Recyclingansatz: Vom Müllstrudel zum Alzheimerwirkstoff?

Polyethylen ist der häufigste Kunststoff, der durch seine Beständigkeit ein großes Problem für die Umwelt darstellt. Unter anderem bestehen große Teile der Meeresmüllstrudel aus diesem Material. US-Forscher haben jetzt einen neuen Ansatz vorgestellt, mit dem sich Polyethylen-Kunststoffe zu nützlichen Ausgangsstoffen unter anderem für die Pharmazie upcyclen lassen.

Über 30 Prozent aller produzierten Kunststoffe sind Polyethylene. Diese vergleichsweise einfachen langkettigen Kohlenwasserstoffe, die aus unterschiedlich langen Polymeren des einfachen Alkens Ethen bestehen – und auch genauso per Katalyse und Druck hergestellt werden – finden sich etwa als Plastiktüten, Verpackungsfolien, Flaschen für Spül- und Waschmittel und vieles ähnliche mehr. Als HDPE oder LDPE, also High density oder Low density Polyethylen, sind sie gekennzeichnet mit den Recyclingcodes 2 (HDPE) und 4 (LDPE).

Das Recycling ist allerdings einer der kritischen Punkte für diese Kunststoffe – grundsätzlich ist es sortenrein recht gut möglich. Allerdings sind weltweit gesehen die Recyclingquoten dafür eher schlecht. Nur rund 14 Prozent werden recycelt und das meist in gleicher Form oder zu minderwertigeren Produkten. Aus Tüten werden wieder Tüten oder schlimmstenfalls in Kunststoffmischungen verpresste Produkte wie Bodenbeläge oder massenweise Parkbänke. 

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Spätestens in verklebter Form, etwa in Milchtüten mit Pappe und zum Teil Alufolie wird das Recycling fast unmöglich – stattdessen landet dann einiges von diesem Abfall in der Verbrennung. Denn zumindest verbrennt PE, das außer Kohlenstoff und Wasserstoff keine anderen Anteile aufweist, rückstandslos zu Kohlendioxid und Wasser. Allerdings mit entsprechend schlechter CO2-Bilanz, da das Ausgangsmaterial Ethen überwiegend aus Erdöl gewonnen wird.

Was nicht recycelt oder verbrannt wird, landet oft auch in der Umwelt. Da das leichte Material dann außerdem gut mit dem Wind in Flüsse eingetragen wird und sich mit seiner enormen Beständigkeit gegen die meisten Umwelteinflüsse bis zu 450 Jahre halten kann, besteht auch ein Großteil der fünf großen ozeanischen Müllstrudel aus Polyethylen-Abfall. Zeit also, sich Gedanken über ein sinnvolles Recycling dieses Kunststoffes zu machen.

27 Prozent chemische Ausbeute für biologisches Upcycling

Das dachten sich wohl auch die US-amerikanischen Forscher Travis Williams und Clay Wang an der University of Southern California in Los Angeles sowie Berl Oakley an der University of Kansas in Lawrence. Im Fachmagazin „Angewandte Chemie“ veröffentlichten sie jetzt ihren Ansatz, die Polyethylene zunächst chemisch und anschließend biologisch zu wertvollen Rohstoffen upzucyceln.

Realitätsnah sammelten die Forscher zunächst gemischte Plastikabfälle vom Catalina Beach im US-Bundestaat Kalifornien. Anschließend sortierten die Teams die Abfälle und führten die Polyethylen-Anteile zunächst einem chemischen Verfahren zu. Dabei erhitzten sie die zerkleinerten Kunststoffabfälle auf 150 Grad und setzten sie unter Einsatz von Katalysatoren unter aeroben Bedingungen so zu verschieden langen organischen Disäuren um. Als Katalysator dienten dabei Cobalt- und Mangan-Metallsalze sowie N-Hydroxyphthalimid.

