Keine Reaktion nach der Corona-Impfung – bin ich trotzdem geschützt?
Impfreaktionen wie Kopfschmerzen und Fieber gelten als Hinweis auf die Immunantwort des Körpers. Das wirft die Frage auf, ob auch diejenigen gegen Covid geschützt sind, die nach der Impfung keine Nebenwirkungen bemerken. FOCUS Online erklärt die Hintergründe zur Immunität nach der Impfung.
Kopfschmerzen, Fieber, ja sogar Schüttelfrost beklagt so mancher Frischgeimpfte in den Tagen nach dem meist langersehnten Pieks. Wer nach seiner Covid-19-Impfung über Nebenwirkungen leidet, wird oft damit vertröstet, diese als Zeichen der Immunantwort zu betrachten.
Die Erklärung: Wer Nebenwirkungen hat, bei dem springt das Immunsystem an, bildet Antikörper und ist künftig in der Lage, das Virus zu bekämpfen. Dreht man diesen Fakt um, könnte allerdings der Eindruck entstehen, dass all diejenigen, die keine Nebenwirkungen spüren, nicht geschützt sind.
Wirkt die Impfung auch ohne Nebenwirkungen?
Dieser Umkehrschluss ist aber falsch. „Es ist nicht so, dass wenn Sie gar nichts spüren, Ihr Immunsystem die Impfung komplett ignoriert und gar nicht reagiert hat“, erklärt etwa Immunologe Carsten Watzl im „SWR“. Stattdessen zeigten Studien bei anderen Impfstoffen, dass es keinerlei Unterschied beim Impfschutz zwischen den Leuten gibt, die stark und denjenigen, die kaum oder gar nicht reagiert haben.
Das betont auch Veenu Manoharan, Dozentin für Immunologie an der Cardiff Metropolitan University. „Nebenwirkungen von Impfstoffen sollten nicht als Maß für die Wirksamkeit des Impfstoffs herangezogen werden“, erklärt die Wissenschaftlerin in einem Gastbeitrag auf der Plattform „The Conversation“. Trotz der unterschiedlichen Immunantwort auf Impfstoffe würden die meisten Menschen bei der Impfung eine Immunität gegen das Coronavirus erreichen, unabhängig vom Vorhandensein, Fehlen und der Schwere der Nebenwirkungen.
Als Beispiel nennt sie die Zulassungsstudien der Impfstoffhersteller. „Die von Pfizer (Biontech) durchgeführten klinischen Impfstoffstudien zeigen, dass 50 Prozent der Teilnehmer während der Studie keine signifikanten Nebenwirkungen hatten, 90 Prozent der Teilnehmer jedoch eine Immunität gegen das Virus entwickelten.“ Bei Moderna habe die Studie ergeben, dass nur jeder Zehnte Nebenwirkungen habe, der Impfstoff jedoch 95 Prozent derjenigen schütze, die ihn gespritzt bekommen.
Wie entsteht die Immunreaktion?
Die Immunologin führt in ihrem Beitrag außerdem aus, wie eine Immunreaktion zustande kommt und warum es Unterschiede bei verschiedenen Personen gibt. Demnach entsteht eine Immunreaktion im Zusammenspiel zwischen dem angeborenen und dem erworbenen Immunsystem.
- Das angeborene Immunsystem reagiere im ersten Moment unspezifisch und gegen alle Fremdkörper gleichermaßen, etwa mit Schleim auf den Schleimhäuten oder Fieber als Entzündungszeichen.
- Das erworbene Immunsystem komme hingegen zum Einsatz, wenn Erreger diese erste Hürde überwinden. Es reagiere stattdessen spezifisch auf den jeweiligen Eindringling. Dafür ist es laut Manoharan aber in vielen Fällen nötig, zunächst spezifisch Antikörper zu bilden, um den Erreger auch spezifisch zu bekämpfen.
Wird eine Person nun geimpft, greift laut Manoharan zunächst das angeborene Immunsystem ein. Das nach der Impfung gebildete Spike-Protein von Sars-Cov-2 löse eine Entzündung aus, die zu Schmerzen an der Einstichstelle oder in einigen Fällen auch zu Fieber führen könne. Damit werde der Erreger aber zunächst nur bekämpft wie jeder andere.
