Warum Herzkranke sich mindestens 30 Minuten Pro Tag bewegen sollten
Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen könnten von regelmäßiger körperlicher Bewegung sogar noch mehr profitieren als Gesunde. Das zumindest berichten südkoreanische Mediziner um Sang-Woo Jeong von der Seoul National University nach einer Studie im „European Heart Journal“.
Der Kardiologe Martin Halle von der Technischen Universität München, der nicht an der Arbeit beteiligt war, spricht von einer „immensen Effektstärke“. Nun könne man Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen noch nachdrücklicher dazu raten, Sport zu treiben.
Die Studie untersuchte gut 440.000 Frauen und Männer aus Südkorea mit einem durchschnittlichen Alter von knapp 60 Jahren, die an einem Untersuchungsprogramm für Krankenversicherte teilgenommen hatten. Etwa 130.000 von ihnen hatten eine Herz- oder Gefäßerkrankung diagnostiziert bekommen – etwa einen Herzinfarkt, Schlaganfall, eine chronische Herzinsuffizienz oder koronare Herzerkrankung. Die übrigen 310.000 Teilnehmer waren in dieser Hinsicht gesund.
Alle Probanden gaben in einem Fragebogen an, wie viel sie sich bewegten. Das Ausmaß der Bewegung verglichen die Wissenschaftler dann mit den Todesfällen in den folgenden etwa sechs Jahren. Resultat: Die Herz-Kreislauf-Patienten senkten ihr Sterberisiko mit körperlicher Aktivität deutlich stärker als die gesunden Teilnehmer.
Besser schlafen, sich besser fühlen, besser funktionieren
„Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen bewegten sich etwas weniger als die anderen Teilnehmer, aber je mehr Sport die Leute trieben, desto geringer war das Sterberisiko in den folgenden sechs Jahren“, wird Jeong in einer Mitteilung der Zeitschrift zitiert.
Jene Patienten, die fünfmal pro Woche eine halbe Stunde lang flott gingen oder sich vergleichbar viel bewegten, reduzierten ihr Risiko, innerhalb der sechs Jahre zu sterben, um 14 Prozent. Bei Herzgesunden senkte vergleichbare Bewegung die Mortalität nur um 7 Prozent. Außerdem stiegen die Werte bei den Gesunden kaum noch an, wenn sie noch mehr Sport trieben. Herzkranke dagegen profitierten bei deutlich intensiverer Aktivität noch stärker.
Die sportlichsten der herzkranken Teilnehmer erreichten im Studienzeitraum sogar ein ähnlich hohes oder sogar niedrigeres Sterberisiko als die Probanden, die zwar herzgesund waren, aber gar kein Sport trieben.
„Eine Reihe früherer Studien hat gezeigt, dass körperliche Aktivität dazu beiträgt, Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie hohen Blutdruck, hohe Cholesterinwerte und hohen Blutzucker zu kontrollieren“, erklärt Ko-Autor Si-Hyuck Kang. „Menschen, die körperlich aktiv sind, schlafen besser, fühlen sich besser und funktionieren besser.“
Die aktuelle Studie hat allerdings auch Schwächen. So basierte die Einschätzung, wie viel sich die Teilnehmer bewegten, nur auf Selbstangaben zu Beginn der Studie. Außerdem könnten die Ergebnisse verzerrt sein, weil Menschen, denen es gesundheitlich besser geht, auch mehr Sport treiben und sich gesünder ernähren.
„Wenn Sport ein Medikament wäre, dann ein Blockbuster“
Dennoch ist sich Halle sicher: „Wenn Sport ein Medikament wäre, dann ein Blockbuster – jeder würde es verschreiben.“ Der Ärztliche Direktor des Zentrums für Prävention und Sportmedizin am Klinikum rechts der Isar weist aber darauf hin, dass die Studie sich auf Sport fokussierte, nicht aber auf andere körperliche Tätigkeiten wie Staubsaugen oder sonstige Hausarbeit.
„Was Herzkranke leisten müssen, um die Effekte zu erzielen, ist gar nicht wenig“, erklärt Halle, der auch dem wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Herzstiftung angehört. „Körperliche Aktivität zählte in der Studie nur, wenn sie mindestens 30 Minuten am Stück durchgeführt wurde. Nur bei höchster Intensität reichten auch 20 Minuten. Gemeint ist also: nicht hier und da ein bisschen, sondern längere Einheiten.“
Wichtig sei zudem, dass die Patienten in der Studie ihr Sterberisiko nicht allein durch Sport senkten, sondern zusätzlich Medikamente nahmen. Dennoch betont der Experte: „Jetzt kann man Patienten mit noch mehr Nachdruck dazu raten, dass sie sich für Sport Zeit nehmen sollten.“
Auch im Gesundheitssystem könne ein Umdenken angestoßen werden: „Zu Motivationszwecken sind die typischen Sportgruppen für Herzpatienten, die von den Krankenkassen gefördert werden, gut geeignet“, sagt Halle. „Allerdings ist ein- oder zweimal pro Woche eine Dreiviertelstunde nicht genug. Jeden Tag 30 Minuten zügiges Gehen: Das ist für einen Patienten mit einer Herz-Kreislauf-Erkrankung die richtige Dosis.“
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