Forscher zeigten: Diabetes-Medikament hilft bei Herzschwäche

Medikament zur Behandlung von Diabetes hilft bei Herzschwäche

Deutsche Forscher konnten erstmals zeigen, dass ein bestimmtes Diabetes-Medikament den menschlichen Herzmuskel beeinflusst und die Herzfunktion verbessert. Nun bestehe Hoffnung auf eine Therapie der Herzschwäche mit erhaltener Pumpfunktion. Derzeit gibt es für diese Erkrankung keine Behandlung, die an den Ursachen ansetzt.

Rund zwei Millionen Deutsche leiden an Herzschwäche

Gesundheitsexperten zufolge stellt die chronische Herzinsuffizienz (Herzmuskelschwäche bzw. Herzschwäche) in der westlichen Gesellschaft aufgrund ihrer Häufigkeit, Sterblichkeit und Krankenhausaufnahme eine zunehmende Herausforderung dar. Sie ist mit einem langem Krankheitsverlauf, hohem Leidensdruck und schlechter Prognose für die Patienten verbunden. Laut Fachleuten sind allein in Deutschland fast zwei Millionen Menschen betroffen. Als Folge dieser Erkrankung ist das Herz nicht mehr in der Lage, den Körper ausreichend mit Blut und Sauerstoff zu versorgen. Forscher stellten nun fest, dass Betroffenen ein Diabetes-Medikament helfen könnte.

Was Betroffenen helfen kann

In den vergangenen Jahren wurde immer wieder über neue Ansätze zur Behandlung von Herzschwäche berichtet.

So stellten etwa Forscher der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) fest, dass manchen Patienten mehr Eisen helfen könnte, da es das Herz belastbarer macht.

Und Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) konnten nun zeigen, dass ein Diabetes-Medikament für Betroffene von Vorteil sein kann.

Die Ergebnisse der Forscher wurden im „European Journal of Heart Failure“ veröffentlicht.

Medikament reduzierte die Sterberate

Wie das DZKH in einer Mitteilung schreibt, ist der Wirkstoff Empaglifozin in Deutschland für die Behandlung des Diabetes mellitus Typ II bei Erwachsenen zugelassen.

In der EMPA-REG OUTCOME-Studie wurde nun die Wirkung von Empaglifozin bei Diabetes-Patienten untersucht, bei denen außerdem eine Herz-Kreislauf-Erkrankung vorlag.

Überraschenderweise reduzierte das Medikament in dieser Studie sowohl die Sterberate insgesamt, als auch die Anzahl der durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursachten Todesfälle um jeweils mehr als 30 Prozent.

Zudem sank die Anzahl der Krankenhausaufenthalte aufgrund einer Herzschwäche um 35 Prozent.

Diese positiven Effekte zeigten sich bereits nach zwei Monaten und waren für Professor Samuel Sossalla von der Universitätsmedizin Göttingen und vom Universitätsklinikum Regensburg Anlass anzunehmen, dass etwas direkt am Herzmuskel passiert und sich diesen genauer anzuschauen.

„Würde Empagliflozin indirekt wirken und sekundäre Risikofaktoren beeinflussen, etwa den Blutdruck oder Cholesterinwerte, würde es Jahre dauern, bis man einen Effekt sieht“, erklärte DZHK-Wissenschaftler Sossalla.

Forscher arbeiteten mit explantierten Herzen

Den Angaben zufolge haben Sossalla und seine Mitarbeiter mit explantierten menschlichen Herzen gearbeitet, die Herzschwäche-Patienten entnommen wurden, wenn sie ein Spenderherz erhielten.

Genauer gesagt an daraus präparierten Muskelstreifen, die man sich wie ein schlagendes Stück Herz im Labor vorstellen kann.

„Wenn wir diese Herzmuskelstreifen mit Empagliflozin behandelt haben, verbesserte sich die Entspannungsfähigkeit des Herzmuskels “, so Dr. Steffen Pabel, Postdoc in der Arbeitsgruppe von Sossalla.

