Tübinger Forscherin erhält Preis zur Förderung der Arzneimittelqualität
Minderwertige und gefälschte Arzneimittel gefährden Millionen von Patient:innen, insbesondere in Ländern mit mittleren und geringen Einkommen. Dr. Cathrin Hauk von der Universität Tübingen untersuchte für ihre Dissertation verdächtige Arzneimittel und half, ihre Identifizierung zu erleichtern. Diese Arbeit wurde nun mit dem „Preis zur Förderung der Arzneimittelqualität“ ausgezeichnet. An der Universität Oxford will Hauk den Fälschungen weiter auf die Spur gehen.
Gefälschte und minderwertige Arzneimittel können einen falschen Wirkstoff enthalten, keinen Arzneistoff oder eine andere Menge als auf der Verpackung deklariert. Sie können Verunreinigungen aufweisen oder eine mangelhafte Freisetzung, wobei während der Darmpassage nicht genügend Wirkstoff aufgenommen wird.
Die Folge: Ein falscher, kein oder nicht genügend Wirkstoff kommt im Blutkreislauf der Patienten an. Die Erkrankungen bleiben ohne angemessene Therapie. Bei bakteriellen Infektionen drohen Resistenzen. Doch dafür, wie gefährlich und lukrativ der Handel ist, ist er lange Zeit kaum systematisch erfasst worden.
Dr. Cathrin Hauk forscht seit 2016 auf diesem Gebiet. Seitdem hat sich einiges getan. „Damals wurde noch nicht zwischen minderwertigen und gefälschten Arzneimitteln unterschieden“, sagt sie im Gespräch mit der DAZ. 2017 führte die WHO nach vielen Jahren der Kontroverse eine allgemeingültige Definition für „minderwertige“ und „gefälschte“ Arzneimittel ein. Das machte das Problem fassbarer und zugänglicher für die Forschung.
Schätzungen der WHO zufolge sind rund 10 Prozent der Arzneimittel in Ländern mit mittleren und geringen Einkommens minderwertig oder gefälscht. „Mit unserer Forschung konnten wir diese Schätzung weitestgehend bestätigen“, erklärt Hauk. „Dieser Wert schwankt – je nachdem, wo wir die Proben sammeln. Rund 1 Prozent der gesammelten Arzneimittelproben war nachweislich gefälscht.“
Stiftung ehrt Hauks Forschung
In ihrer Dissertation erforschte Cathrin Hauk Möglichkeiten, mit denen sich gefälschte und minderwertige Arzneimittel besser identifizieren und untersuchen lassen. Dafür erhielt sie nun den „Preis zur Förderung der Arzneimittelqualität“. Die Stiftung „Frankfurt Foundation Quality of Medicines“, gegründet von Dagmar Walluf-Blume und Henning Blume, vergab den Preis am 16. September dieses Jahres zum zweiten Mal. Die Stiftung lobt ihn gemeinsam mit der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft (DPhG) aus.
Hauk verfasste ihre Dissertation an der Eberhard Karls Universität Tübingen, Prof. Dr. Lutz Heide betreute die Arbeit. Im Zuge dessen veröffentlichte sie Publikationen zur Prävalenz von minderwertigen und gefälschten Arzneimitteln gegen bakterielle Infektionen und nicht-übertragbare Erkrankungen in Togo, der Demokratischen Republik Kongo und Kamerun. Für weitere Studien erarbeitete sie Standards, mit denen sich die Forschung besser vergleichen lässt.
Während der SARS-CoV-2-Pandemie konnte die Tübinger Arbeitsgruppe von Lutz Heide gefälschte Chloroquin-Präparate in zentralafrikanischen Ländern nachweisen. Ein wichtigstes Instrument für die Untersuchung vor Ort ist dabei das Minilab des Global Pharma Health Funds, eine portable Ausrüstung, mit der sich Arzneimittel mittels Dünnschichtchromatografie (DC) untersuchen lassen.
In Cathrin Hauks jüngstem Projekt entwickelte sie zusammen mit einem Informatiker die App „TLCyzer“. Mit dieser können Forscher vor Ort mit dem Smartphone standardisierte Fotos der DC-Analysen anfertigen. Das Programm liefert dann eine Schätzung zu der in der Probe enthaltenen Wirkstoffmenge.
Hauk plant weitere Forschungen in Oxford
Was das Schönste an der Forschung war? „Der Austausch mit anderen Forschenden, sei es in Ruanda oder in Japan“, sagt Hauk. Auch nach Abschluss der Dissertation in Tübingen forscht Hauk weiter zu gefälschten oder minderwertigen Arzneimitteln.
Seit April geht sie der Problematik in der Arbeitsgruppe von Prof. Paul Newton an der Universität Oxford auf die Spur. „Auf der Welt gibt es nicht viele Arbeitsgruppen, die sich mit gefälschten und minderwertigen Arzneimitteln beschäftigen“, sagt Hauk. Das Team von Paul Newton engagieren sich wie die Kollegen in Tübingen schon seit vielen Jahren auf dem Gebiet.
In Oxford versucht die Preisträgerin Hauk, den Handelsrouten der Fälscher auf die Schliche zu kommen. Dafür analysieren sie und ihr Team die Isotopenzusammensetzung von Hilfsstoffen, die sie in gefälschten Arzneimitteln finden. Auch will sie erforschen, welchen Einfluss gefälschte und minderwertige Antibiotika auf die Entwicklung von Resistenzen haben. Ist das schon Detektivarbeit? „Ja, das ist Detektivarbeit“, resümiert Hauk.
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