Dürfen Arbeitnehmer zu Hause bleiben, wenn es ihnen psychisch nicht gut geht?

Andauernder Stress wirkst sich irgendwann bei jedem Menschen auf Körper und Psyche aus. Dann ist dringend eine Auszeit nötig – und wenn es erst einmal nur ein einziger Tag ist.

Ein solcher Mental Health Day – also ein Tag, an dem man sich um seine psychische Gesundheit kümmert – ist in den USA verbreiteter als bei uns. Doch auch hierzulande gewinnt das Konzept an Bekanntheit. (Lesen Sie mehr zum Thema Stress in unserem GQ-Stress-Guide )

Anhaltende Erschöpfung und Dauerstress: Wann es Zeit für eine Pause ist

Spätestens dann, wenn Sie sich permanent erschöpft fühlen, schlecht schlafen, von Kopfschmerzen geplagt sind und einen Kaffee nach dem nächsten hinunterstürzen, ohne dass das Koffein noch einen Effekt zeigen würde, ist eine Auszeit nötig. Bei manchen Menschen zeigt sich das auch daran, dass sie ständig gereizt sind oder die kleinste zusätzliche Anforderung sie zu überwältigen scheint.

Wie auch immer – ein schlechtes Gewissen ist bei einem Mental Health Day fehl am Platz: Es ist wichtig, die psychische Gesundheit zu pflegen, denn sonst können sich aus Stress handfeste Probleme wie Depressionen, Ängste oder chronische körperliche Beschwerden entwickeln.

Kein schlechtes Gewissen beim Mental Health Day

Viele Menschen haben aber regelrecht Schuldgefühle, wenn sie sich wegen Stress bei der Arbeit abmelden – schließlich haben sie kein gebrochenes Bein, hohes Fieber oder eine ansteckende Krankheit. Es piekst das schlechte Gewissen, weil die Kollegen nun zusätzliche Arbeit übernehmen müssen, während man selbst sich ausruht.

Was gegen das schlechte Gewissen hilft: Sich klarmachen, dass es nichts bringt, sich ausgelaugt und überfordert weiter zur Arbeit zu schleppen. Gute Ergebnisse wird man in so einem Zustand nicht mehr erzielen, sondern die Wahrscheinlichkeit für Fehler steigt – die dann womöglich die Kollegen ausbügeln müssen. Deshalb ist allen geholfen, wenn man selbst dafür Sorge trägt, möglichst ausgeruht bei der Arbeit zu erscheinen.

Ein Attest wird nach drei Tagen Abwesenheit benötigt

Die Kernfrage ist: Opfert man für den Mental Health Day einen Urlaubstag oder meldet man sich einfach krank? Wer sich krankmeldet, muss laut Entgeltfortzahlungsgesetz erst dann ein Attest einreichen, wenn er krankheitsbedingt länger als drei Tage fehlt – es sei denn, der Arbeitsvertrag sieht eine andere Regelung vor. „Bis dahin kann man auch ohne Attest zu Hause bleiben, wenn man dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und die voraussichtliche Dauer unverzüglich mitteilt“, sagt der Rechtsanwalt Christian Solmecke.

Und: Auch die Psyche ist natürlich ein Grund, um zu Hause zu bleiben. „Ein Arbeitnehmer hat das Recht, zu Hause zu bleiben, wenn er sich krank fühlt – ob physisch oder psychisch“, sagt der Experte.

Krankmeldung: Die Gründe müssen Sie Ihrem Arbeitgeber nicht erklären

Wer sich entscheidet, sich krankzumelden, steht vor der nächsten Frage: Wie kommuniziert man einen Mental Health Day am besten? Mit der Wahrheit herausrücken, eine körperliche Erkrankung vorschieben – oder gar keinen Grund nennen?

„Grundsätzlich muss man dem Arbeitgeber nicht mitteilen, aus welchen Gründen man sich krankmeldet“, sagt Solmecke. „Ob man nun aus physischen oder psychischen Gründen zu Hause bleibt, ist bei einer Krankmeldung völlig unerheblich und für den Arbeitgeber nicht von Interesse.“ Die eleganteste Lösung dürfte also sein, hier gar nicht näher ins Detail zu gehen.

Was dabei zusätzlich hilfreich ist: Anders als früher müssen die meisten Arbeitnehmer nicht mehr an ihrem Arbeitsplatz anrufen und dabei möglichst matt klingen, um glaubhaft krank zu wirken, sondern es reicht, eine E-Mail zu schreiben. Fair ist es außerdem in jedem Fall, sich bei der eigenen Abteilung oder dem Vorgesetzten zu melden und zu klären, welche Aufgaben erledigt werden müssen oder was sonst anliegt. (Lesen Sie auch: Apple, Tesla und Co.: So viel Geld haben die größten CEOs 2019 verdient )

Wer präventiv etwas für die mentale Gesundheit tun möchte, sollte einen Urlaubstag nehmen

In manchen Fällen kann es sinnvoll sein, statt einer Krankmeldung Überstunden abzubauen oder einen Urlaubstag zu nehmen. „Arbeitnehmer sollten ehrlich mit sich und ihrem Chef sein und sich krankmelden, wenn sie sich nicht zur Arbeit imstande fühlen“, rät Solmecke. „Möchte man präventiv etwas für seine mentale Gesundheit tun, ist es wohl eher ratsam, einen Urlaubstag einzulegen.“ Jeder Arbeitnehmer müsse zunächst einmal auf sich selbst und seine Gesundheit hören, um zu entscheiden, ob genügend Grund für eine Krankmeldung besteht.

Wenn man einen Urlaubstag nimmt, ist die Situation klar: Man kann tun und lassen, was man möchte. Wie aber sieht das aus, wenn man aus psychischen Gründen nicht zur Arbeit erschienen ist? Auch wer sich aus psychischen Gründen krankmeldet, muss grundsätzlich nicht den ganzen Tag zu Hause verbringen. „Bei einer längeren Erkrankung ist es durchaus nachvollziehbar, dass ein psychisch erkrankter Mitarbeiter die Zeit zum Beispiel für einen erholsamen Tagesausflug nutzt“, sagt der Experte. So ein Tag kann schließlich förderlich für die mentale Gesundheit sein.

Bei Aktivitäten in der Öffentlichkeit während eines Mental Health Days ist Vorsicht geboten

Vorsicht ist hingegen tatsächlich geboten, wenn man einen einzelnen Mental Health Day einlegt. An einem solchen Tag sollte man sich gut überlegen, was man in der Öffentlichkeit unternimmt und ob man Freunde zum Beispiel nicht besser privat trifft. „Es hinterlässt sicherlich keinen guten Eindruck, wenn der Chef einen dann bei einem Bier mit Freunden erwischt“, warnt Solmecke. „Das kann sich negativ auf das Arbeitsverhältnis auswirken.“ (Auch interessant: Männer – bitte mehr Mut zur Sensibilität! )

Dieser Artikel wurde verfasst von (Maria Berentzen)

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