Die dauerhafte und gegen Covid-19 spezifische Immunität entstehe hingegen erst dann, wenn der Körper auch spezifische Antikörper und T-Zellen gebildet habe. Dies geschehe durch das erworbene Immunsystem. Es kann laut Manoharan zwar selbst keine Entzündungsreaktion hervorrufen, die ohnehin ausgelöste aber deutlich verstärken. Daher komme es bei Betroffenen oft mit leichter Verzögerung, etwa ein bis zwei Tage nach der Impfung noch zu Nebenwirkungen. Allerdings könne dieser Prozess auch ohne spürbare Symptome ablaufen. dpa So wirken die Impfstoffe gegen Covid-19
Warum reagieren Menschen unterschiedlich auf Impfung?
Der Immunologin zufolge unterscheidet sich im Allgemeinen die Impfreaktionen von Jüngeren und Älteren sowie bei Männern und Frauen: Personen über 65 Jahren und Männer bemerkten seltener Nebenwirkungen. Dieser Alterseffekt habe damit zu tun, dass die Immunaktivität mit dem Alter langsam nachlässt. Ältere entwickelten also auch nach der Impfung in der Regel einen niedrigeren Antikörperspiegel. Allerdings „haben sie immer noch Immunität gegen das Virus“, wie Manoharan betont.
Eine US-Studie habe ergeben, dass 79 Prozent der Berichte über Nebenwirkungen von Frauen stammten. Die Wissenschaftlerin schließt darauf, dass das Geschlechtshormon Testosteron damit in Zusammenhang stehen könnte. Männer hätten mehr Testosteron als Frauen, das Hormon neige dazu, Entzündungen und damit auch Impfreaktionen zu dämpfen.
Außerdem könnten Menschen, die an chronisch entzündlichen Erkrankungen wie rheumatoider Arthritis, entzündlichen Darmerkrankungen und Multipler Sklerose leiden und immunsuppressive Medikamente zur Kontrolle ihrer Symptome einnehmen, ebenfalls seltener Nebenwirkungen bemerken. Die Entzündungsreaktion ihres Körpers werde durch die Medikamente häufig gedämpft. Auch hier bedeute die fehlende Impfreaktion aber nicht, dass die Impfung nicht wirke. Studien hätten gezeigt, dass diese Personen im Vergleich zwar niedrigere Antikörperniveaus hatten – „aber keiner von ihnen wies keine antiviralen Antikörper auf“.
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Lässt sich die Immunität nachweisen?
Relevant für die Immunantwort ist laut Experten die Höhe des Antikörperspiegels. Das erklärte auch Virologe Friedemann Weber im Gespräch mit FOCUS Online. Wissenschaftler betrachten hierbei den sogenannten Antikörper-Titer. Dieser Titer beschreibt die Menge der Antikörper, die gerade noch eine biologische Reaktion hervorruft, also die Mindestmenge. Sie wird laut Weber stets als die höchste Verdünnungsstufe der Lösung im Labor angegeben, bei der die Reaktion gerade noch auftritt.
Wie hoch dieser Wert sein muss, um gegen eine Covid-Erkrankung zu schützen, ist laut Weber bislang noch nicht festgelegt. Schätzungen gehen aber von einem Verhältnis von etwa 1:100 aus.
Wer also wissen möchte, ob die Impfung angeschlagen hat und die Immunantwort erfolgt ist, kann seinen Antikörper-Spiegel überprüfen lassen. Dazu gibt es Antikörper-Tests. Diese können den Anstieg der spezifischen, Sars-CoV-2 neutralisierenden Antikörper nachweisen. Da der Körper etwas Zeit braucht, um Antikörper zu bilden, sollte der Test frühestens sieben Tage nach der zweiten Impfung erfolgen. Notwendig dafür ist eine Blutprobe, welche Sie sich allerdings auf eigene Kosten, etwa beim Hausarzt entnehmen lassen können. Hinzu kommen die Kosten für die Durchführung des Tests in einem Labor. Insgesamt sollten Sie für die Bestimmung Ihres Antikörperspiegels zwischen 40 und 80 Euro einkalkulieren.
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