So bringen Sie Ihre innere Uhr wieder in den Takt
Wann wir müde werden, uns aktiv fühlen oder wie konzentriert wir sind, ist kein Zufall: Das bestimmt maßgeblich unser Biorhythmus oder auch die sogenannte innere Uhr. Dabei laufen verschiedene Prozesse im Körper jeden Tag ungefähr zur gleichen Zeit ab. „Das hängt damit zusammen, dass das Gehirn jeweils bestimmte Botenstoffe ausschüttet“, sagt der Schlafforscher Dr. Hans-Günter Weeß aus dem Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin. Er ist auch Autor des Buches „Schlaf wirkt Wunder“.
Diese Botenstoffe haben einen starken Einfluss darauf, wann man schläft und aufwacht, wann man produktiv und wann man unkonzentriert ist, oder ob man gerade Energie für Sport hat oder sich eher schlaff fühlt. Sie wirken darüber hinaus auf den Stoffwechsel und steuern beispielsweise die Körpertemperatur und das Hungergefühl.
Botenstoffe für einen gesunden Schlaf
Für den Schlaf spielen vor allem zwei Botenstoffe eine Rolle: Adenosin und Melatonin. „Adenosin reichert sich jeweils im Lauf des Tages im Gehirn außerhalb der Zellen an“, sagt der Schlafforscher. Je mehr davon vorhanden ist, desto müder fühlt man sich. Die Ausschüttung von Melatonin wiederum ist stark abhängig vom Tageslicht. Wenn es draußen dunkel wird, schüttet der Körper vermehrt Melatonin aus, das den Schlaf anstößt.
Die Ausschüttung ist aber störanfällig und kann sich zum Beispiel durch blaues Licht, das Bildschirme abstrahlen, verzögern. „Melatonin und Adenosin sind zwei starke Faktoren, die das Einschlafen wesentlich steuern“, so Weeß. Das gilt laut dem Schlafforscher allerdings nur für das körpereigene Melatonin und nicht für Melatonin, das beispielsweise als Schlafmittel in der Apotheke erhältlich ist. „Das hat laut Studien keine bedeutsame Wirkung und kann nicht empfohlen werden.“ (Schlafmediziner verrät: Was wirklich beim Einschlafen hilft)
Gesunder Biorhythmus: Schlaf ist nicht gleich Schlaf
Am späten Abend sinkt durch den Einfluss von Botenstoffen auch die Körpertemperatur. „Deshalb schläft man abends viel besser ein als beispielsweise nach einer Nachtschicht am Morgen, wenn die Körperkerntemperatur wieder steigt“, erklärt der Experte. Ohnehin wird in der zweiten Nachthälfte bereits der Botenstoff Cortisol ausgestoßen. Dabei handelt es sich um ein Stress- und Wachhormon, das den Körper aktiviert – tiefer, erholsamer Schlaf fällt unter dessen Einfluss entsprechend schwer.
Die erste Nachthälfte hingegen ist normalerweise vom Tiefschlaf dominiert. „Dabei finden im Körper wichtige Prozesse statt“, sagt Weeß. Der Körper repariert beispielsweise in der ersten Hälfte der Nacht Schäden an Zellen und bildet neue Zellen aus. Auch das Immunsystem ist in dieser Phase besonders aktiv. Dabei spielen ebenfalls Botenstoffe eine Rolle: In dieser Phase schüttet der Körper beispielsweise das Wachstumshormon Somatropin aus. Auch Testosteron, das unter anderem zum Muskelaufbau beiträgt, wird in der ersten Nachthälfte vermehrt ausgeschüttet. (Mehr zum Thema Testosteron lesen Sie hier)
Der Biorhythmus hat Einfluss auf Krankheiten
Werden diese Prozesse auf Dauer gestört, hat das Auswirkungen auf den gesamten Körper. Viele Experten gehen zum Beispiel davon aus, dass dadurch Beschwerden und Krankheiten wie Stoffwechselstörungen, Immunerkrankungen, Stimmungsschwankungen und chronische Entzündungen begünstigt werden.
