Politik: Zaghafter Kampf gegen Alkohol
Deutschland trinkt viel und gerne. Bei mehr als sieben Millionen Bundesbürgern gilt der Konsum als problematisch. Die Politik setzt auf Aufklärung. Doch genügt das?
Gewohnte Droge: Alkohol ist im Alltag vieler Deutschen fest verankert
Natürlich beginnt das Fußballspiel mit einem kühlen Pils. Und der folgende Spielfilm auch. Werbespots für alkoholische Getränke laufen im deutschen Fernsehen ständig und zur besten Sendezeit.
Ihre Botschaft ist unmissverständlich: Trink Alkohol, und du fühlst dich gut, bist voller Tatendrang, lebenslustig. Dieses positive Bild der legalen Droge Alkohol erfreut Winzer wie Brauereien. Ihr Absatz stimmt – bei Verbrauchern aller Altersklassen.
Sinkender, aber nach wie vor problematischer Konsum
Kurioserweise erfreuen die Zahlen zum Alkohol auch Ärzte und Drogenexperten – zumindest auf den ersten Blick. Denn der durchschnittliche Alkoholkonsum pro Person sinkt in Deutschland seit Jahren, wie ein kürzlich vom Krebsforschungszentrum in Heidelberg veröffentlichter Bericht feststellt.
Zugleich macht der sogenannte Alkoholatlas aber deutlich: Mehr als sieben Millionen Bundesbürger konsumieren riskante Mengen. So trinken 18 Prozent der Männer täglich mehr als 20 Gramm reinen Alkohol (rund einen halben Liter Bier), 14 Prozent der Frauen mehr als 10 Gramm (etwa einen Viertelliter Bier).
Zahlreiche Gesundheitsschäden durch Alkohol
Regelmäßiger Alkoholkonsum sei stets problematisch – unabhängig von der Menge, sagt Professor Helmut Seitz, Direktor des Alkoholforschungszentrums der Universität Heidelberg. "Es hält sich hartnäckig der Glaube, ein Glas Wein pro Tag sei gut für Gesundheit und Herz." Doch bei den meisten, vor allem bei jüngeren Menschen, hat regelmäßiges Alkoholtrinken ungünstige Folgen.
So ist die legale Droge erwiesenermaßen an der Entstehung von mehr als 200 Krankheiten und Symptomen beteiligt. Zuletzt ließen zum Beispiel entsprechende Studien zum Brustkrebsrisiko aufhorchen. Seitz: "Da gibt es keine Schwellendosis. Selbst kleine Mengen Alkohol erhöhen das Risiko."
Jedes Land geht einen eigenen Weg
Da verwundert es nicht, dass der Kampf gegen Alkohol längst auf der Agenda internationaler Vereinigungen steht, etwa der Weltgesundheitsorganisation oder der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
Auch in der Europäischen Union hat man sich auf das gemeinsame Ziel verständigt, den Alkoholkonsum nachhaltig zu reduzieren. Einen einheitlichen Plan gibt es dafür allerdings nicht. "Die EU-Mitgliedsstaaten haben jeder für sich eigene Strategien entwickelt und umgesetzt", sagt Marlene Mortler (CSU), bis zuletzt Drogenbeauftragte der Bundesregierung.
Niedriges Problembewusstsein in der Bevölkerung
In Deutschland liegt der Schwerpunkt auf Aufklärung: mit Online-Programmen für Studenten und Auszubildende, mit Schulprojekten sowie Werbekampagnen, die speziell Erwachsene ansprechen sollen.
Das Problembewusstsein sei nach wie vor zu niedrig, stellt Mortler fest: "Alkohol darf bestenfalls als ein in Maßen zu konsumierendes Genussmittel verstanden werden, jedoch auf keinen Fall als Lebensmittel, das wie die Butter zum Brot gehört." Dennoch bezeichnet sie die Aufklärungsmaßnahmen als Erfolg: "Der regelmäßige Alkoholkonsum von Jugendlichen ist innerhalb von zehn Jahren deutlich gesunken."
Ist Alkohol zu niedrig besteuert?
Aufklärung sei unverzichtbar, findet auch Dr. Katrin Schaller vom Alkoholforschungszentrum in Heidelberg. Darüber hinaus aber sieht die Mitautorin des Alkoholatlasses erheblichen Handlungsbedarf. "Beim Tabak haben wir gesehen, wie es funktioniert: Mit höheren Steuern, Werbeverboten und einer erschwerten Verfügbarkeit lässt sich der Konsum senken."
Die Expertin ist überzeugt, dass diese Maßnahmen auch beim Alkohol greifen würden. Das zeige das Beispiel der sogenannten Alcopops. Die süßen, alkoholhaltigen Mischgetränke sind seit 2014 fast vollständig vom deutschen Markt verschwunden. Warum? Der Gesetzgeber verteuerte die Produkte mit einer Sondersteuer.
Vorbild Schweden
Als Vorbild in Sachen Alkoholpolitik gilt vielen Fachleuten Schweden. Dort wurde wirkungsvoll an den Stellschrauben gedreht: Der Staat erhebt hohe Steuern auf Alkohol, das Mindestalter für den Kauf von Wein und Spirituosen liegt bei 20 Jahren (18 Jahre für Bier), Alkoholwerbung ist verboten. Schweden gehört im europäischen Vergleich zu den Ländern mit dem niedrigsten Alkoholkonsum pro Kopf.
Viele der Maßnahmen wären auch ein Weg für Deutschland, sagt die Drogenbeauftragte Mortler. "Jedoch haben wir bisher dafür keine Mehrheiten." Schaller hält Deutschland ebenfalls nicht reif für unpopuläre Weichenstellungen und kritisiert: "Beim Alkohol stehen wir heute da, wo wir beim Tabak in den 1960er-Jahren waren."
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