COVID-19: Raumluft in Kliniken und Pflegeheimen kritischer Faktor – Heilpraxis

Übertragungsrisiko in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen

Bei dem Risiko einer Übertragung des neuen Coronavirus SARS-CoV-2 spielen Aerosole eine maßgebliche Rolle. Die Raumluft in Gebäuden ist daher ein besonders wichtiger Faktor, dem auch in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte, mahnt ein internationales Forschungsteam.

In der Fachzeitschrift „International Journal of Environmental Research and Public Health“ erläutert das Forschungsteam die Gefahr der SARS-CoV-2-Übertragung über die Raumluft und beschreibt einen Maßnahmenkatalog, mit dem dieses Risiko minimiert werde kann. Insgesamt müsse der Raumluft auch in Kliniken und Pflegeheimen wesentlich mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden.

Aerosole Ursache der Ausbreitung?

„Seit Ausbruch der Pandemie Anfang 2020 häufen sich Berichte zu Übertragungen über Aerosol-Partikel in der Raumluft von Krankenhäusern und Pflegeheimen“, berichtet das Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS) in Leipzig. Beispielsweise seien aus Krankenhäusern in China und den USA, aber auch aus einem Pflegeheim in den Niederlanden Fälle dokumentiert, wo offensichtlich über das Lüftungssystem eine Ausbreitung infektiöser Aerosole erfolgte, weil ungefilterte Innenluft im Kreis zirkulierte. Auch sei SARS-CoV-2 auf den Staubfiltern der Klimaanlage nachgewiesen worden.

„Die Komplexität der Aerosol-Übertragung von SARS-CoV-2, insbesondere in Innenräumen, ist noch lange nicht gelöst und es besteht die Notwendigkeit, geeignete Richtlinien zum Schutz des medizinischen Personals zu erstellen“, betont Professor Alfred Wiedensohler vom Institut für Troposphärenforschung.

Mit der aktuellen Publikation möchten die Forschende des TROPOS, des CSIR-National Physical Laboratory in New Delhi, des Institute of Atmospheric Science and Climate in Rom und des Unternehmens 2B Technologiesa aus Colorado Empfehlungen für Maßnahmen geben, „die nicht nur zur Eindämmung der momentanen, sondern auch von zukünftigen Viruspandemien beitragen könnten.“

Die Konzentrationen an Viren in der Luft können stark ansteigen, wenn sich Infizierte im Raum aufhalten, und einfache Mund-Nasen-Masken können zwar den Ausstoß der Viren über die Atemwege deutlich reduzieren, aber nicht völlig verhindern, berichtet das TROPOS. Mit der Anzahl der Personen und der Dauer des Aufenthalts im Raum steige daher das Übertragungsrisiko deutlich an.

Die Übertragung durch Aerosole ist nach Ansicht vieler Fachleute ein wesentlicher Grund dafür, dass die Zahlen der Corona-Infektionen in Europa im Herbst drastisch gestiegen sind, berichtet das TROPOS. Denn die Menschen halten sich länger in geschlossenen Räumen auf und bei niedrigen Außentemperaturen werden die Innenräume zudem seltener gelüftet.

Hohes Risiko in Kliniken und Pflegeheimen

Besonders gefährdet seien Krankenhäuser und Pflegeheime, weil dort zusätzliche Risikofaktoren hinzukommen wie beispielsweise sehr lange Aufenthalte in einem Raum und gegebenenfalls medizinische Verfahren wie Intubationen auf Intensivstationen, bei denen viel Aerosol produziert wird. Um die Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 in Krankenhäusern und Pflegeheimen einzudämmen, werde eine Vielzahl von Maßnahmen erforderlich.

Es gibt nicht eine einzelne Maßnahme, die alleine Schutz vor einer Übertragung durch die Raumluft bietet, sondern es komme darauf an, die Innenraumluft zu kontrollieren und verschiedene Maßnahmen zu kombinieren, betonen die Forschenden.

Luftbefeuchter nutzen

„Als Schutz gegen die Übertragung von SARS-CoV-2 über die Luft in geschlossenen Räumen besonders bei kaltem und trockenem Wetter empfehlen wir Luftbefeuchter, um die relative Luftfeuchtigkeit im Raum im Bereich von 40 bis 60 Prozent zu halten und das Risiko einer Atemwegsinfektion zu verringern“, betont Dr. Ajit Ahlawat vom TROPOS.

Denn im Bereich um etwa 50 Prozent relative Luftfeuchtigkeit seien die menschlichen Schleimhäute am widerstandsfähigsten gegenüber Infektionen „und außerdem können die Viren in den Aerosolpartikeln weniger lange überleben als bei trockenerer oder sehr feuchter Luft“, so Dr. Ahawat.