Nicht immer ist es aber möglich, nach dem eigenen Biorhythmus zu leben: Wer beispielsweise Schichtarbeit leistet, der hat ein hohes Risiko, dass seine innere Uhr mit der Zeit aus dem Takt gerät. Das zeigt sich zum Beispiel durch Schlafstörungen. Zudem ist der Schlaf nach dem Schichtdienst über Tag längst nicht so erholsam wie in der Nacht. (So bringen Sie Ihr Immunsystem in Schwung)
Meist schlecht für die innere Uhr: Wochenenden
Aber auch durch das Verhalten im Alltag kann man die innere Uhr aus dem Takt bringen. Das dürfte jeder kennen, der am Wochenende gerne lange schläft, unter der Woche aber früh aufstehen muss. „Ein leichter Schlafmangel kann aktivieren und bei vielen Menschen leicht euphorisierend wirken“, sagt Weeß. „Das gilt vor allem dann, wenn man nur wenig sogenannten REM-Schlaf hatte. Schläft man sehr viel, ist dann aber auch das Gegenteil der Fall.“ Wer darauf sensibel reagiert, ist beispielsweise nicht gut gestimmt oder hat das Gefühl, gar nicht richtig wach zu werden, wenn er einmal sehr lange geschlafen hat. (Wann nächtliches Schwitzen gefährlich wird)
Außerdem gerät die innere Uhr oft aus dem Takt, wenn man am Wochenende sehr lange schläft: Wer sonntags bis mittags schlummert, der dürfte in den meisten Fällen Probleme haben, am Abend früh in den Schlaf zu finden, um dann am Montagmorgen ausgeruht zur Arbeit zu gehen. „Hinzu kommt, dass viele Menschen am Sonntagabend im Bett in Gedanken bereits bei der Arbeit am Montag sind“, sagt Weeß. „Wenn sich dadurch Anspannung aufbaut, kann auch diese den Schlaf stören.“ (Mehr über gesunden Schlaf lesen Sie hier)
Schlafzimmerverbot für Handy & Co.
Jeder kann etwas dazu beitragen, um seinen Biorhythmus im Takt zu halten, beziehungsweise ihn wieder in den Takt zu bringen. Wichtig ist es zum einen, feste Schlafenszeiten einzuhalten und auch am Wochenende zur gewohnten Zeit aufzustehen. Am Abend sollte man außerdem rechtzeitig abschalten: Mindestens eine Stunde, bevor man ins Bett geht, sollte man sich keinem blauen Licht mehr aussetzen. Bildschirme haben dann Feierabend – und das gilt auch für das Handy.
Entscheidend ist es darüber hinaus, auch innerlich abzuschalten. Wenn man abends schlecht entspannen kann, helfen oft Entspannungsübungen weiter. Diese wirken allerdings dann am besten, wenn man sie regelmäßig in seinen Alltag einbaut. Da es viele unterschiedliche Verfahren gibt, dürfte jeder etwas Passendes für sich finden – eventuell muss man einige Methoden ausprobieren. Auch ein Spaziergang am Abend oder Tagebuchschreiben kann zum Abschalten beitragen, das Einschlafen zu erleichtern und die innere Uhr wieder in den Takt bringen. Sport und schwere Mahlzeiten sollte man spät am Abend ebenfalls meiden – beides aktiviert auf unterschiedliche Art und Weise den Körper und sorgt dafür, dass man danach nur schwer in den Schlaf findet. (Besser einschlafen: Verzichten Sie auf diese Lebensmittel)
Die Müdigkeit nicht auf Dauer mit Kaffee unterdrücken
Etwas schwieriger gestaltet es sich bei Schichtarbeitern, doch auch für sie gibt es einige Möglichkeiten, um ihre innere Uhr nicht entgleisen zu lassen. „Wer morgens von der Arbeit nach Hause fährt, sollte helles Licht und sportliche Aktivität meiden und beispielsweise eine Sonnenbrille tragen“, rät Weeß. Es hilft auch, wenn der Arbeitsplatz entsprechend eingerichtet ist: „In einigen Unternehmen ist es inzwischen üblich, dass rund zwei Stunden vor Schichtende der Blauanteil im Licht gedimmt wird“, sagt Weeß. Dies trägt dazu bei, das Einschlafen nach der Schicht zu erleichtern, da die Ausschüttung von Melatonin nicht unterdrückt wird.
Grundsätzlich gilt außerdem für alle, die unter Schlafproblemen leiden: Es bringt langfristig wenig, die Müdigkeit mit Koffein unterdrücken zu wollen. Wer spät am Nachmittag noch starken Kaffee trinkt, der läuft Gefahr, eine weitere unruhige Nacht zu erleben, weil die anregende Wirkung des Koffeins für einige Stunden anhalten kann. (Studie belegt: So viele Tassen Kaffee sollten Sie am Tag trinken)
Dieser Artikel wurde verfasst von (Maria Berentzen)
*Der Beitrag „So bringen Sie Ihre innere Uhr wieder in den Takt“ wird veröffentlicht von GQ. Kontakt zum Verantwortlichen hier.
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