Mitarbeiterpakt – neue Honoraridee aus Schleswig-Holstein

Beim Deutschen Apothekertag wird die Hauptversammlung neben vielen erwartbaren Anträgen auch kreative neue Ideen zu diskutieren haben, insbesondere einen Mitarbeiterpakt zur besseren Honorierung des Apothekenpersonals. Der Antrag dazu kommt aus Schleswig-Holstein. Die DAZ sprach mit Kammerpräsident Dr. Kai Christiansen über die Idee. Aus diesem Gespräch mit DAZ-Redakteur Dr. Thomas Müller-Bohn ergeben sich weitere Überlegungen und Berechnungen. 

Der gemeinsame Antrag der Apothekerkammer und des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein sieht vor, die Honorierung der Apotheken zu erhöhen und das zusätzliche Geld vollständig für die Bezahlung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu verwenden. Dazu soll eine Vereinbarung zwischen der Apothekengewerkschaft Adexa und der Arbeitgeberorganisation ADA getroffen werden. Hintergrund ist der Fachkräftemangel in den Apotheken, der gemäß der Begründung des Antrags auch durch die Konkurrenz mit der pharmazeutischen Industrie und anderen Arbeitgebern entsteht. Die Einstiegsgehälter lägen dort außerhalb der Reichweite der Apotheken, die gestiegene Kosten nicht durch Preissteigerungen ausgleichen könnten.

Mehr Geld nur zur Finanzierung des Personals

Die Antragsteller sind hinsichtlich der Details offen für eine konstruktive Diskussion. Doch Dr. Kai Christiansen, Präsident der Apothekerkammer Schleswig-Holstein, nannte gegenüber der DAZ eine Voraussetzung: „Wesentlich ist, dass das Geld dauerhaft zur Verfügung steht.“ Daher biete sich die Finanzierung über einen zusätzlichen Fonds an, der aus einem Zuschlag auf Rx-Arzneimittel gespeist wird. Dies sei besser als eine Finanzierung über Haushaltsmittel des Bundes, über die jedes Jahr neu entschieden werde. Das Geld solle „1 zu 1“ für die Mitarbeiterhonorierung eingesetzt werden. Christiansen betonte, dass damit auch die zusätzlichen Lohnnebenkosten finanziert werden müssten. Es dürfe keine zusätzlichen Belastungen für die Apotheken geben. Eine naheliegende Idee sei, dass ein neuer Zuschlag in einen neuen Fonds fließt, über dessen Verteilung die Tarifpartner entscheiden. In der Arzneimittelpreisverordnung müsste dazu ein packungsabhängiger Zuschlag für einen Fonds zur Förderung der Angestellten in Apotheken verankert werden. Angesichts der Personalknappheit läge das im öffentlichen Interesse. Zugleich sollte die Autonomie der Tarifpartner gewahrt bleiben, weil der Gesetzgeber nur die Finanzierung regeln würde, während die Tarifpartner die Verteilung aushandeln würden.

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Fondsidee gegen Fehlanreize

Im Gespräch mit Christiansen wurde deutlich, dass dieser Weg vor problematischen Fehlanreizen schützt. So würden Mitarbeiter mit derselben Einstufung nach dem Tarifvertrag in allen Apotheken das gleiche Zusatzhonorar erhalten. Damit würde verhindert, dass Beschäftigte ihren Arbeitsplatz anhand der Umsatz- oder Mitarbeiterstruktur der jeweiligen Apotheke auswählen und dabei bevorzugt eine Apotheke mit viel Umsatz im Versand und wenig Personal wählen. Die von den Antragstellern verfolgten Ideen dürften damit nur über einen Fonds umsetzbar sein. Das Geld müsste also nach einem einheitlichen Mechanismus auf der Grundlage der Personalmeldungen an die jeweilige Kammer auf alle Begünstigten verteilt werden und nicht getrennt in jeder einzelnen Apotheke. Wie viel Geld an welche Berufsgruppen fließt, wie mit Teilzeitbeschäftigten umzugehen ist und welche Bedingungen sonst noch zu erfüllen sind, müssten die Tarifpartner vereinbaren. Das alles erinnert etwas an den Kollektivvertrag für die Bezahlung der Apotheker in österreichischen Apotheken. Dort erhalten die Apotheker in allen Apotheken über eine gemeinsame Gehaltskasse einheitliche Gehälter, die von der Zahl der Berufsjahre abhängen.

7,6 Cent mehr pro Rx-Packung für jeden Prozentpunkt mehr Gehalt

Der Antrag für den Deutschen Apothekertag enthält keine Angaben über die angestrebte Höhe der zusätzlichen Honorierung. Dazu sind einige Rechnungen angebracht: Christiansen blickt bei seinen Überlegungen nur auf die tarifvertraglich erfassten Apothekenberufe. Für eine grobe Abschätzung sollen hier aber die gesamten Personalkosten herangezogen werden, weil diese aus dem Wirtschaftsbericht der ABDA bekannt sind. Im Jahr 2021 betrugen die Personalkosten der Apotheken 9,7 Prozent von Nettoumsatz, also etwa 299.000 Euro für eine Durchschnittsapotheke. Jedes zusätzliche Prozent Personalkosten und damit auch jedes zusätzliche Prozent Gehalt für die Beschäftigten würden demnach eine Durchschnittsapotheke etwa 3.000 Euro pro Jahr kosten. Im Jahr 2021 hat der Nacht- und Notdienstfonds etwa 725 Millionen Rx-Packungen abgerechnet, also im Durchschnitt etwa 39.300 Rx-Packungen pro Apotheke. Damit entspricht ein Gehaltszuwachs von einem Prozent einem zusätzlichen Zuschlag von 7,6 Cent auf jede Rx-Packung. Ein Zuschlag von 20 oder 21 Cent wie für die pharmazeutischen Dienstleistungen oder den Notdienst würde also nicht einmal 3 Prozent mehr Gehalt bringen – und das bei über 7 Prozent Inflation.

Pragmatischer Ansatz

Für Christiansen geht es um mehr. Die Apotheken sollen hinsichtlich des Gehalts wenigstens ansatzweise mit der Industrie, den Krankenkassen und anderen Arbeitgebern konkurrieren können. Angesichts der mittlerweile beachtlichen Gehaltsunterschiede zu anderen Bereichen ergab sich im Gespräch mit Christiansen ein Zusatzentgelt in Höhe von 25 Prozent des bisherigen Gehalts als anzustrebende Größenordnung. Mit den obigen Zahlen würde das einen Zuschlag von 1,90 Euro auf jede Rx-Packung erfordern, also fast das Zehnfache der Zuschläge für den Notdienst oder die Dienstleistungen. Das erscheint politisch schwierig, aber der über lange Zeit gewachsene Gehaltsunterschied zu anderen Arbeitgebern in Verbindung mit einer Rekordinflation stellt eine Sondersituation dar. Eine Honorierung, die nicht auf einen unternehmerischen Gewinn zielt, läuft zwar dem Wesen einer marktwirtschaftlichen Ordnung zuwider, aber hier geht es um zusätzliches Geld und um die politische Kraft einer pragmatischen Idee – und letztlich zählt jeder Euro. Diese Überlegungen führen zurück zur wesentlichen Botschaft, die Christiansen mit dem Antrag verbindet: Es geht nicht um eine plumpe Forderung nach mehr Geld, sondern um die Mitarbeiter, ohne die das Versorgungssystem nicht zukunftsfähig ist.

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