Nackenschmerzen: Zugluft wirklich Auslöser für einen steifen Nacken? – Heilpraxis

Nackenschmerzen: Zugluft wirklich als Auslöser?

Gerade jetzt in der Corona-Pandemie wird empfohlen, immer wieder zu lüften. Das kann helfen, das Risiko einer Ansteckung mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 über Aerosole zu verringern. Doch viele Menschen meinen, durch die Zugluft, die dabei entsteht, läuft man Gefahr, sich einen „steifen Nacken“ zu holen. Ist diese Sorge aber wirklich berechtigt?

Wer kennt das nicht: Der Kopf lässt sich nur schlecht drehen, der Hals ist steif und die Schmerzen ziehen oft bis in die Schultern. Häufig sind Muskelverspannungen der Auslöser für Nackenschmerzen, beispielsweise nach langer Computerarbeit oder intensiver Handy-Nutzung. Doch auch Zugluft soll zu einem „steifen Nacken“ führen können. Stimmt das aber wirklich?

Lüften derzeit besonders wichtig

„Pass auf, dass du keinen Zug abbekommst.“ Diesen gut gemeinten Rat haben wohl schon viele Menschen bekommen. Die Empfehlung zielt auf die vermeintlichen Folgen von Zugluft ab: Nackenschmerzen und den vielbeschworenen „steifen Hals“.

Wie der Bundesverband selbstständiger Physiotherapeuten (IFK e. V.) in einer Mitteilung schreibt, ist das Thema derzeit sehr aktuell: Denn die gute Durchlüftung geschlossener Räume ist in Zeiten der Corona-Pandemie besonders wichtig.

Während die einen die Warnung vor Zugluft als „Ammenmärchen“ abtun, bereitet anderen jeder kleinste Lufthauch ein Unbehagen. Ist Zugluft also wirklich ein Problem für den Nacken?

„Ein einfaches „Ja“ oder „Nein“ reicht nicht aus: Neuere Erkenntnisse legen nahe, dass die physiologischen Grundlagen komplexer sind als bislang angenommen“, sagt die Physiotherapeutin und Vorsitzende des Bundesverbands selbstständiger Physiotherapeuten (IFK e. V.), Ute Repschläger.

Komplexer Mechanismus

Wie es in der Mitteilung heißt, wurde bislang davon ausgegangen, dass gerade der kaum merkliche, aber konstante Luftzug tückisch für die Muskulatur sein kann. Bei leichter Zugluft streicht die Luft über einzelne Körperstellen und das meistens über einen längeren Zeitraum.

Die Körperstelle kühlt aus und die Gefäße ziehen sich aufgrund der Kälte zusammen. Als Folge werden die Muskeln dann nicht mehr so gut durchblutet und in ihrer Funktion und ihrem Zusammenspiel eingeschränkt. Dieser Mechanismus wird als eine Ursache für Nackenschmerzen angesehen.

Neuere Studienergebnisse legen jedoch nahe, dass der angenommene Mechanismus komplexer ist. „Als Physiotherapeuten müssen wir uns den Zusammenhang von Muskelspannung und Schmerz anschauen“, sagt Repschläger.

Erste Erklärungsansätze liefert demnach eine aktuelle Studie, die die Muskelspannung bei Frauen mit Nackenschmerzen im Vergleich zu beschwerdefreien Frauen untersucht: „Subjektiv empfundene Nackensteifigkeiten und Schmerzen stehen nicht mit einer erhöht messbaren Muskelspannung in Verbindung“, erläutert Repschläger.

Im Durchschnitt zeigten alle Muskelschichten in der Schmerzgruppe – anders als erwartet – eine etwas geringere Steifigkeit als in der Gruppe ohne Nackenschmerzen Der Unterschied lag nicht in der für Therapeutinnen und Therapeuten tastbaren oberflächlichen Muskulatur, sondern in der Tiefe.

Warum Patientinnen und Patienten den Muskel als steif wahrnehmen, wenn dieser nicht messbar steif ist, ist aber noch nicht eindeutig geklärt.

Wärmeanwendung und Bewegung

Für die Patientinnen und Patienten steht zunächst der Schmerz im Vordergrund. Bei leichteren Beschwerden kann man versuchen, sich durch Wärmeanwendung sowie sanfte Dehn- und Bewegungsübungen selber zu helfen.

Der Bundesverband selbstständiger Physiotherapeuten (IFK e. V.) weist auf zwei einfache Übungen hin, die bei leichten Beschwerden helfen. Diese sollen nur ausgeführt werden, wenn Sie sich schon etwas bewegt haben, also nicht direkt nach dem Aufstehen. Die Bewegungen dürfen keinen Schmerz auslösen:

  • Setzen Sie sich auf einen Stuhl oder Hocker, achten Sie dabei auf eine aufrechte Körperhaltung. Winkeln Sie den linken Arm mit der Faust zur Schulter an, ziehen Sie die Schulter nach unten, drehen Sie den Kopf um 45 Grad nach rechts und schauen Sie zum Boden. Die Dehnung seitlich am Nacken wird noch verstärkt, wenn Sie die rechte Hand über den Kopf zum linken Ohr führen und den Kopf dabei leicht nach vorne und rechts unten ziehen. Halten Sie die Dehnung für mindestens 30 Sekunden und wiederholen Sie diese dann auf der anderen Seite. Führen Sie die Bewegungen stets langsam und bewusst durch.
  • Setzen Sie sich auf einen Stuhl oder Hocker und achten Sie auf eine aufrechte Körperhaltung. Legen Sie die Hände an Ihren Hinterkopf. Bewegen Sie das Kinn in Richtung Brust und formen Sie so ein Doppelkinn. Während der Rücken aufrecht und gerade bleibt, führen Sie den Kopf weiter Richtung Brust, bis Sie einen leicht ziehenden oder brennenden Dehnschmerz im Nacken verspüren. Halten Sie die Dehnung für mindestens 30 Sekunden. Führen Sie die Bewegungen langsam und bewusst durch.

Wenn die Problematik jedoch länger anhält, sollte professionelle Hilfe hinzugezogen werden. Eine Ärztin oder ein Arzt kann dann beispielsweise eine Verordnung für Physiotherapie ausstellen.

Wirkungsvolle Behandlungsoptionen können etwa eine passive Mobilisation, muskelentspannende Techniken sowie aktive Übungsprogramme sein. Insbesondere die Manuelle Therapie wird dabei gern eingesetzt.

Sich gar nicht oder nur eingeschränkt zu bewegen, ist laut den Fachleuten dagegen kontraproduktiv. Dann können die Beschwerden andauern oder sich sogar noch verschlimmern.

Muskulatur kräftigen

Wer den akuten Schmerz überstanden hat, sollte darüber nachdenken, mit Kräftigungsübungen fortzufahren – vor allem bei häufigem Auftreten von Nackenschmerzen.

„Nach diesen neueren Erkenntnissen können wir Physiotherapeuten nur empfehlen, die tiefere Muskulatur zu kräftigen. Dadurch kann die gesamte Muskulatur besser mit negativen Einflüssen jeglicher Art umgehen“, so Repschläger. (ad)

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