AstraZeneca nur zu 60 Prozent wirksam? Das bedeutet nicht, dass 40 Prozent krank werden
Gegen das Coronavirus sind in der Europäischen Union bislang drei Impfstoffe zugelassen. Den Anfang hat der RNA-Impfstoff von Biontech/Pfizer gemacht, es folgte das recht ähnliche Präparat aus dem Hause Moderna. Seit neuestem steht auch der Vektor-Impfstoff des britisch-schwedischen Unternehmens AstraZeneca zur Verfügung. Das ist eigentlich eine gute Nachricht – doch so mancher Impf-Berechtigte sieht das wohl anders, wie erste Berichte über ungenutzte AstraZeneca-Impfstoffdosen zeigen. Warum einen Impfstoff nehmen, der nur zu 60 Prozent wirkt, wo die anderen beiden mit bis zu 95 Prozent aufwarten können? Diese Frage stellen sich wohl viele.
Wissenschaftler Clemens Fuest und Melanie Brinkmann
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Es gebe "viel Widerstand gegen den Impfstoff", schreibt der Mikrobiologe Florian Krammer auf Twitter. "Alle wollen die RNA-Impfstoffe." Von denen gebe es aber nicht genug im Moment.
Was Wirksamkeit wirklich bedeutet
Nicht selten basiert der Eindruck des zweitrangigen Impfstoffs aber auf einer falschen Annahme. 60 Prozent Wirksamkeit bedeuten nicht, dass von 100 geimpften Menschen 60 Personen gesund bleiben, während 40 Personen an Covid-19 erkranken. Auch eine Wirksamkeit von 95 Prozent ist nicht mit 95 gesunden und 5 erkrankten Personen gleichzusetzen. Tatsächlich handelt es sich um ein Maß für die Risikoreduktion. Der Wert wird verständlich, wenn man sich vor Augen führt, wie Impfstoffe getestet werden.
In der finalen Studienphase 3 mit vielen Tausenden Probanden gibt es zwei Gruppen. Die eine Gruppe erhält den Impfstoff, die andere lediglich eine Kochsalzlösung, die als wirkloses Placebo dient. Im Anschluss wird genau hingesehen: Wie viele Menschen erkranken im Verlauf in der Impfstoffgruppe an Covid-19, wie viele in der Placebo-Gruppe? Der Unterschied zwischen den zwei Gruppen wird in Prozent angegeben – es handelt sich dabei um die Wirksamkeit.
Ein fiktives Beispiel: Angenommen, in der Impfstoff- und der Placebo-Gruppe sind jeweils 5200 Personen. In der Placebo-Gruppe erkranken im Verlauf der Nachbeobachtungszeit 150 Menschen an Covid-19.
- Hat der Impfstoff eine Wirksamkeit von 60 Prozent, erkranken in der Impfstoff-Gruppe 60 der 5200 Personen an Covid-19.
- Hat der Impfstoff eine Wirksamkeit von 95 Prozent, erkranken in der Impfstoff-Gruppe etwas mehr als 7 (7,5) der 5200 Personen an Covid-19.
Schutz vor schweren Verläufen
Ein wichtiges Kriterium, mit dem die Wirksamkeit eines Impfstoffs bewertet wird, ist also, wie zuverlässig das Vakzin eine Erkrankung verhindert – dazu zählen Symptome wie Fieber, Husten und Schüttelfrost. Kommt es trotz Impfung zu einer Erkrankung, spielt auch deren Schwere eine Rolle: Im Idealfall verläuft die Erkrankung dank Impfung deutlicher milder. Womöglich muss der oder die Patient*in nicht in ein Krankenhaus oder an ein Beatmungsgerät angeschlossen werden. Auch das wäre ein konkreter Nutzen der Impfung.
Was diesen Punkt betrifft, scheint das AstraZeneca-Vakzin ebenso gut zu schützen wie weitere Impfstoff-Kandidaten, die bereits in großen Zulassungsstudien getestet wurden. Keine einzige vollständig geimpfte Person musste in den Studien wegen Covid-19 ins Krankenhaus. Auch gab es in dieser Personengruppe keinen einzigen Covid-19-Todesfall.
Dieser Punkt ist auch für den Virologen Christian Drosten besonders relevant. "Die Impfstoffe, die wir haben, die sind extrem gut gegenüber dem, was man erwarten konnte", sagte er im Podcast das "Coronavirus-Update". Wichtig sei, dass die Impfstoffe das Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs minimierten.
Mutante aus Südafrika
Was aber ist mit der Virus-Mutante, die zuerst in Südafrika nachgewiesen wurde und gegen die der AstraZeneca-Impfstoff weniger als andere Impfstoffe zu schützen scheint? Drosten hält für Deutschland vielmehr die Variante aus Großbritannien (B.1.1.7) für relevant, wie er im Podcast erklärte. Deren Anteil wachse hierzulande, ebenso wie in anderen Ländern. B.1.1.7 bedeute aber laut einer Studie keinen Nachteil für die Schutzwirkung des AstraZeneca-Impfstoffs.
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