Der richtige Bakterien-Mix hilft gegen unreine Haut – wie Sie ihn fördern

Auf der Haut tummeln sich eine Vielzahl von Bakterien, das sogenannte Hautmikrobiom. Bei vielen Erkrankungen der Haut ist das Gleichgewicht dieser Bakterien aus der Balance geraten. Wie Sie ein „krankes“ Hautmikrobiom erfolgreich regenerieren.

Kennen Sie das artenreichste Ökosystem der Erde? Nein, es ist nicht der Regenwald des Amazonas, auch nicht eine abgelegene Almwiese oder ein unberührtes Korallenriff. Die komplexesten und vielfältigsten Lebensgemeinschaften, die wir kennen, befinden sich in Ihrem Darm, auf Ihren Schleimhäuten und auf der Haut.

Über das Darmmikrobiom ist inzwischen schon viel geforscht und publiziert worden. Das Hautmikrobiom hingegen ist in weiten Teilen noch unbekanntes Terrain, was es jedoch nicht weniger spannend macht. Das Hautmikrobiom, früher war die Bezeichnung „Hautflora“ geläufiger, umfasst die Gesamtheit aller Bakterien, Viren und Pilze, die auf der Haut und in den Haarfollikeln leben. Bis zu einer Million Mikroben können sich auf einem Quadratzentimeter unserer Körperoberfläche tummeln. Und das Ökosystem Haut weist mit mehr als tausend unterschiedliche Bakterien-Spezies einen unglaublichen Artenreichtum auf kleinster Fläche auf. Bildschön/Dietzel

Über die Expertin

Michaela Axt-Gadermann ist Ärztin und Professorin für Gesundheitsförderung im Studiengang „Integrative Gesundheitsförderung“ an der Hochschule Coburg. Sie lebt mit Mann und Kindern in der Nähe von Fulda. Zum Thema „Darm“ hat sie zahlreiche Bücher geschrieben sowie ein lizensiertes, von den Krankenkassen anerkanntes Online-Ernährungscoaching („Gesund mit Darm“) entwickelt. Mehr Informationen finden Sie auch auf der Webseite „Schlank mit Darm“.

Vielfalt schützt unsere Haut

Dürfte man ein gesundes und intaktes Mikrobiom nur mit einem Wort beschreiben, dann wäre das „Vielfalt“. Eine artenreiche, gut gemischte Hautflora mit vielen verschiedenartigen Mikroorganismen ist in der Lage, alle anfallenden Aufgaben zum Schutz unserer äußeren Oberfläche zu erfüllen.

„Das Hautmikrobiom hat nach neuesten Erkenntnissen Einfluss auf Entzündungen und Hautalterung“, erklärt der Mikrobiologe Matthias Noll, Hochschule Coburg. „Ist das Mikrobiom in Balance, dann hält es unsere Haut gesund, kann langfristig den Säureschutzmantel aufrecht erhalten, die Hautbarriere stärken und den Feuchtigkeitsverlust minimieren. Die Mikroorganismen auf der Haut sind zudem Trainingspartner des Immunsystems und senken dadurch das Risiko für Allergien und Entzündungen.“

Eine der wichtigsten Aufgaben des Hautmikrobioms ist es, zu verhindern, dass sich fremde, krankmachende Keime dauerhaft auf der Haut ansiedeln und Hauterkrankungen verursachen.

„Schön mit Darm“ von Michaela Axt-Gadermann

Waschmuffel sind gesünder

Im Prinzip ist unser Hautmikrobiom enorm anpassungsfähig und verändert sich in Abhängigkeit von unserem Lebensstil. Doch gerade unsere moderne Lebensweise hat auf die Hautflora ähnlich schädliche Auswirkungen wie die Rodung des Regenwaldes auf die Tier- und Pflanzenwelt des Amazonas. Heute weiß man, dass ausgiebiges Duschen nicht nur Talg und Schweiß entfernt, sondern auch rund 30 Prozent der nützlichen Hautbakterien abspült.

