Umstrittene Abnehm-Spritze – Wegovy soll Ende Juli nach Deutschland kommen
Selten gab es um ein Medikament so viel Trubel: Das Abnehmmittel „Wegovy“ soll es bald auch in Deutschland geben. Viele hypten die Fettweg-Spritze als Lifestyle-Produkt. Für wen die neue Behandlung wirklich sinnvoll ist.
Das für viel Aufsehen sorgende Abnehmmittel „Wegovy“ soll in gut einem Monat auch hierzulande verfügbar sein. „In Deutschland wollen wir es Ende Juli auf den Markt bringen“, sagte der Chef des dänischen Herstellers Novo Nordisk, Lars Fruergaard Jørgensen, der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“.
„Wegovy“ ist seit Anfang 2022 in der EU zugelassen. Der darin enthaltene Wirkstoff Semaglutid soll zusammen mit einer Diät und Bewegung bei Gewichtsverlust und -kontrolle unterstützen. Gedacht ist es für Menschen mit einem Body-Mass-Index (BMI) ab 30, also Adipositas. Und für Übergewichtige (BMI ab 27) mit mindestens einer gewichtsbedingten Begleiterkrankung. Das Medikament wird einmal die Woche verabreicht, Patienten können es sich selbst spritzen.
Bisher ist der Wirkstoff Semaglutid in Deutschland zur Behandlung von Typ-2-Diabetes unter dem Markennamen Ozempic erhältlich. Dieses ist allerdings nicht zur Gewichtsabnahme zugelassen.
Diagnose von Adipositas
Adipositas umfasst ein recht komplexes Krankheitsbild. Wo Adipositas anfängt, definieren hauptsächlich der Körpermasseindex BMI und der Taillenumfang.
Ab einem Umfang von mehr als 80 Zentimetern bei Frauen und mehr als 94 Zentimetern bei Männern sprechen Mediziner von abdominaler Adipositas.
Zusätzlich klären weitere klinische Untersuchungen wie ein Blutbild, ein EKG oder das Messen des Blutzuckerspiegels oder der Leberwerte das Risiko und Ausmaß schon vorhandener Begleiterkrankungen.
Der Body-Mass-Index
Der Body-Mass-Index (BMI) eignet sich dazu, den Körperfettanteil abzuschätzen. Für die Berechnung wird das Körpergewicht ins Verhältnis zur Körpergröße gesetzt. Der BMI berechnet sich aus dem Quotienten aus Körpergewicht und Körpergröße zum Quadrat (kg/m). Er ist die Beurteilungsgrundlage für die Gewichtsklassifikation:
- BMI unter 18,5: Untergewicht
- BMI 18,5 bis 24,9: Normalgewicht
- BMI 25 bis 29,9: Übergewicht
- BMI über 30: Adipositas
Berechnen können Sie Ihren BMI etwa bei der Deutschen Adipositas-Gesellschaft.
Hype um Fettweg-Spritze
In sozialen Medien wird der Wirkstoff gehypt, auch weil einige Promis so abgenommen haben sollen. So erwähnte Tech-Milliardär Elon Musk auf die Frage nach dem Geheimnis seines Aussehens neben dem Fasten den Namen der Arznei. Der Aktienkurs von Novo Nordisk hat innerhalb eines Jahres mehr als 40 Prozent zugelegt, das Unternehmen wird an der Börse nun mit etwa 250 Milliarden Euro bewertet. Damit gehört es zu den größten Pharmakonzernen der Welt.
Bislang vertreibe Novo Nordisk das Medikament in den USA, Dänemark und Norwegen, sagte Jørgensen der „FAS“. In den USA betrage der Listenpreis für eine einmonatige Behandlung 1300 Dollar. Er plädierte dafür, dass Krankenversicherungen „die Kosten für die Patienten mit dem höchsten Body-Mass-Index und für den ärmsten Teil der Bevölkerung übernehmen sollten“. In Deutschland, wo etwa jeder vierte Erwachsene als adipös gilt, war das Mittel bislang nicht erhältlich.
Langzeiteffekte werden noch untersucht
In einer Studie verloren Patienten, die begleitend zu Lebensstiländerungen eine Dosis Semaglutid pro Woche erhielten, im Schnitt nach 68 Wochen etwa 15 Prozent Gewicht. Eine Vergleichsgruppe, die ein Scheinmedikament bekam, nahm im gleichen Zeitraum nur gut zwei Prozent ab, wie es im „New England Journal of Medicine“ hieß.
Die Effekte sind aber nach bisherigem Kenntnisstand bei Absetzen des Medikaments nicht von Dauer. „Soweit wir bisher wissen, ist Adipositas eine chronische Krankheit. Das heißt: Wenn man die Behandlung abbricht, nimmt man wieder zu“, sagte Jørgensen der „FAS“. Eventuell könnte es aber nach mehreren Jahren Behandlung auch bleibende Effekte geben, dafür gebe es aber noch keine Belege.
Für wen die neue Behandlung wirklich sinnvoll ist
Fachleute sind sich einig: Wer nicht übergewichtig ist und nur wenig Fett am Körper hat, dem bringt die Fettweg-Spritze auch nur geringen Effekt. Denn die Wirkung nimmt mit den Kilos ab. Das Medikament könnte aber durchaus Menschen mit beginnendem Diabetes, Prädiabetes, helfen, gar nicht erst in Diabetes-Typ-2 zu rutschen.
Für die Adipositas-Therapie betrachten Fachleute die Abnehm-Spritzen mit Semaglutid als echten Gamechanger. Anja Hilbert, Professorin für Verhaltensmedizin und psychologische Leiterin der Adipositasambulanz am Universitätsklinikum Leipzig, ist sich im Gespräch mit dem „MDR“ sicher, dass sie sehr viel weiterhelfen werden. „Die Menschen werden gesünder werden, werden schlanker werden“, glaubt Hilbert. Der Hamburger Mediziner Jens Aberle urteilt ebenfalls: „Wir hatten noch nie Medikamente, die auch nur in der Nähe einer Effektivität waren, wie wir es jetzt erleben.“ Außerdem zeigten die Studien auch eine positive Wirkung auf das Herz-Kreislauf-System.
Ernährungswissenschaftler Uwe Knop warnt allerdings vor zu großer Begeisterung: Alles in allem sei noch sehr viel unklar. Er schreibt in seinem Expertenbeitrag: „Momentan ist die Spritze auch lediglich als Ergänzung und Unterstützung einer ganzheitlichen Adipositas-Therapie sinnvoll – elementar ist und bleibt dabei jedoch die eigene, dauerhafte Lebensstilveränderung, denn ohne die geht langfristig nichts, außer der Zeiger auf der Waage schnell wieder nach oben.“
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