Stimmung in Ärzteschaft: KBV legt Horrorzahlen vor

Die Unzufriedenheit in der Ärzteschaft ist riesig. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung legte am Freitag Zahlen dazu vor: Über 60 Prozent der niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten denken darüber nach, vorzeitig aus der Patientenversorgung auszusteigen. Die Ergebnisse zeigen aber auch, wo der Schuh drückt. 

Im deutschen Gesundheitswesen brennt es: Im Oktober sendeten die freien Heilberufe aus der Bundespressekonferenz ein SOS in die Bundespolitik und die Bevölkerung. Das Gesundheitssystem werde an die Wand gefahren, so die Warnung. Das Ausmaß an Frust und Wut sei bei den Heilberuflerinnen und Heilberuflern präzedenzlos. 

An diesem Freitag meldete sich die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) mit Horrorzahlen zur Stimmung in der niedergelassenen Ärzteschaft und Psychotherapeutenschaft zu Wort. Demnach denken über 60 Prozent von ihnen darüber nach, vorzeitig aus der Patientenversorgung auszusteigen. Bei Haus- und Fachärzten sind es sogar um die 70 Prozent.

Auch wenn fast jeder der Befragten seine Arbeit als sinnvoll erachtet: Die Unzufriedenheit innerhalb der Ärzteschaft ist riesig. Über 90 Prozent klagen, dass sie wegen der administrativen und bürokratischen Aufgaben überlastet seien. Im Gegensatz dazu sagen nur etwas mehr als ein Viertel, dass ihnen genügend Zeit für ihre Patientinnen und Patienten zur Verfügung steht. Über 60 Prozent fühlen sich ausgebrannt – bei den Hausärztinnen und -ärzten sind es über 70 Prozent.

Gründe für die schlechte Stimmung lassen sich aus der Umfrage gut herauslesen: Nur 13,3 Prozent der Befragten sagen, dass ihre Leistungen in der Patientenversorgung angemessen honoriert werden. Nicht einmal fünf Prozent geben an, dass sie von Seiten der Politik eine angemessene Wertschätzung für ihre Arbeit wahrnehmen.

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Auf der anderen Seite klagen niedergelassene Ärzte und Psychotherapeuten über Probleme bei der Umstellung aufgrund der Digitalisierung. Fast 90 Prozent sagen, dass die Digitalisierungsmaßnahmen den Praxisablauf beeinträchtigen würden. Weitere brennende Fragen sind Nachwuchs- und Personalmangel und Regressgefahren. Über 70 Prozent der Befragten machen sich Sorgen Nachfolger zu finden. Über 60 Prozent gaben an, dass der Personalmangel sie in der Patientenversorgung einschränke.

Gefahr „zunehmender Versorgungslücken“

„Die Ergebnisse dieser Befragung übertreffen meine schlimmsten Erwartungen“, so der KBV-Vorstandsvorsitzende Andreas Gassen laut einer Pressemitteilung. Er sprach von einem Alarmsignal: „Wenn die Politik nicht reagiert, werden wir bereits ab dem kommenden Jahr zunehmende Versorgungslücken haben, nicht nur auf dem Land, sondern auch in den Städten.“

Die Vorsitzende der KBV-Vertreterversammlung, Petra Reis-Berkowicz, erklärte: „Ärzte und Psychotherapeuten wollen schlichtweg ihren Job machen – und das so gut wie möglich. Aber miserable Rahmenbedingungen bremsen sie an allen Ecken und Enden aus.“

„Kein Lobbyisten-Geschrei von Funktionären“

Der stellvertretende KBV-Vorstandsvorsitzende Stephan Hofmeister sagte zu den Zahlen, es lasse sich an ihnen „eindrucksvoll ablesen, dass unsere Forderungen kein Lobbyisten-Geschrei von Funktionären sind, wie es der Bundesgesundheitsminister zuweilen darstellen möchte“. Die Ergebnisse würden „die ganz realen Probleme und Sorgen der Praxen“ widerspiegeln. „Das ist eine veritable Krise.“

Mit Blick darauf, dass über 60 Prozent der ärztlichen und psychotherapeutischen Kolleginnen und Kollegen sich ausgebrannt fühlen, sagte KBV-Vorstandsmitglied Sibylle Steiner. „Es führt kein Weg daran vorbei: Die flächendeckende, wohnortnahe und qualitativ hochwertige ambulante Versorgung braucht gute und vernünftige Rahmenbedingungen.“

An der Online-Befragung der KBV in Kooperation mit dem Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) nahmen knapp 32.000 Vertragsärztinnen und -ärzte sowie -psychotherapeutinnen und -psychotherapeuten vom 19. Oktober bis 4. Dezember teil. Es war laut KBV die größte Ärztebefragung seit über zehn Jahren.


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