Mit knapp 70 nochmal Vater werden? Warum später Nachwuchs so riskant ist
Mit knapp 70 Jahren noch einmal das Vaterglück spüren: Bei vielen Männern mit jüngeren Partnerinnen ist das keine Seltenheit. Doch das fortgeschrittene Alter der Väter kann Folgen für das Kind haben. Gesundheitliche und psychische.
Männer haben gegenüber Frauen einen entscheidenden Vorteil: Sie können – zumindest theoretisch – bis ins hohe Alter Kinder zeugen. Laut Statistik haben fünf Prozent der frischgebackenen Papas bei der Geburt ihres Kindes bereits den 50. Geburtstag hinter sich. Doch damit steigt auch das Risiko für gesundheitliche Störungen des Nachwuchses – und für psychische Probleme, wenn der Vater mit dem Opa verwechselt wird.
Allerdings bleibt manchen älteren Männern das späte Vaterglück auch verwehrt, denn mit zunehmendem Alter schwindet die Fortpflanzungsfähigkeit des Mannes. „Sie lässt etwa ab 40 Jahren nach. Zu dem Zeitpunkt kann man aber noch nichts Fehlerhaftes an den Spermien sehen. Vom 50. Lebensjahr an geht dann die Spermienbeweglichkeit zurück und die ist für die Fortpflanzung von Bedeutung, sonst finden die Spermien die Eizelle nicht“, erklärt Eberhard Nieschlag, ehemaliger Direktor des Instituts für Reproduktionsmedizin des Universitätsklinikum Münster. Im Durchschnitt dauert es bei unter 40-Jährigen fünf bis zwölf Monate, bis die Frau schwanger wird. Danach verlängert sich dieser Zeitraum allmählich, kann sich dann sogar verdoppeln und verdreifachen.
Genetische Defekte häufen sich
Wenn die Befruchtung der Eizelle gelingt, drohen weitere Folgen des Alters. Diverse genetisch bedingte Krankheiten treten häufiger auf. Auch komplexere, nicht an einem Gen festzumachende Störungen können sich einschleichen. Während viel davon die Rede ist, dass das Down-Syndrom-Risiko mit dem Alter der Mutter steigt, ist die wachsende Gefahr möglicher Störungen durch ältere Väter weniger bekannt. Solche Krankheiten können die Achondroplasie sein – ein genetisch bedingter Kleinwuchs des Kindes, durch den sich die Wachstumsfugen zu früh schließen. Auch Neurofibromatosen (eine Erbkrankheit, die Nerventumore begünstigt), das Marfan-Syndrom (Störung im Bindegewebe, die Organe und Skelett beeinträchtigt) oder das Apert-Syndrom (mit vielfältigen körperlichen Fehlbildungen) häufen sich mit steigendem Alter des Mannes – wenn auch die absolute Häufigkeit derartiger Störungen gering ist.
Schizophrenie und Autismus kommen öfter vor
Alter des Vaters hat auch Auswirkung auf Gesundheit der Mutter
Laut einer aktuellen Studie der Stanford-Universität leiden Kinder, deren Väter älter als 35 waren, vermehrt unter den Folgen einer Risikogeburt. Zu diesen zählen Untergewicht, Krampfanfälle und Beatmungsbedarf. Bei Vätern über 45 Jahren war eine Frühgeburt um 14 Prozent wahrscheinlicher. Waren die Männer bei der Zeugung des Babys über 50 Jahre alt, mussten die Kinder zudem um 28 Prozent wahrscheinlicher nach der Geburt auf die Intensivstation.
Sogar für die Gesundheit der Mutter spielt das Alter des Vaters offenbar eine Rolle. So stieg bei Partnerinnen älterer Männer das Risiko für eine Schwangerschaftsdiabetes.
Auswirkungen auf die Psyche des Kindes
So sicher gesundheitliche Risiken durch eine späte Vaterschaft bestehen, so unklar sind die Auswirkungen auf die Psyche eines Kindes. Jeder Fall sei anders, erklärt Hartmut Kasten, Entwicklungspsychologe und Frühpädagoge aus München. Prinzipiell hat er bei späten Vaterschaften keine Bedenken, solange das Kind spürt, dass es geliebt wird. Und das sei keine Alterssache, sondern hänge vom Menschen ab. „Erfahrene Väter können ihrem Kind ein hohes Maß an Sicherheit und Souveränität vermitteln“, sagt Kasten, der auch als Professor an der Universität München lehrt.
Jungen Vätern hätten sie Berufs- und Lebenserfahrung voraus und seien in punkto Karriere und Beziehung meist gefestigt. Oft hätten sie auch mehr Zeit für das Kind. Während junge Väter an ihrer Karriere feilten und häufig um die Balance zwischen Familie und Karriere kämpfen, könnten sich ältere Väter oft intensiver um ihre Sprösslinge kümmern. Sobald Kinder aber toben wollten, seien die um einiges dynamischeren jüngeren Väter wieder im Vorteil.
Der Uropa als Vater
Vaterschaften ab 50 betrachtet der Psychologe kritischer, weil negative Rückmeldungen aus dem Umfeld zu erwarten seien, wenn der Vater auch der Opa sein könnte. „Wenn man diesen sozialen Druck nicht abpuffern kann, kann das für das Kind richtig schlimm werden.“ Die Kinder schämen sich dann für ihren greisen Vater und werden von ihren Altersgenossen sehr genau unter die Lupe genommen. Dieser „soziale Terror und Druck nimmt mit steigendem Alter der Väter zu“, sagt Hartmut Kasten. Von einer Vaterschaft ab 70 würde er deshalb eher abraten.
„Kinder sind zwar immer eine Freude, auch im Alter“, meint der Entwicklungspsychologe. Allerdings solle man in diesem Alter als Vater bedenken, dass das Kind möglicherweise viele Entwicklungsphasen ohne ihn erleben muss. Zudem sieht er so alte Väter in der Verantwortung, die Erziehung des Kindes „sicherzustellen“. Dem Vater müsse immer bewusst sein, dass zu einem späteren Zeitpunkt eventuell eine andere Vaterfigur in das Leben des Kindes tritt.
Alterslose Geschwisterliebe
Aus der Erfahrung von Hartmut Kasten brauchen Geschwister, die vielleicht schon aus dem Haus sind, nichts zu befürchten. Wer jetzt an große Eifersuchtsszenen denkt, liegt falsch. Diese Beziehungen sind die „entspanntesten Geschwisterbeziehungen überhaupt“, sagt er.
Text von Helwi Braunmiller/Lena Riemann
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