Eingeschleppt
Die Frau ist in der 18. Schwangerschaftswoche, als sie die Notaufnahme einer Klinik im US-Bundesstaat Kansas aufsucht. Sie leidet unter Herzrasen und Fieber. Zudem zieht sich ein Ausschlag über ihre Haut, der juckt und brennt. Doch die Ärzte schicken sie wieder nach Hause.
Drei Tage später versucht sie es in einer anderen Notaufnahme. Dort sagen die Mediziner der 27-Jährigen, sie habe eine allergische Reaktion. Welche Untersuchungen die Ärzte in den beiden Kliniken vornehmen, bevor sie die Patientin wieder entlassen, berichten die Autoren nicht, die den Fall im Wochenbericht der US-Seuchenschutzbehörde CDC vorstellen.
Sie sucht im Internet nach einer Diagnose
Mit der Allergiediagnose ist die Frau jedenfalls nicht zufrieden. Sie versucht jetzt selbst herauszufinden, was sie hat – und sucht im Internet. Dabei stellt sie etwas Beunruhigendes fest: Ihre Beschwerden könnten auf Röteln deuten. Die Infektionskrankheit ist insbesondere im ersten Drittel der Schwangerschaft höchst gefährlich. Denn sie kann bleibende Schäden beim ungeborenen Kind auslösen oder sogar zu einer Fehlgeburt führen. Eine Impfung kann vor der Ansteckung schützen, doch die Frau ist nicht gegen Röteln geimpft.
Sie kontaktiert ihren Frauenarzt und erzählt von ihrem Verdacht. Der Gynäkologe schickt die Patientin zu ihrem Hausarzt. Knapp eine Woche nach ihrem ersten Besuch in der Notaufnahme macht dieser endlich einen Bluttest. Zwei Tage später steht fest: Die 27-Jährige hat sich selbst die richtige Diagnose gestellt: Sie hat Röteln.
Die Gesundheitsbehörden erfahren am selben Tag eher durch Zufall von der Diagnose: Als die Frau ihre Tochter aus der Schule abholt, berichtet sie der Schulkrankenpflegerin davon; diese informiert die zuständige Behörde in Johnson County, Kansas.
Die Experten dort stellen sich vor allem zwei Fragen:
- Bei wem hat sich die Schwangere angesteckt? Die Krankheit gilt in ganz Amerika als ausgerottet.
- Wen könnte die Frau wiederum infiziert haben?
Die erste Frage können sie schnell beantworten. Zweieinhalb Wochen vor ihrer Erkrankung hatte die Patientin Besuch von ihrem 22-jährigen Bruder, der gerade von einer Indienreise zurückgekehrt war. Dort gibt es – ebenso wie in Deutschland – noch Rötelnfälle. Der Mann hatte nach der Reise einen Ausschlag an beiden Beinen. Ein jetzt durchgeführter Bluttest bestätigt, dass er Antikörper gegen das Rötelnvirus im Blut hat, was für eine noch nicht lange zurückliegende Infektion spricht.
Auch der Bruder war nicht geimpft
Die Inkubationszeit – der Zeitraum zwischen Ansteckung und ersten Symptomen – beträgt bei Röteln zwei bis drei Wochen. Erkrankte sind bereits sieben Tage vor dem Auftreten des Ausschlags und bis zu sieben Tage nach dessen Abklingen ansteckend.
Das passt zur Annahme, dass sich die Frau bei ihrem Bruder angesteckt hat. Er ist, wie seine Schwester, nicht gegen Röteln geimpft. Rötelnviren werden per Tröpfcheninfektion übertragen, also etwa beim Niesen oder Husten.
Die Gesundheitsbehörde vollzieht jetzt nach, mit wem die Frau in den vergangenen Tagen Kontakt hatte, um mögliche weitere Rötelnpatienten aufzuspüren. Nur drei der etwa 120 Kontakte sind nicht gegen Röteln geimpft: die Tochter der Frau, eine Kollegin sowie eine Krankenhausangestellte. Ihnen wird geraten, für etwa drei Wochen den Kontakt zu Schwangeren zu vermeiden. Die Tochter wird für die Zeit aus der Schule genommen, die Krankenhausangestellte darf nicht zur Arbeit.
Erkrankt eine Frau innerhalb der ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft an Röteln, liegt das Risiko bei 90 Prozent, dass das Kind bleibende Schäden davonträgt, zu denen Herzfehler, Hirnschäden, Schwerhörigkeit und Defekte an den Augen zählen können. Zwischen der 13. und 16. Schwangerschaftswoche sinkt das Risiko deutlich ab, berichtet das Robert Koch-Institut. Treten die Röteln in der 20. Woche oder später auf, gehe das nur in Einzelfällen mit Folgeschäden für das Kind einher.
In Deutschland treten die Röteln nur noch sehr selten auf. Laut RKI gibt es etwa 20 bis 40 Fälle pro Jahr. Dass eine Schwangere erkrankt und ihr Kind Schaden nimmt, ist entsprechend höchst selten – 2013 gab es laut dem Institut zuletzt solch einen Fall.
Für die 27-Jährige nimmt die Geschichte einen guten Ausgang: Ihr Baby kommt gesund zur Welt.
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