EU-Arzneimittelbehörde hält Astrazeneca-Impfstoff für sicher – will aber einen Warnhinweis ergänzen
Das Vakzin des britisch-schwedischen Pharmaunternehmens Astrazeneca gilt als Arbeitstier unter den Corona-Impfstoffen: Es ist leicht in der Handhabung und könnte problemlos auch in Hausarztpraxen verimpft werden. Neuere Studienergebnisse bescheinigten dem Impfstoff zuletzt auch eine gute Wirksamkeit bei älteren Menschen, nachdem diese aufgrund fehlender Daten zunächst in Frage gestellt worden war.
Umso überraschender kam am vergangenen Montag die Nachricht, dass die Astrazeneca-Impfungen in Deutschland vorerst ausgesetzt werden – eine Vorsichtsmaßnahme, wie Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) betonte. In seltenen Fällen waren nach der Impfung sogenannte Hirnvenenthrombosen beobachtet worden. Auch andere europäische Länder, darunter Dänemark, pausierten nach einzelnen Thrombose-Berichten die Impfungen.
Europäische Arzneimittelagentur
Astrazeneca auf dem Prüfstand: So wird die Entscheidung getroffen, ob der Impfstoff wieder eingesetzt wird
Die europäische Arzneimittelagentur Ema hat die Zwischenfälle in den vergangenen Tagen untersucht und kommt nun zu dem Schluss: Der Nutzen des Impfstoffs überwiegt weiterhin dessen mögliche Risiken. Ein Zusammenhang zwischen den Astrazeneca-Impfungen und den beobachteten und sehr seltenen Gerinnseln im Gehirn könne letztlich aber nicht definitiv ausgeschlossen werden. Die Ema will deshalb einen Warnhinweis in die Produktinformationen aufnehmen. Er soll das Bewusstsein hinsichtlich dieser möglichen Risiken schärfen.
Diskutiert wurden die Thrombose-Fälle in einer außerordentlichen Sitzung des sogenannten "Pharmacovigilance Risk Assessment Committee" – kurz PRAC. Das Ema-Komitee ist für die Bewertung und Überwachung der Sicherheit von Humanarzneimitteln zuständig. In ihm sitzen Vertreter aller EU-Staaten, unabhängige Expertinnen und Experten sowie zwei Patientenvertreter.
Warum wurde die Astrazeneca-Impfung in Deutschland ausgesetzt?
Nach 1,6 Millionen Impfungen mit Astrazeneca war zunächst in sieben Fällen eine schwere Thromboseform, eine sogenannte Hirnvenenthrombose, aufgetreten. Dabei handelt es sich um Gerinnsel, die sich in Venen bilden, die Blut aus dem Gehirn abführen.
AstraZeneca-Berichte
Hirnvenenthrombose: Was ist das eigentlich? Und wie unterscheidet sie sich von normaler Thrombose?
Die Häufigkeit der Fälle war damit zwar sehr gering und entsprach 0,0004 Prozent. Die Anzahl der Fälle war nach Angaben des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) vom Dienstag allerdings "statistisch signifikant höher" als die Anzahl von Hirnvenenthrombosen, die normalerweise in der Bevölkerung ohne Impfung zu erwarten gewesen wäre. Das PEI sprach deshalb von einer "auffälligen Häufung" und überarbeitete die Empfehlung hinsichtlich des Corona-Impfstoffs. Das Bundesministerium für Gesundheit folgte der neuen Empfehlung und setzte die Impfungen Anfang der Woche vorsorglich aus.
Inzwischen sind sechs weitere Fälle der seltenen Hirnvenenthrombosen bekannt geworden. Bei den nun 13 Fällen handelt es sich um zwölf Frauen und einen Mann zwischen 20 und 63 Jahren. Drei Personen starben. Trotz der neu gemeldeten Fälle handelt es sich um eine Nebenwirkung, die nach wie vor selten ist und weniger als eine von 100.000 geimpften Personen betrifft.
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach begrüßte die Ema-Entscheidung auf Twitter und sagte, sie sei überzeugend. Allgemeine Thrombosen seien nach der Impfung nicht häufiger als ohne Impfstoff aufgetreten. Die speziellen Thrombosen im Gehirn seien dagegen "sehr rar" – ein Warnhinweis sei ausreichend. Der Nutzen des Impfstoffs überwiege "massiv".
"Wegen der fulminanten 3. Welle sollte der Impfstoff in Deutschland so schnell wie möglich wieder eingesetzt werden", betonte Lauterbach. "Der Aufbau des Vertrauens kann dann gelingen."
Quelle:Paul-Ehrlich-Institut (PEI)
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