Luftverschmutzung könnte Corona-Ausbrüche begünstigen

Schweizer Forscher haben lokale Feinstaubbelastungen mit einer erhöhten Ausbreitung von SARS-CoV-2 und Mortalität bei COVID-19 in Verbindung gebracht. Sie raten für künftige Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung auch Wetterlagen zu berücksichtigen, die hohe Feinstaubwerte begünstigen.

Dass verpestete Luft ungesund ist, dürfte niemanden überraschen. Bei hohen Werten von Feinstaub mit einem aerodynamischen Durchmesser von weniger als 2,5 Mikrometern (PM2,5) in den erdnahen Luftschichten werden mehr Menschen mit akuten Atemwegserkrankungen behandelt. Weil PM2,5 aufgrund der geringen Partikelgröße tief in die Atemwege eindringen kann, birgt es ein gesundheitliches Risiko, wenn hohe Werte in erdnahen Luftschichten zu verzeichnen sind.

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Schweizer Forscher untersuchten nun den Zusammenhang zwischen hohen Feinstaubwerten (PM2,5) und dem plötzlichen Anstieg der Hospitalisierungen und Sterberaten unter COVID-19. Für die Studie, die im Journal „Earth Systems and Environment“ veröffentlicht wurde, kooperieren Wissenschaftler der Universität Genf mit Meteodat, einem Spin Off-Unternehmen der ETH Zürich. Dafür stellten sie die täglich an Wetterstationen ermittelten Feinstaubwerte den lokalen Krankenhauseinweisungen und Todeszahlen durch COVID-19 in Paris, London, dem Schweizer Kanton Tessin und der kanarischen Insel Teneriffa gegenüber.

Die Gruppe um den Klimatologen Mario Rohrer vertritt die Hypothese, dass der Grad an Luftverschmutzung – gemessen an der PM2,5-Konzentration in erdnahen Luftschichten – eine höhere Prävalenz und Sterblichkeit im Zusammenhang mit COVID-19 begünstigt. Feinstaub kann vom Menschen verursacht sein, im europäischen Raum können zudem Sahara-Sandstürme den Spitzenwerten zugrunde liegen.

Inversionswetterlagen und Sahara-Sandstürme beachten

Die Studienautoren sehen einen Zusammenhang zwischen dem COVID-19-Ausbruch Ende Februar auf Teneriffa und einem starken Sahara-Sandsturm, der auch die kanarische Insel erreichte. Die Autoren argumentieren, dass bei Sahara-Sandstürmen verbreitete Schimmelpilzsporen zu einer höheren Virulenz von SARS-CoV-2 beitragen könnten.

Die Forscher ziehen auch Parallelen zwischen der enormen COVID-19-assoziierten Mortalität in London zwischen März und Mai 2020 und hohen Feinstaubwerten, die am 26. März und 9. April gemessen wurden. Bereits in den 1960er-Jahren beobachteten Londoner Wissenschaftler, dass bei Perioden von starkem Smog mehr Menschen an Grippe-ähnlichen viralen Infekten erkranken als sonst.

Im Tessin stiegen Ende Februar 2020 die Infektionszahlen und die Mortalität bei COVID-19 kurz nach einer Inversionswetterlage. Bei Inversionswetterlagen sind höhere Luftschichten wärmer als untere, sodass die Luftzirkulation zwischen den Schichten ausbleibt. Inversionswetterlagen in Gegenden, wo viel Feinstaub emittiert wird, führen zu erhöhten Feinstaubwerten. Die Studienautoren räumten jedoch ein, dass der sprunghafte Anstieg der Infektionszahlen im Tessin nach der Inversionswetterlage auch auf Fasnachtsveranstaltungen zurückgeführt werden kann, die 150.000 Menschen besuchten.

Die Schweizer Wissenschaftler kommen zu dem Schluss, dass zur Eindämmung der Pandemie auch Wettersituationen berücksichtigt werden sollten, die Feinstaub-Spitzenwerte begünstigen – vor allem Inversionswetterlagen und Saharastürme. „Um künftige Lockdowns zu vermeiden, sollten spezifische und kurzeitige Messungen bei speziellen Wettersituationen erwogen werden, um neue COVID-19-Herde einzugrenzen.“ Zudem müssten sich weitere Forschungsdisziplinen der Problematik widmen, um die These zu bestätigen, so die Autoren.

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