Die US-Impfkampagne stockt: Viel zu viele US-Amerikaner glauben, Mikrochips implantiert zu bekommen

Die Story ist so alt wie die Corona-Impfungen neu. Die Impfungen, so die Behauptung, dienen nur einem einzigen Zweck: Mikrochips in Menschen zu implantieren, um sie so kontrollieren zu können. Im Fadenkreuz der Skeptiker: Microsoft-Gründer Bill Gates. Stein des Anstoßes soll eine Diskussion auf Reddit gewesen sein, die sich fortan zu einer der hartnäckigsten Verschwörungserzählungen rund um die Corona-Impfung auswuchs. Eine Erzählung, die sich, wie eine Umfrage von "YouGov" und "Economist" nun herausfand, in den Köpfen vieler Amerikaner festgesetzt hat. Ein Fünftel der 1500 Befragten hält demnach die Mikrochip-Story für "sehr wahr" (5 Prozent) oder "wahrscheinlich wahr" (15 Prozent). Das wären über den Daumen gepeilt 42 Millionen US-Bürger.

US-Präsident Joe Biden drückte bei der Impfkampagne mächtig auf die Tube. In Rekordgeschwindigkeit wurden dort Spritzen gesetzt, zwischenzeitlich  3,5 Millionen täglich. Bidens Versprechen, dass in seinen ersten 100 Amtstagen 100 Millionen Impfungen verabreicht werden sollen, hielt er schon nach 60 – woraufhin er die Zahl der anvisierten Impfungen verdoppelte. Am 4. Juli, so der amerikanische Impftraum, sollte die Pandemie im Zaum sein. 70 Prozent aller Erwachsenen, hatte man sich vorgenommen, sollten bis dahin mindestens eine Impfdosis, 160 Millionen sogar den kompletten Corona-Schutz erhalten haben. Das Vorhaben scheiterte. Denn viele Amis mach(t)en nicht mit. Die Zahl derjenigen, die sich nicht impfen lassen wollen, ist nach wie vor groß – und der Impffortschritt längst ausgebremst.

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Das Tempo ist raus

Laut der Gesundheitsbehörde CDC haben inzwischen 48,6 Prozent der amerikanischen Bevölkerung den kompletten Impfschutz, 56 Prozent haben mindestens eine Impfdosis bekommen. Also bei weitem nicht die 70 Prozent, die geplant waren. Zum Stichtag, dem amerikanischen Unabhängigkeitstag, veröffentlichte die "New York Times" (NYT) stattdessen eine Hochrechnung, wonach diese Zahl nach damaligen Impftempo wohl erst Ende Oktober erreicht werden könnte. Für eine Herdenimmunität müssten aber, so Schätzungen von Expert:innen, sogar noch viel mehr geimpft werden – nämlich etwa 85 Prozent. Doch das zu erreichen, scheint in den USA immer unwahrscheinlicher zu werden. Denn wie sich zeigt, tut sich das Land schwer damit, die noch Ungeimpften zu überzeugen.

Dazu gehören zum einen People of Color. Da diese in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen mit dem Gesundheitssystem machten, beispielsweise für medizinische Experimente herhalten mussten, stehen sie den Impfungen skeptisch gegenüber. Auch viele US-Bürger aus ländlichen Gebieten und religiöse Gruppen zeigen sich von den Impfungen wenig überzeugt. Dazu kommen viele Wähler der Republikaner. Etliche glauben Verschwörungserzählungen, lassen sich von Fehl-Informationen beeinflussen. Das spiegelt sich auch in der Umfrage wider. Beinahe ein Drittel (32 Prozent) der befragten Republikaner glaubte demnach, dass die Mikrochip-Theorie "sehr" oder "wahrscheinlich" wahr sei, bei den Demokraten waren es 14 Prozent.

Massig Fehlinformationen – online und im TV

Eine Quelle für solche Behauptungen sind nach wie vor Social-Media-Plattformen. Dort kursierte unter anderem das Video, in dem behauptet wurde, dass Gates sich mit dem chinesischen Tech-Milliardär Jack Ma zusammengetan habe, um im Rahmen der Impfungen Mikrochips zu implantieren.  "Es ist auf eine Weise so bizarr, dass man es fast witzig finden könnte. Aber ich schätze, es ist eigentlich nicht besonders komisch", erklärte Gates laut der "New York Post". Und stellte klar: "Ich habe nie mit irgendeiner Art von Microchip zu tun gehabt." Die Theorie wurde nicht nur von der Nachrichtenagentur "Reuters" in einem Faktencheck auseinander genommen.

Obendrauf wird auch im US-Fernsehen Stunk gegen die Impfkampagne gemacht. Da wäre beispielsweise der Nachrichtensender "Fox News Channel", der Medienmogul Rupert Murdoch gehört. Der hatte sich zwar noch vor dem US-Präsidenten impfen lassen und alle aufgefordert es ihm gleich zu tun, in einer der Prime-Time-Shows seines Senders allerdings werden ganz andere Töne angeschlagen.

„Gruseliges Zeug“

Um der Impfkampagne einen neuen Boost zu geben, plant die Regierung Menschen loszuschicken, die von Tür zu Tür gehen, um über die Impfungen aufzuklären. Das sei gruseliges Zeug, sagte Moderator Tucker Carlson in der Sendung. Dabei handele es sich um einen Versuch, "Menschen zu zwingen, Medizin zu nehmen, die sie nicht wollen oder brauchen". Schon zuvor hatten Carlson und Co-Host Laura Ingraham sowie Gäste in anderen Sendungen davon gesprochen, dass die Impfstoffe gefährlich sein könnten. Kritisiert wird, dass die Moderatoren damit gängige Argumente von Skeptikern befeuern, nämlich dass die Maßnahmen, welche die Impfrate steigern sollen, eine Verletzung der Bürgerrechte darstellen und ohnehin nicht mehr seien, als eine Verschwendung von Steuergeldern. 

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Die Verbreitung von Falschinformationen werden zunehmend zum Problem für den Impffortschritt in den USA und seien, wie U.S. Surgeon General Vivek Murthy vergangenen Donnerstag erklärte, eine Gefahr für das Gesundheitswesen. Die Unternehmen, gemeint sind unter anderem Plattformen wie Facebook, sollten Verantwortung übernehmen und beispielsweise ihre Algorithmen ändern. Fehlinformationen sollten leichter zu identifizieren und zu melden werden, so Murthy. "Im Allgemeinen sind die Menschen nicht so gut darin, Fake News zu erkennen", sagte Joshua Tucker, Co-Direktor des Zentrums für Soziale Medien und Politik der NYU, zu "Vice News".

Tucker und Kollegen hatten in einer großen Studie zum Thema herausgefunden, dass ein Drittel der Teilnehmenden Falschinformationen nicht als solche erkannten. Er sagte: "Es ist bezeichnend, dass wir Milliarden von Dollar für die Entwicklung von Impfstoffen ausgegeben haben, aber viel weniger, um darüber nachzudenken, wie wir sicherstellen können, dass die Menschen bereit sind, sie zu benutzen".

Quelle:YouGov, NYT, Vice, Reuters, Spiegel

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