Auf Frischluftzufuhr achten

„Sehr wichtig ist, dass ständig genug Frischluft über die Klimaanlage oder durch Lüften zugeführt wird“, berichtet das TROPOS. Mit Messgeräten für Kohlendioxid (CO2) könne dies kontrolliert werden und wenn die CO2-Konzentration in der Raumluft einen Wert von 1000ppm erreicht, sei es höchste Zeit, zu lüften. Der hohe CO2-Wert innen zeige an, dass sich viel ausgeatmete Luft im Raum befindet.

„Das Heizungs-, Lüftungs- und Klimasystem (englisch: HVAC) sollte eine Mindesteffizienz von MERV-13 haben, um selbst sehr kleine Partikel aus der Luft zu filtern (MERV steht für Minimum Efficiency Reporting Value und ist eine Norm aus den USA, die von der American Society of Heating, Refrigerating and Air-Conditioning Engineers (ASHRAE) festgelegt wurde.)“, betonten die Forschenden.

Kann eine ausreichende Belüftung nicht sichergestellt werden, „dann sollte versucht werden, die Konzentration von Viren in der Raumluft durch Luftreiniger zu reduzieren“, berichtet das TROPOS weiter. Dabei sei jedoch zu beachten, dass die Luftreiniger über so genannte HEPA-Filter (High Efficiency Particle Absorbing) verfügen sollten, und dass sie nur eine Behelfsmaßnahme sein können, da sie die Zufuhr von Frischluft und damit Sauerstoff nicht erreichen.

Vorsichtsmaßnahmen bei diesen Behandlungen

Besondere Schutzmaßnahmen sind bei Verfahren und chirurgischen Eingriffen geboten, bei denen potenziell infektiöse Aerosolpartikel entstehen – wie zum Beispiel Zahnbehandlungen oder Intubationen auf Intensivstationen, berichten die Fachleute. Das medizinische Personal sollte hierbei ventilfreie Partikelfiltermasken, so genannte Atemschutzmasken wie beispielsweise N95 tragen und darauf achten, dass diese dicht auf der Haut aufliegen.

„Vermeiden Sie die Verwendung der Atemschutzmasken des Typs FFP2 und FFP3, die über ein Ausatemventil oder eine Belüftung verfügen, da diese Arten von Atemschutzmasken nicht ausreichen“, so Dr. Francesca Costabile vom Institute of Atmospheric Science and Climate (ISAC) in Rom. Zur Risikominderung sollte außerdem auch Schutzausrüstung wie eine Schutzbrille getragen werden

Den Forschenden zufolge sollten bei Patientinnen und Patienten mit COVID-19 „aerosolerzeugende Verfahren und Behandlungen“ zudem nach Möglichkeit vermieden werden, „um das Infektionsrisiko für das medizinische Personal zu verringern.“ Zu solchen Behandlungen seien in der Regel auch Medikamente zu zählen, die über einen Zerstäuber verabreicht werden.

„Um das Risiko einer Aerosolbildung von SARS-CoV-2 durch den Vernebelungsprozess zu vermeiden, sollten inhalierende Medikamente nach Möglichkeit mit einem Dosier-Inhalator und nicht mit einem Zerstäuber verabreicht werden“, so die Mitteilung des TROPOS:

Desinfektion in Innenräumen

Zur Desinfektion von Oberflächen und Raumluft eignet sich UV-C-Strahlung, doch ist den Fachleuten zufolge bei deren Einsatz Umsicht geboten. „Wir empfehlen, die Desinfektion mit UV-C-Licht nicht zu oft anzuwenden. Obwohl bekannt ist, dass das UV-C-Licht die SARS-CoV-2-Viren zerstört, erhöht es letztlich die Ozonkonzentrationen in Innenräumen und kann sich so negativ auf die Gesundheit auswirken, wenn die Raumluft nicht ausreichend ausgetauscht wird“, betont Dr. Sumit Kumar Mishra vom CSIR – National Physical Laboratory.

Negative Folgen drohen auch durch das Versprühen von oxidierenden Chemikalien wie zum Beispiel Wasserstoffperoxid (H2O2), da diese Chemikalien zu toxischen chemischen Reaktionen führen können, die weitere Luftschadstoffe erzeugen und das zentrale Nervensystem und die Lungen der Menschen schädigen, warnen die Forschenden.

Schulung des Personals

Besonders wichtig ist nach Ansicht der Fachleute zudem die Weiterbildungen des Personals in Krankenhäusern und Pflegeheimen. Das medizinische Personal müsse angemessen geschult werden, damit es die Empfehlungen befolgen kann. Nicht nur die Risiken der Übertragung von SARS-CoV-2 über die Luft, sondern auch die geeigneten Schutzmaßnahmen sollten durch entsprechende Informationen der Gesundheitsbehörden vermittelt werden. Das TROPOS hat seinerseits bereits Empfehlungen zur Reduzierung der Aerosol-Übertragung von SARS-CoV-2 in Innenräumen (PDF) veröffentlicht, die hier durchaus als Vorlage dienen könnten. (fp)

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