Gesundheitskioske in Thüringen setzen auf Telemedizin – Videosprechstunden auch mit Apotheken?

Vier neue Gesundheitskioske sollen in ländlichen Regionen Thüringens die Telemedizin voranbringen. Geplant sind neben Facharztsprechstunden per Video auch Online-Beratungen durch Apotheken. Was sagt der örtliche Apotheker dazu?

Der erste Thüringer Gesundheitskiosk hat vor wenigen Tagen in der Gemeinde Urleben geöffnet. Für den Kiosk wurde ein neuer Holzbau direkt an einer Bushaltestelle errichtet. Eine Bank an der Außenwand ersetzt das Wartehäuschen, drinnen können sich die Bewohner zu Gesundheitsfragen beraten lassen. Nachdem bereits in Hamburg, Aachen und Essen Gesundheitskioske ins Leben gerufen wurden, ist der Urlebener Kiosk die erste Einrichtung dieser Art in den neuen Bundesländern. 

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Noch drei weitere sollen bald im Unstrut-Hainich-Kreis aufmachen, einer ländlichen Region nordwestlich von Erfurt. Das Konzept ähnelt dem der bereits bestehenden Einrichtungen, es gibt aber auch ein Alleinstellungsmerkmal der Thüringer Kioske: Sie werden telemedizinische Sprechstunden anbieten. „Das gibt es bisher noch nirgendwo in Deutschland“, sagt Christopher Kaufmann, einer der Projekt-Verantwortlichen.

Kaufmann engagiert sich schon länger dafür, die Gesundheitsversorgung in der Region zu verbessern. Er ist Vorsitzender des Vereins „Landengel“, der einen Fahrservice anbietet, um Menschen ohne eigenes Auto in die Stadt zum Arzt zu bringen. Bis zu 40 Patienten pro Tag würden die Fahrdienste transportieren und dabei gut 800 Kilometer Strecke zurücklegen, sagt Kaufmann. Ein großer Aufwand für Fahrer wie Patienten. Deshalb hatte Kaufmann die Idee, Videosprechstunden zu nutzen. „Telemedizin kann die Ärzte entlasten und Wege einsparen, was den Patienten und der Umwelt zugutekommt.“ Auf dem Land gebe es nur sehr wenige Fachärzte. Hier, glaubt Kaufmann, könnte die Telemedizin eine Lösung sein.

Zusammen mit dem Unternehmen Optimedis aus Hamburg, das den ersten deutschlandweiten Gesundheitskiosk in Billstedt-Horn geplant hatte, entwickelte Kaufmann ein Konzept: Telemedizinische Sprechstunden sollten in das Angebot von Gesundheitskiosken integriert werden, um niedrigschwellig zugänglich sein. Auch für all diejenigen, die ansonsten die technischen Hürden scheuen oder kein schnelles Internet zu Hause haben.

Gemeindeschwestern betreuen Patienten

Der Kiosk in Urleben wird von Fachkräften betreut, die Kaufmann „Gemeindeschwestern“ nennt. Die gibt es in ganz Thüringen bereits seit einiger Zeit: Im Rahmen des Landesprojekts „Agathe“ machen Berater und Beraterinnen Hausbesuche, die eine Ausbildung in Sozialpädagogik, Gesundheitspädagogik, im medizinischen Bereich oder in einem Pflegeberuf haben. Im neuen Gesundheitskiosk sind Agathe-Berater nun regelmäßig vor Ort und für jeden ansprechbar. 

Zusätzlich sollen sie die geplanten Videosprechstunden beim Arzt organisieren und begleiten. Auch eine einfache Diagnostik wie die Bestimmung des Blutdrucks oder Blutzuckermessen soll im Kiosk stattfinden können. „Im Idealfall könnten die Daten dann direkt an den zuständigen oder telemedizinisch zugeschalteten Arzt weitergeleitet werden“, sagt Kaufmann. Die Arbeit des Kiosks in Urleben läuft gerade erst an, er hat zunächst einige Stunden pro Woche geöffnet. Langfristig soll der Kiosk aber acht Stunden täglich besetzt sein.

Kooperation mit Apotheken geplant

Eine Kooperation sei auch mit Apotheken geplant, sagt Kaufmann. Er kann sich zum Beispiel vorstellen, PTA genau wie die Ärzte per Video in den Gesundheitskiosk zuzuschalten. Diese könnten Patienten über Medikamente informieren, die ihnen verschrieben wurden, und zudem besser mit ihnen abstimmen, ob diese vorrätig oder wann dieses lieferbar sind. So würden weitere Wege gespart. „Und auch für die Apotheken ist das von Vorteil, weil sie so besser planen können“, sagt Kaufmann. 

Auch Optimedis nennt als eines der Ziele der Kioske, „Akteure der Region aus dem Gesundheits- und Sozialwesen“, also „zum Beispiel Arztpraxen, Apotheken oder soziale Einrichtungen“ miteinander zu vernetzen. Wo es sinnvoll sei, würden dabei digitale Lösungen eingesetzt.

Apotheker vor Ort ist skeptisch

Eckhard Gast ist Apothekeninhaber in der Region. Er sieht noch nicht, wie er sich in das Projekt einbringen könnte. Zwar habe es in der Vergangenheit Gespräche mit den Verantwortlichen gegeben, aber noch kein konkretes Angebot, wie eine Zusammenarbeit gestaltet werden könnte. Die Verfügbarkeit von Medikamenten lasse sich einfach und schnell abfragen, dafür sei keine Video-Sprechstunde nötig. 

Auch findet Gast es nicht notwendig, Medikamentenchecks in den Kiosken anzubieten: „Das ist eine Leistung, die wir hier vor Ort in der Apotheke anbieten und inzwischen auch abrechnen können“, sagt Gast. Er habe keine Kapazitäten, um jemanden abzustellen, der dies im Kiosk anbieten würde. Bei Zwangsrabatten und steigenden Betriebskosten stelle sich zudem auch die Frage der Wirtschaftlichkeit, wenn Apotheker mit dem Kiosk zusammenarbeiten sollen. Eine Idee, um auf dem Land die Versorgung mit Medikamenten zu erleichtern, gebe es übrigens schon: Patienten können ihre Rezepte in einer Rezept-Sammelstelle einwerfen, diese werden dann an die Apotheken gefaxt und den Patienten nach Hause geliefert.

Overwiening: „überflüssige Parallelstruktur“

Auch die ABDA hatte das Konzept der Gesundheitskiosks erst vor kurzem kritisiert. ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening nannte sie eine „überflüssige Parallelstruktur“ in der Geld verbrannt werde. Stattdessen sollten besser die Apotheken gestärkt werden. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hingegen will das Modell bundesweit ausbauen und in erster Linie durch die Krankenkassen finanzieren lassen. 

Auch von deren Seite gab es aber bereits Protest. In den Hamburger Gesundheitskiosken, die Lauterbach vor kurzem öffentlichkeitswirksam besucht hatte, zogen sich danach sogar drei Krankenkassen aus der Finanzierung zurück. Womöglich, um ein Zeichen zu setzen, dass sie Gesundheitskioske nicht bundesweit finanzieren wollen. Die Thüringer Kioske werden bisher noch überwiegend aus Landesmitteln finanziert. Ob und wie stark sich die Krankenkassen beteiligen werden, ist noch nicht klar.

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