Und das macht anfälliger für Hautprobleme, wie Wissenschaftler der LMU München anhand der Pflegegewohnheiten von mehr als 2700 Jugendlichen nachweisen konnte. Das Ergebnis der Studie dürfte viele Teenager freuen: Jugendliche Waschmuffel, die höchstens einmal wöchentlich duschten, hatten die gesündeste Haut und erkrankten seltener an Allergien und Neurodermitis. Reinlichkeitsfanatiker setzen hingegen dem Mikrobiom besonders zu und schädigten durch zu viel Einseifen auch die Barrierefunktion der Haut.

So optimieren Sie Ihr Hautmikrobiom

  • Überdenken Sie Ihre Dusch- und Badegewohnheiten. Öfters mal nur mit klarem Wasser reinigen, so wenig schäumende Zusätze wie möglich und die Duschzeit möglichst kurz halten hilft der Hautflora.
  • Vorsicht mit Konservierungsstoffen. Alle Cremes und Lotionen, die Wasser enthalten, müssen konserviert werden, um das Wachstum von Pilzen und Bakterien in der Creme zu verhindern. Diese Konservierungsstoffe können sich ungünstig auf das Hautmikrobiom auswirken, da sie auch das Wachstum gesunder Hautbakterien einschränken.
  • Verwenden Sie öfters mal Öle zur Pflege. Öle kommen ohne Konservierungsstoffe aus. Da sie sehr reichhaltig sind, am besten abends auftragen und den Ölen Zeit zum Einziehen geben
  • Setzen Sie probiotische Kosmetik zur Unterstützung des Hautmikrobioms ein. Probiotische Pflege ist noch recht neu im Kosmetikregal. Diese arbeitet entweder mit Bakterienbestandteilen, abgetöteten Mikroorganismen oder auch mit lebenden Bakterien.

Hautkrankheiten durch Mikrobiom-Veränderungen

Nach und nach setzt sich die Erkenntnis durch, dass die Hautflora auch ein wichtiger Ansatzpunkt in der Therapie dermatologischer Erkrankungen sein könnte, denn inzwischen gilt es als sicher, dass das Mikrobiom bei Dermatosen wie Rosazea, Kopfschuppen, Akne und Neurodermitis eine wichtige Rolle spielt. Fast immer ist die schützende Bakterienbesiedelung der Haut – und oft auch des Darms – aus der Balance.

Wenn Schuppen vom Kopf rieseln, dann steckt meistens ein Hautkeim mit dem wohlklingenden Namen Malassezia furfur dahinter, der sich aus bakterieller Sicht günstigen Bedingungen massiv vermehren kann. Dieses Mitglied des Hautmikrobioms lässt sich mit Anti-Pilz-Mitteln in seine Schranken weisen, kommt aber nach Therapieende gerne wieder zurück.

Studien zeigen, dass Bakterien helfen könnten, in diesem Fall solche, die über den Verdauungstrakt wirken. Offensichtlich verändern probiotische Bakterien den pH-Wert der Haut und das lokale Immunsystem in der Weise, dass sich Hefepilz verdrängt wird. Nahmen Studienteilnehmer für zwei Monate das Milchsäurebakterium Lactobacillus paracasei ein, dann änderte sich die mikrobielle Zusammensetzung der Kopfhaut nachweislich und Schuppen, Juckreiz und Hautrötungen gingen sichtbar und messbar zurück, während sich in der Placebo-Gruppe nichts tat.

Bei Rosazea findet man hingegen übermäßig viele Demodexmilben in den betroffenen Hautarealen. Gleichzeitig bestehen überzufällig häufig Probleme im Verdauungstrakt wie Infektionen mit dem pathogenen Magenkeim Helicobacter pylori, Darmentzündungen oder eine bakterielle Überwucherung des Dünndarms (SIBO-Syndrom).

