Als hätte sie überall Sonnenbrand
Seit drei Tagen scheint sich eine Infektion im Körper der 16-Jährigen auszubreiten, so lange geht es ihr schon schlecht. Als sie morgens Hilfe in der Notaufnahme sucht, schmerzt ihr gesamter Körper, ihr ist übel, ihr Kopf tut weh und sie hat das Gefühl, nicht genug Luft zu bekommen. Außerdem hat sie einen Knoten in der rechten Brust ertastet, zufällig.
Die 16-Jährige ist eine ambitionierte Leistungsschwimmerin. In der Vergangenheit litt sie unter Asthma, ansonsten sei sie gesund, schreiben die Mediziner um Gregory Taylor vom US-amerikanischen Beaumont Hospital in Farmington Hills im Fachmagazin „Oxford Medical Case Reports“.
Bei einer ersten Untersuchung macht die Jugendliche einen guten Eindruck, sie wirkt nicht panisch. Auch die wichtigsten Werte sind in Ordnung, von Blutdruck bis Körpertemperatur. Beim Abtasten der rechten Brust reagiert die Sportlerin zwar an einer Stelle empfindlich, einen Knoten aber können die Mediziner nicht finden.
Routiniert setzen die Ärzte ihre Untersuchungen fort, röntgen die Brust, machen einen Ultraschall des Bauchraums und schicken Blut ins Labor. Alles wirkt normal. Schließlich bekommt die 16-Jährige eine Infusion, um ihren Körper mit Flüssigkeit und einem Mittel zu versorgen, das die Muskelschmerzen lindert.
Als sich ihr Zustand verbessert, entlassen die Ärzte die Jugendliche mittags. Sie soll einen Gynäkologen aufsuchen – und zurückkommen, falls es ihr wieder schlechter geht.
Selber Nachmittag: Ausschlag, als hätte sie Sonnenbrand
Noch am selben Nachmittag erscheint die 16-Jährige beim Frauenarzt, ihre Eltern begleiten sie. Innerhalb weniger Stunden ist ein Knoten in ihrer Brust gewachsen, der sich sofort ertasten lässt. Jetzt wirkt die Jugendliche auch krank, sie hat Schüttelfrost und ihre Temperatur ist erhöht. Ein Ausschlag überzieht ihren Körper, der wie Sonnenbrand aussieht und bei Druck seine Farbe verliert. Ihr Gesicht, ihr Nacken, ihr Rücken, ihre Beine, alles rot.
Das Herz der 16-Jährigen rast mit 102 Schlägen pro Minute, ihr Blutdruck ist auf 92 zu 47 mmHg abgefallen – normal sind Werte bis zu 100 zu 60 mmHg. Der Gynäkologe schickt die Jugendliche sofort weiter in die Notaufnahme.
Die Beschwerden, vor allem der Ausschlag und der niedrige Blutdruck, sprechen für ein extrem gefährliches Krankheitsbild: Die junge Frau könnte unter einem toxischen Schocksyndrom leiden. Dabei reagiert der Körper nicht direkt auf Krankheitserreger, sondern auf Giftstoffe, die diese absondern. Auslöser sind vor allem Bakterien der Arten Staphylococcus aureus und Streptococcus pyogenes. Das toxische Schocksyndrom ist ein Notfall. Je nach Bakterienart sterben zwischen fünf und zehn Prozent der Betroffenen.
Fast immer sind Frauen vom toxischen Schocksyndrom betroffen. Durch länger nicht gewechselte Tampons, so scheint es, können sich in der Scheide lebende Bakterien stark vermehren und verstärkt Giftstoffe bilden. Auch Verhütungsmittel wie ein Diaphragma erhöhen das Risiko. Die 16-Jährige aber hatte vor drei Wochen zuletzt ihre Periode. Seitdem hat sie keine Tampons mehr benutzt, auch verwendet sie keine Verhütungsmittel.
Ist der Knubbel schuld?
In selteneren Fällen entsteht das toxische Schocksyndrom auch unabhängig von der Menstruation. Dann ist es oft Folge bakterieller Infektionen, etwa durch Hauterkrankungen, Verbrennungen oder Insektenstiche.
Hängt der Knubbel in der rechten Brust mit den Beschwerden zusammen?
Von außen ist keine Entzündung erkennbar. Beim Tasten jedoch spüren die Mediziner ein rund 2,5 Zentimeter großes Etwas in der Tiefe der Brust. Als sie das Gewebe im Ultraschall betrachten, zeigen sich mehrere Abszesse – entzündete, eitrige Stellen, die der Körper abgekapselt hat. Sie könnten Quelle der Bakteriengifte sein.
Abszesse in der Brust entstehen in der Regel, wenn Krankheitserreger über die Brustwarze in den Körper eindringen. Oft ist Staphylococcus aureus der Auslöser. Die Bakterien sind es auch, deren Gifte das toxische Schocksyndrom auslösen.
Die Ärzte geben der 16-Jährigen zwei verschiedene Antibiotika, anfangs sackt ihr Blutdruck jedoch weiter ab. Ihre Organe drohen, nicht mehr ausreichend durchblutet zu werden. Die Jugendliche kommt auf die Intensivstation, wo sie Norepinephrin erhält, ein Stresshormon, das den Kreislauf ankurbelt.
Noch am gleichen Tag entfernen die Ärzte die Abszesse aus ihrer Brust. Untersuchungen der Wundflüssigkeit zeigen später, dass tatsächlich Staphylococcus- aureus-Bakterien die Entzündung verursacht haben.
Nach dem Eingriff erholt sich die 16-Jährige schnell. Am nächsten Tag können die Ärzte das Stresshormon absetzen, nach vier Tagen wird die Jugendliche entlassen, sie soll noch zehn weitere Tage Antibiotika einnehmen. Bei einer Nachuntersuchung einen Monat später ist die 16-Jährige wieder komplett gesund und hat wieder mit dem Leistungsschwimmen begonnen.
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