Bundestag beschließt höheren Kassenabschlag

Lauterbachs Spargesetz hat die letzte Hürde genommen: Am heutigen Donnerstag passierte es mit den Stimmen der Ampelkoalition den Bundestag. Es enthält unter anderem eine Erhöhung des Kassenabschlags von 1,77 auf 2 Euro für die kommenden zwei Jahre. Während den Ärzten auf den letzten Metern große Zugeständnisse gemacht wurden, blieben die Proteste der Apothekerschaft ohne Erfolg. ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening spricht von einem „schwarzen Tag für die Apotheken in Deutschland“.

Die Erhöhung des Kassenabschlags ist so gut wie in trockenen Tüchern. Das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz, in dem diese neue Belastung für die Apotheken enthalten ist, wurde am heutigen Donnerstag mit den Stimmen von SPD, Grünen und FDP im Bundestag verabschiedet. Nun steht noch die Abstimmung im Bundesrat an. Dieser hatte zwar im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens eine lange und kritische Stellungnahme zu den Sparplänen der Regierung vorgelegt und unter anderem gefordert, auf die Erhöhung des Kassenabschlags zu verzichten. Aber die Zustimmung der Länder ist nicht notwendig. Es handelt sich „nur“ um ein Einspruchsgesetz. Dieses Einspruchsverfahren ist allerdings alles andere als die Regel. Dass der Bundesrat in diesem Fall von diesem Recht gebraucht macht, ist nicht zu erwarten.

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Somit müssen also aller Voraussicht nach die Apotheken künftig 2 Euro statt 1,77 Euro pro Rx-Packung Abschlag an die Kassen zahlen. Das bedeutet 120 Millionen Euro Zusatzbelastung pro Jahr allein durch den erhöhten Abschlag, dazu kommen gestiegene Tarifgehälter, hohe Energiekosten und die Inflation. Seitens der ABDA geht man davon aus, dass im kommenden Jahr weitere Apotheken schließen müssen. 

Dass die Argumente der Apothekerschaft kein Gehör finden würden, zeichnete sich bereits im Gesetzgebungsverfahren ab. In der Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestags hakte allein ein CDU-Politiker nach, Tino Sorge, gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion. Er wollte wissen, welche Auswirkungen die ABDA auf die flächendeckende Versorgung durch die geplante zweijährige Anhebung erwartet. Auch der einzige Änderungsantrag zum Thema Kassenabschlag kam von der Union. Er wurde jedoch abgelehnt. In den Prüfbitten und Änderungsanträgen der Regierungskoalition war eine mögliche Streichung der Erhöhung kein Thema. Im Gegenteil – die FDP kam mit der absurden Prüfbitte um die Ecke, inwiefern eine Erhöhung des Kassenabschlags eine Streichung der Importquote refinanzieren könnte.

Overwiening: Ein schwarzer Tag für die Apotheken in Deutschland

ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening spricht von einem „schwarzen Tag für die Apotheken in Deutschland“. „Wir haben in den vergangenen zweieinhalb Jahren der Politik geholfen, die Pandemie zu meistern. Als Dank dafür wird ausgerechnet jetzt, wo die Apotheken wegen Inflation und Energiekrise selbst Hilfe und Entlastung bräuchten, die Vergütung gekürzt. Dabei gab es bis zuletzt finanzielle Spielräume bei der Gestaltung des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes, die Bundesregierung und Parlament einfach nicht für die Apotheken vor Ort nutzen wollten. Um es noch einmal klipp und klar zu sagen: Die Apotheken sind keine Kostentreiber. Unser Anteil an den jährlichen GKV-Ausgaben liegt bei 1,9 Prozent. Seit 2005 ist die Tendenz sinkend. Das sind Fakten, die neben der Politik auch der GKV-Spitzenverband endlich anerkennen muss“, betont die ABDA-Präsidentin. 

Im Hinblick auf die Gesetzgebung in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode erklärt sie, dass in ihren Augen die Politik in die falsche Richtung unterwegs ist. Sie müsse umkehren und Apotheken entlasten. „Dafür werden wir kämpfen,“ verspricht Overwiening. „Dass wir das können, haben wir in dieser Woche eindrucksvoll mit den Schwerpunktstreiks in vier Bundesländern gezeigt, an denen sich enorm viele Apotheken beteiligt haben.“

Zugeständnisse an Ärzte

Deutlich erfolgreicher war die Ärzteschaft mit ihren Protesten. Zwar konnten sie den Wegfall der sogenannten Neupatientenregelung nicht verhindern. Allerdings bekommen sie einen lukrativen Ersatz: So sollen Haus- und Fachärzte demnach extrabudgetäre Zuschläge von bis zu 200 Prozent zur Versichertenpauschale erhalten, wenn sie Patient:innen, die durch die Terminservicestellen vermittelt werden, schnell behandeln. Außerdem soll der Zuschlag für Hausärzte für eine Vermittlung eines Termins bei einem Facharzt auf 15 Euro erhöht werden. Die Kosten dafür wurden im Zuge des Änderungsantrags nicht beziffert. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bezeichnete dies während der Debatte im Plenum als wichtigen Schritt zum Abbau der Zwei-Klassen-Medizin, der eine wirkliche Verbesserung für die Versorgung der Patienten bringen soll. 

Das Gesetz enthält noch eine weitere Regelung, die die Apotheken betrifft: So soll die Biosimilar-Substitution in den Apotheken um ein Jahr verschoben werden. Eigentlich hätten bereits seit August Biologicals gegen Biosimilars sowie Biosimilars untereinander ausgetauscht werden dürfen – analog zur Generikasubstitution. So war es 2018 im GSAV festgelegt worden. Dies wird aber nun vertagt, weil es noch Unklarheiten gibt. Zudem soll sich zunächst auf Präparate konzentriert werden, die nicht vom Patienten selbst angewendet werden.

Apotheken tragen minimal zum Sparziel bei

Ziel des Gesetzes ist es, das für die kommenden Jahre prognostizierte Milliardendefizit der Kassen abzufedern. Der Beitrag der Apotheken mit 120 Millionen Euro ist dabei marginal. Andere Maßnahmen, die das Gesetz vorsieht, wie zum Beispiel die Abschmelzung der Finanzreserven der Kassen, die Erhöhung des Bundeszuschusses zur GKV, ein erhöhter Herstellerabschlag und nicht zuletzt die Erhöhung der Beiträge für die Versicherten, spülen den Kassen sicher mehr Geld in die Kassen, allerdings auch nur kurzfristig und nicht nachhaltig. 

Dass die Proteste der Apothekerschaft am gestrigen Mittwoch den Ausgang nicht beeinflussen werden, war wohl allen Beteiligten klar. Ziel der Proteste war aber eben nicht nur den Unmut über den erhöhten Kassenabschlag deutlich zu machen, sondern auch auf die Gesamtsituation der Apotheken hinzuweisen, deren Honorar seit Jahrzehnten von der wirtschaftlichen Entwicklung abgehängt ist. Energiekrise und Inflation sowie gestiegene Löhne erhöhen den Druck auf die Branche. 

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