Bei Akne breitet sich hingegen das Bakterium „Cutibacterium acnes“ unverhältnismäßig stark auf der jugendlichen Haut aus und die Mehrzahl der Aknepatienten klagt gleichzeitig über Darmbeschwerden, weshalb das Darmmikrobiom ebenfalls in die Therapieüberlegungen mit einbezogen werden sollte. Bei Neurodermitis wird das Krankheitsgeschehen durch das Bakterium Staphylococcus aureus (S. aureus) bestimmt.

S. aureus verschlechtert Neurodermitis

Die Zusammenhänge zwischen Neurodermitis und dem dermalen Mikrobiom sind inzwischen recht gut erforscht. Fast immer ist bei den Betroffenen die bakterielle Vielfalt reduziert und es besteht ein Ungleichgewicht zwischen den verschiedenen Bakterienarten (Dysbiose). Dadurch können sich schädliche Mikroorganismen auf der Ekzemhaut leicht ausbreiten. Inzwischen gilt es als sicher, dass vor allem der Krankheitserreger S. aureus für den Verlauf der Neurodermitis von großer Bedeutung ist.

„Bei Neurodermitis lässt sich Staphylococcus aureus auf fast 90 Prozent aller Ekzeme nachweisen und die Bakterienmenge entscheidet oft darüber, wie schlimm die Ekzeme sind,“ betont Noll. „Je mehr Staphylokokken sich auf der Haut nachweisen lassen, desto schlechter ist ihr Zustand, desto ausgeprägter sind Trockenheit und Entzündungen und desto quälender ist der Juckreiz.“

Antibiotika oder desinfizierende Bäder zur Beseitigung des Keims sind jedoch keine Lösung, die dauerhafte Erfolge versprechen, denn diese Wirkstoffe unterscheiden nicht zwischen nützlichen Bakterien und krankmachenden Mikroorganismen. Die Hautflora verliert dadurch die notwendige Vielfalt und unerwünschte Bakterien können sich anschließend noch leichter und schneller ausbreiten, wodurch ein Rückfall nach Therapieende vorprogrammiert ist.

Laut Noll ist es deshalb dringend notwendig, Therapien zu entwickeln, die schädliche Bakterien von der Haut der Neurodermitispatienten entfernen, ohne die nützliche Flora noch weiter zu schädigen. Zusammen mit Kollegen hat der Mikrobiologe eine innovative probiotische Hautkur mit aktiven Bakterien entwickelt, die als Bad angewendet werden kann. „In Studien ließen sich erhebliche Unterschiede zwischen ,echten' Probiotika, also lebenden Bakterien, wie wir sie in unseren Studien verwendet haben und inaktivierten Bakterien nachweisen. Vermehrungsfähige Bakterien besitzen andere und vor allem stärkere Einflüsse auf den Hautzustand und die Hautflora als Lysate, die aus abgetöteten Bakterien bestehen.“

Lebende Mikroorganismen können sich auf der Haut ausbreiten, sich vermehren, das Mikrobiom stabilisieren und ein aktives Schutzschild gegen unerwünschte Bakterien aufbauen. „Unsere Studien haben gezeigt, dass sich durch den Bakterienkomplex krankheitsverursachende Keime auf natürliche Weise verdrängen lassen, ohne Einsatz von Antibiotika, ohne Kortison und ohne desinfizierende Zusätze,“ berichtet der Mikrobiologe.