Im ersten chemischen Schritt entstehen organische Disäuren

Chemische Ansätze, Polyethylen abzubauen, gebe es eine Reihe, schreiben die Autoren. Allerdings entstehe eben in der Regel ein Gemisch unterschiedlicher Bruchstücke, die das Produkt zu einem eher minderwertigen werden lassen. In diesem Fall war es den Forschern wichtig, dass das Resultat des katalytischen Abbaus im nächsten Schritt, der biologischen Aufarbeitung, verwendbar ist. Dazu trennten die Wissenschaftler die Katalysatoren aus der erhaltenen Disäuren-Fraktion und trennten diese auch noch nach der Länge der Säuren auf, da Disäuren mit vier bis acht Kohlenstoffatomen für den eingesetzten Modellorganismus im biologischen Schritt toxisch wirken. Die Forscher optimierten den Prozess daher auf Längen von zehn bis zwölf Kohlenstoffatomen. Allerdings seien auch die übrigen Disäuren als Ausgangsprodukt etwa für Biokunststoffe verwendbar.

Somit kam der Ansatz der Amerikaner auf eine Ausbeute von rund 27 Prozent verwendbaren Disäuren aus den aus dem Meer gefischten PE-Abfällen.

Schimmelpilze stellen aus Disäuren wertvolle sekundäre Metabolite her

Innovativ ist dann tatsächlich der nächste Schritt, bei dem die Wissenschaftler mithilfe eines gentechnisch veränderten Schimmelpilzes der Art Aspergillus nidulans aus den erhaltenen Disäuren Naturstoffe synthetisierten, die unter anderem als Ausgangsstoff für pharmazeutische Wirkstoffe dienen können. Es gebe viel Forschung zur chemischen oder biologischen Degradierung von Kunststoffen – sie aber in anders nutzbare Produkte umzuwandeln, sei bislang kaum erforscht worden, schreiben die Forscher.

Der verwendete Modellorganismus A. nidulans, produziert aus den längeren Disäuren im Fermenter schließlich die sekundären Metabolite Asperbenzaldehyd, Citreoviridin und Mutilin. Für Asperbenzaldehyd etwa gibt es Arbeiten, die belegen, dass es die Aggregation des Tau-Proteins in neuronalen Zellen verhindern kann.

Darüber hinaus sind diese sekundären Metabolite auch geeignet, um in weiteren Schritten zu anderen Wirkstoffen umgesetzt zu werden. Die Forscher erklären aber, dass sie hier nur ein „Proof of Concept“ vorgelegt haben. Grundsätzlich ließen sich etwa mit anderen Organismen oder anderen gentechnisch optimierten Biosynthesewegen auch andere Produkte aus dem Plastikmüll herstellen. „Zusammengenommen erhöht dieser Zwei-Schritt-Prozess den Katalog an Produkten, zu denen Polyethylene upgecycelt werden können, dramatisch auf Tausende sekundäre Metabolite“, schließen die Forscher.

Biologische Methoden und Upcycling im Forschungstrend

Auch für andere Kunststoffe finden sich zunehmend biologische Methoden. So veröffentlichten jetzt etwa Chemiker der Uni Leipzig um den Wissenschaftler Dr. Christian Sonnendecker im Fachmagazin ChemSusChem entsprechende Ergebnisse. Die Forscher fanden in einem Komposthaufen auf einem Leipziger Friedhof ein Enzym, das den Kunststoff Polyethylenterephthalat (PET) in seine Bestandteile Terephthalsäure und Ethylenglycol in großer Geschwindigkeit zersetzt. Innerhalb von 16 Stunden zersetzte das Enzym unter „Kompost-Bedingungen“ bei rund 60 Grad 90 Prozent des für Flaschen und Verpackungen eingesetzten Kunststoffs.

Einen anderen Ansatz, bei dem der Kunststoff Polystyrol chemisch katalytisch zum Produkt Diphenylmethan upgecycelt wird, stellten in diesem Jahr Forscher der Virginia Tech University im Fachmagazin PNAS vor. Diphenylmethan ist ein Ausgangstoff unter anderem für die pharmazeutische Industrie oder für Duft- und Farbstoffe.

Inwieweit die Methoden Eingang in das industrielle Recycling finden, ist noch unklar und hängt auch von der Wirtschaftlichkeit ab. Beim Polystyrol sehen Experten da noch Probleme, beim Polyethylen könnte das mit dem biologischen Ansatz aber durchaus gelingen.

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