„Reserveantibiotika raus aus der industriellen Tierhaltung“

Anlässlich des heutigen Europäischen Antibiotika-Tages haben die Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation „Germanwatch“ und die „BUKO Pharma-Kampagne“ eine Kampagne initiiert, in deren Rahmen sich Prominente und Expert:innen sowie 25 Verbände aus Human- und Veterinärmedizin sowie Umwelt- und Tierschutz gemeinsam dafür aussprechen, Reserveantibiotika nicht mehr in der industriellen Tierhaltung einzusetzen. Auch Pharmazeut:innen sind dabei. Die Möglichkeit für ein Verbot in der Massentierhaltung sei jetzt vorhanden, heißt es.

Der Europäische Antibiotikatag findet alljährlich am 18. November statt. Konstantinos Tsilimekis, Leiter des Teams Welternährung, Landnutzung und Handel bei „Germanwatch“, ruft anlässlich des heutigen Antibiotika-Tages dazu auf, dass die EU-Kommission jetzt die Chance nutzen muss, den Gebrauch von Antibiotika, die von der Weltgesundheitsorganisation als „Antibiotika der höchsten Priorität“ eingestuft werden, so streng wie möglich zu regulieren. Die neue EU-Tierarzneimittelverordnung trete nächstes Jahr in Kraft und werde derzeit ausgestaltet. Außerdem erklärt er: „Das Gleiche gilt für die kommende Aktualisierung der Deutschen Antibiotika-Resistenzstrategie – hier muss die neue Bundesregierung unbedingt tätig werden.“ 

Zudem müsse die aktuelle Revision der EU-Tierschutzgesetzgebung genutzt werden, um vorbeugend mehr für die Tiergesundheit zu tun und so den breitflächigen Einsatz von Antibiotika unnötig zu machen.

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Auch Claudia Jenkes, Geschäftsführerin der BUKO Pharma-Kampagne erklärt anlässlich des Antibiotika-Tages: „Erste Erregerstämme, gegen die kein einziges Mittel mehr hilft, tauchen schon heute an verschiedensten Orten der Welt auf. Denn seit Jahrzehnten werden Antibiotika bei Mensch und Tier zu sorglos eingesetzt. Europa sollte durch eine strengere Regulierung mit gutem Beispiel vorangehen und seiner weltweiten Verantwortung gerecht werden. Schließlich landen mit resistenten Erregern belastete Tierprodukte weltweit auf dem Teller von Verbraucherinnen und Verbrauchern.“ Es gehe um die globale Gesundheit. 

Gemeinsam appellieren BUKO und Germanwatch also an die Europäische Kommission sowie an die zuständigen Ministerien in den Mitgliedstaaten, weitgehende präventive Maßnahmen zu ergreifen und sich dafür bietende Chancen – wie aktuell vor allem im tiermedizinischen Bereich – zwingend wahrzunehmen. 

Reserveantibiotika Reserve sein lassen

Prominente Unterstützung findet die Kampagne zum Beispiel durch Eckart von Hirschhausen, Arzt und Fernsehmoderator sowie Gründer der Stiftung „Gesunde Erde – Gesunde Menschen“: „Es gibt immer mehr resistente Keime. Expertinnen und Experten schätzen, dass zehn Millionen Menschen bis zum Jahr 2050 an diesen resistenten Keimen sterben könnten. Antibiotikaresistenzen sind eine der größten Herausforderungen für die globale Gesundheit. Daher fordern wir auf der europäischen und nationalen Ebene, Reserveantibiotika das sein zu lassen, was der Name sagt: Reserve. Sie sollten im Sinne eines One-Health-Ansatzes sinnvoll verwendet werden und nicht in der industriellen Tierhaltung zum Einsatz kommen.“

Die meisten Menschen sterben nicht am Infarkt, sondern am Infekt

Auch Jana Schroeder, Infektiologin und Chefärztin des Instituts für Krankenhaushygiene und Mikrobiologie der Stiftung Mathias-Spital, äußert sich deutlich: „Die meisten Menschen sterben nicht am Infarkt, sondern am Infekt! Wir müssen dafür Sorge tragen, dass diese wertvollen Medikamente auch in Zukunft noch ihre Wirksamkeit behalten und eingesetzt werden können.“

Sarah Wiener, Europaabgeordnete, Vorsitzende der AMR Interest Group im Europaparlament und Köchin erklärt: „Um Antibiotikaresistenzen wirkungsvoll vorzubeugen, müssen wir die Tierhaltung grundlegend reformieren und dieser Prozess muss zwingend mit der Zucht beginnen. Es braucht aber auch strengere Gesetze, vor allem für den Einsatz von Reserveantibiotika: Diese müssen ausschließlich den Menschen vorbehalten sein – mit strikten Ausnahmen nur für die Einzeltierbehandlung, zum Beispiel bei Haustieren.“ 

Kritische Stimmen kommen zudem von Tiemo Wölken, gesundheitspolitischer Sprecher der Europa-SPD und Co-Vorsitzender der Antibiotika-Fachgruppe im Europaparlament; ebenso von Rupert Ebner, Tierarzt für Tiere in der Landwirtschaft und Autor des Buches „Pillen vor die Säue“, und von Fred Willitzkat, praktizierender Tierarzt und Vorsitzender von Tierärzte im Notdienst International e.V..

Insgesamt wird der Appell von einem breiten Bündnis an Organisationen aus der Human- und Veterinärmedizin sowie dem Umwelt- und Tierschutz getragen und unterstützt: 

  • Ärzte gegen Massentierhaltung n.e.V. (Doctors against Factory Farming)
  • Ärztenetz Bielefeld e.V. Projekt Antibiotische Therapie in Bielefeld – AnTiB
  • Apotheker ohne Grenzen Deutschland e.V. | Pharmacists without borders Germany
  • BUKO-Pharma-Kampagne – Gesundheit und Dritte Welt e.V.
  • Compassion in World Farming EU
  • Cystic Fibrosis Europe
  • Deutsche Umwelthilfe e.V. (Environmental Action Germany)
  • Difäm – Deutsches Institut für Ärztliche Mission e.V. (German Institute for Medical Mission)
  • Germanwatch e.V.
  • Gesellschaft für ganzheitliche Tiermedizin e.V.
  • Greenpeace e.V.
  • Initiative Bielefelder Hausärzte
  • Liga für Hirtenvölker und nachhaltige Viehwirtschaft e.V. (League for Pastoral Peoples and Endogenous Development)
  • MEZIS Mein Essen zahl ich selbst – Initiative unbestechlicher Ärztinnen und Ärzte
  • MISEREOR e.V.
  • Missionsärztliches Institut (Medical Mission Institute)
  • MRSA Action UK
  • Mukoviszidose e.V. – Bundesverband Cystische Fibrose
  • Pestizid Aktions-Netzwerk e.V. (PAN-Germany)
  • PROVIEH e.V.
  • Stiftung gesunde Erde gesunde Menschen gGmbH
  • Tierärzte für verantwortbare Landwirtschaft e.V. (Veterinarians for Responsible Agriculture)
  • Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.
  • Verein demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten e.V.
  • Verein Demokratischer Ärztinnen und Ärzte e.V.

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