: macht nicht gesünder oder kränker

Gut ein Drittel der Minderjährigen in Deutschland hat einen Migrationshintergrund. Dieser „macht an sich nicht kränker oder gesünder“, schreibt das Forscherteam. Bei der Suche nach Probanden achteten die Forscherinnen und Forscher besonders darauf, Familien mit Migrationshintergrund zu aktivieren, etwa durch Einladungsschreiben in der nach dem Namen vermuteten Herkunftssprache, zum Beispiel Türkisch oder Russisch.

Die Befragungen zeigen, dass diese Eltern den Gesundheitszustand ihrer Kinder etwas häufiger als mittelmäßig oder schlecht einschätzen, als es Eltern ohne Migrationshintergrund tun. Zudem haben die Kinder, insbesondere die Mädchen, etwas häufiger Übergewicht.

Die Studie zeigt jedoch auch, dass die Familien mit Migrationshintergrund häufiger ein geringes Einkommen, einen niedrigeren Bildungsgrad und eine geringere berufliche Stellung haben – und dies dann mit dem schlechteren Gesundheitszustand der Kinder einhergeht. Deshalb sehen die Forscher es als unzureichend an, den Migrationshintergrund allein als Erklärung heranzuziehen.

Zusammengefasst zeige sich, so die Forscher, dass die überwiegende Mehrheit der Kinder und Jugendlichen in Deutschland gesund aufwachse, ob mit oder ohne Migrationshintergrund.

Risiko Kinderarmut

Ein Fünftel der Kinder und Jugendlichen in Deutschland lebt in Armut – und dies schlägt sich oft in der Gesundheit und im Gesundheitsverhalten nieder.

In der Studie wurden Eltern gebeten, den allgemeinen Gesundheitszustand ihrer Kinder einzuschätzen. Lediglich 1,6 Prozent der Kinder in Familien mit hohem Einkommen haben demnach nur eine mittelmäßige bis schlechte Gesundheit. In Familien mit geringem Einkommen sind es 8 Prozent der Kinder.

Unter anderem treten psychische Auffälligkeiten deutlich häufiger bei Kindern und Jugendlichen auf, die in armen Verhältnissen aufwachsen.

Haben die Eltern wenig Geld zur Verfügung, ernähren sich die Kinder außerdem ungesünder, treiben weniger Sport und sind eher übergewichtig. Umso wichtiger ist es, mit Gesundheitsprogrammen gerade diese Familien zu erreichen.

Unfälle: Obacht bei den Elf- bis Zwölfjährigen

Ob Vergiftungen, Stürze oder Zusammenstöße – Unfälle zählen in Deutschland zu den häufigsten Ursachen für Gesundheitsprobleme bei Kindern. Rund 16,5 Prozent der Kinder und Jugendlichen mussten im Jahr vor der Befragung wegen einer Verletzung behandelt werden. Fast fünf Prozent waren sogar dreimal oder häufiger nach einem Unfall beim Arzt, heißt es in der Studie.

Dabei verletzten sich Jungen deutlich häufiger, bei ihnen lag der Anteil bei 18,6 Prozent; bei den Mädchen waren es 14,3 Prozent. Schuld daran könnte auch die Gesellschaft sein, schreiben die Forscher. Demnach werden Jungen anders sozialisiert als Mädchen und von ihren Eltern möglicherweise seltener gebremst.

Fast jedes achte Kind musste aufgrund seiner Verletzungen mindestens eine Nacht im Krankenhaus bleiben, die Ein- bis Sechsjährigen waren davon deutlich häufiger betroffen.

Ältere Kinder verletzen sich tendenziell häufiger als junge, das Risiko erreicht mit elf bis zwölf Jahren seinen Höhepunkt. Auch die Art der Unfälle verändert sich mit dem Alter. Bei den Kindern bis zehn Jahren zählen Stürze noch zur häufigsten Unfallursache, bei den 11- bis 17-Jährigen spielen Zusammenstöße eine immer häufigere Rolle. Außerdem steigt mit dem Alter das Risiko, sich durch die Überlastung einzelner Körperteile zu verletzen – etwa durch Umknicken oder Verrenkungen.

Zahl der Typ-1-Diabetiker steigt.

Diabetes Typ 1 entsteht, wenn das Immunsystem die Insulin-produzierenden Zellen in der Bauchspeicheldrüse zerstört. Betroffene müssen ein Leben lang Insulin spritzen. Laut den neuesten Daten steigt die Häufigkeit der Krankheit bei Kindern und Jugendlichen an. Während bei der Befragung in den Jahren 2003 bis 2006 insgesamt 0,1 Prozent der 11- bis 13-Jährigen betroffen waren, waren es bei der aktuellen KiGGS-Studie 0,7 Prozent der Kinder dieser Altersgruppe. Bei den Jugendlichen im Alter von 14 bis 17 stieg der Anteil der Typ-1-Diabetiker von 0,2 auf 0,8 Prozent. Wie der Anstieg zu erklären ist, kann diese Studie nicht beantworten.

Die Untersuchung unterscheidet zwar nicht nach Diabetes Typ 1 und 2, allerdings gehen die Forscher davon aus, dass der allergrößte Teil der im Jugendalter Erkrankten Diabetes Typ 1 hat. Denn Typ 2 entsteht im Wesentlichen aufgrund eines ungesunden Lebensstils und tritt selten vor dem 40. Lebensjahr auf. Nach aktuellen Schätzungen haben weniger als 0,02 Prozent der 11- bis 18-Jährigen einen Diabetes Typ 2, also weniger als 2 von 10.000 Kindern.

Windpocken werden seltener

Seit 2004 empfiehlt die Ständige Impfkommission, dass Kinder gegen Windpocken geimpft werden sollten. Vor Einführung der Impfung erkrankten rund 85 Prozent der Kinder bis zum Alter von sechs Jahren.

Die Studie dokumentiert, wie die Krankheit seit Einführung der Impfung seltener wird. In der Basiserhebung von 2003 bis 2006 gaben 68,4 Prozent der Eltern an, dass ihr Kind die Windpocken durchgemacht hat. In der nächsten Runde zwischen 2009 und 2012 waren es 51,4 Prozent – in der neuesten Befragung lediglich 32,5 Prozent.

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