„Die Schlagkraft des Herzens, also seine Fähigkeit sich zu kontrahieren, blieb hingegen unverändert.“ Die Wirkung von Empagliflozin auf die Entspannungsfähigkeit war dabei unabhängig davon, ob zusätzlich eine Diabetes-Erkrankung vorlag oder nicht.

Derzeit steht keine ursächliche Therapie zur Verfügung

Wie in der Mitteilung erklärt wird, ist die Entspannungsfähigkeit des Herzens bei Patienten mit Herzschwäche mit erhaltener Pumpfunktion beeinträchtigt. Die Hälfte aller Herzschwäche-Patienten leidet demnach an dieser Form der Herzschwäche.

Die linke Herzkammer ist dabei so verdickt und steif, dass sie sich in der sogenannten diastolischen Phase nicht mehr ausreichend weiten und mit Blut füllen kann.

Dadurch gelangt bei der anschließenden Kontraktion des Herzens, der systolischen Phase, nicht mehr genügend sauerstoffreiches Blut in den Körper.

Für diese Herzschwäche gibt es derzeit keine Therapien, die die Ursachen der Erkrankung bekämpfen. Medikamente können lediglich die Beschwerden der Patienten mildern.

Auswirkungen auf den menschlichen Herzmuskelstreifen

Sossalla konzentriert sich mit seiner Arbeitsgruppe auf translationale Projekte, also Arbeiten, die dazu beitragen, dass Ergebnisse aus dem Labor auch tatsächlich bei den Patienten ankommen.

„Hier haben wir es jetzt mit dem umgekehrten Weg zu tun“, sagte Sossalla. „Ergebnisse aus der Klinik führen zurück ins Labor, um die beobachtete Wirkung überhaupt zu verstehen.“

Der Vorteil der in vitro Untersuchungen im Gegensatz zu klinischen Studien mit Patienten, liegt für ihn klar auf der Hand:

„An isolierten Herzmuskelzellen können wir sehen, ob der Herzmuskel direkt beeinflusst wird. Auswirkungen auf das Herz, die bei Patienten beobachtet werden, könnten auch immer indirekte Effekte sein.“

Die an den menschlichen Herzmuskelstreifen beobachtete Wirkung von Empagliflozin konnten die Wissenschaftler auch an Herzen von Mäusen mit und ohne Diabetes bestätigen.

Mechanismus für die erhöhte Entspannungsfähigkeit des Herzmuskels

Bei der Herzschwäche mit erhaltener Pumpfunktion sind an bestimmte kontraktile Proteine des Herzmuskels signifikant weniger Phosphatgruppen angehängt als in einem gesunden Herzen.

Bei ihren Untersuchungen zum Wirkungsmechanismus konnten die Forscher zeigen, dass sich direkt nach der Gabe von Empagliflozin die Phosphorylierung genau dieser kontraktilen Proteine wieder deutlich erhöhte.

„Diese erstmals nachgewiesene Wirkung von Empagliflozin erklärt, warum die Entspannungsfähigkeit des Herzmuskels wieder zunimmt“, so Pabel.

Einen anderen denkbaren Mechanismus für die erhöhte Entspannungsfähigkeit, die Veränderung der Konzentration von Kalzium-Ionen im Herzmuskel, konnten die Experten experimentell ausschließen.

Denn nach der Gabe von Empagliflozin veränderte sich diese Konzentration in isolierten menschlichen Herzmuskelzellen nicht.

An sogenannten Stammzell-Herzmuskelzellen, die über Monate im Labor kultiviert werden können, will die Arbeitsgruppe nun mehr über den Wirkungsmechanismus herausfinden und auch darüber, wie Empagliflozin langfristig wirkt.

Denn bis jetzt haben sie nur den akuten Effekt beobachtet – länger als 48 Stunden überleben isolierte Herzmuskelzellen im Labor nicht. (ad)

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