„Wir waren erstaunt, was sich mit diesen lebenden Bakterien erreichen lässt. Die Zahl der krankheitsverursachenden Staphylococcus aureus – Bakterien sank dadurch innerhalb von nur zwei Wochen um mehr als 80 Prozent und auch die Hautflora profitierte von den verwendeten Milchsäurebakterien und gewann dadurch wieder an gesunder Vielfalt und Stabilität. Die Bäder waren so wirksam, dass – ganz ohne zusätzliche Behandlung – die Ekzeme bereits nach einer Woche sichtbar und spürbar besser wurden, der Juckreiz erträglicher und die Haut weniger trocken war.“

Michaela Axt-Gadermann Abbildung: Fußekzem vor Behandlung mit probiotischen Bakterien (links) und nach einer Woche Behandlung (rechts) 

Ein gesundes Hautmikrobiom

  • kann Krankheitserreger verdrängen
  • beeinflusst den Hautzustand bei verschiedenen Hauterkrankungen günstig
  • bringt das hauteigene Immunsystem in Balance
  • stabilisiert die Hautbarriere, schützt so vor Umwelteinflüssen und verbessert den Feuchtigkeitshaushalte der Haut
  • stärkt den Säureschutzmantel durch eine Absenkung des pH-Wertes

Milchsäurebakterien lassen Wunden heilen

Nicht nur Ekzeme, auch Wunden sind häufig mit Krankheitserregern besiedelt, wodurch sich die Heilung verzögert und die Gefahr von Komplikationen steigt. Besonders bei Verbrennungen zweiten und dritten Grades besteht immer die Sorge einer Wundinfektion. Nicht jeder Forscher würde sich deshalb trauen, lebende und vermehrungsfähige Bakterien direkt auf die Wunde zu geben.

Doch in einer kleinen argentinischen Studie machte man genau das und erzielte durch Umschläge mit Milchsäurebakterien (Lactobacillus plantarum) überraschend gute Erfolge: Wundinfektionen mit Problemkeimen traten seltener auf, Entzündungen klangen schneller ab und die verbrannten Hautareale heilte besser.

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  • Bakterientherapie gegen Pickel

    Unerwünschte Bakterien sind auch das Problem bei Akne vulgaris. Cutibacterium acnes (C. acnes) heißt hier der Schuldige. Dieses Bakterium kann sich bei Teenagern besonders stark vermehren, da die Haut in diesem Alter viel Fett bildet und der Keim sich in talgdrüsenreichen Arealen bevorzugt ausbreitet. C. acnes ruft nicht nur Entzündungen hervor, sondern kann Rezeptoren aktivieren, die die Haut zur Hornbildung anregen und Poren „verstopfen“.

    Eine klassische Behandlung der Akne ist die Therapie mit Antibiotika, entweder in Form von Lösungen und Lotionen zur äußerlichen Anwendung oder in Tablettenform. Die Behandlung wirkt, so lange die Medikamente angewendet werden, birgt aber das Risiko der Resistenzentwicklung und einer Schädigung der nützlichen Bakterienflora. Probiotische Bakterien stellen auch hier einen interessanten Ansatz dar, obwohl diese Therapie gerade bei Pickeln und Mitessern noch in den Kinderschuhen steckt.

    Koreanische Dermatologen erzielten Erfolge mit den Enterocccus faecalis-Bacteriocinen. Bacteriocine sind Abwehrstoffe, die bestimmte Bakterien bilden, um andere Keime abzuwehren, zu töten oder in ihrem Wachstum zu hemmen. Andere Studien rückten den Pickeln mit probiotische Milchsäurebakterien zu Leibe. Mit einer fünfprozentigen Lösung mit Lactobazillus plantarum verbesserte sich der Hautzustand messbar.

    Noch steht die Erforschung des Hautmikrobioms und dessen Beeinflussung mit nützlichen Mikroben am Anfang, obwohl es bereits einige vielversprechende Ansätze gibt. In Zukunft könnten Krankheitserreger, die die Haut besiedeln und den Verlauf dermatologischer Erkrankungen negativ beeinflussen, mit Hilfe ausgewählter probiotischer Bakterien oder deren Stoffwechselprodukten gezielt eliminiert und gleichzeitig das schützende Hautmikrobiom gestärkt werden.

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