„Wir brauchen neue Regeln für den Versandhandel!“

Der Versandhandel wächst. Die Lieferwagen der Logistikkonzerne gehören vielerorts inzwischen zum Stadtbild. Teils werden Haushalte mehrfach täglich mit Waren beliefert. Auch die Apotheken werden beliefert – vom pharmazeutischen Großhandel. Zuletzt gab es Diskussionen über die Sinnhaftigkeit von Mehrfachbelieferungen der Apotheken. Im Interview mit DAZ.online erklärt Bettina Hoffmann, Gesundheits- und Klima-Expertin in der Grünen-Bundestagsfraktion, warum sich im Versandhandel einiges ändern muss, wie die Grünen das Thema Mehrfachbelieferungen angehen würden und warum für Apotheken E-Mobile sinnvoll wären.

Alleine der Logistik-Konzern DHL, über den auch viele große Arzneimittel-Versandhändler ihre Waren verschicken, liefert eigenen Angaben zufolge 5 Millionen Pakete pro Tag ab. Der gesamte DHL-Paketmarkt belief sich im vergangenen Jahr Konzernangaben zufolge auf ein Volumen von rund 11,6 Milliarden Euro. Wie viele Pakete davon auf den Arzneimittel-Versandhandel zurückgehen, ist unklar. Nur zur Orientierung: Eigenen Angaben zufolge verschickt der EU-Versender DocMorris pro Tag bis zu 25.000 Pakete. Doch auch der pharmazeutische Großhandel ist viel unterwegs: Auch hier gibt es keine genauen Zahlen. Im DAZ.online-Interview erklärte Gehe-Chef Dr. Peter Schreiner zuletzt, dass seine Flotte pro Jahr eine Kilometerzahl im „zweistelligen Millionenbereich“ zurücklege.

Grund genug, um bei der Partei nachzufragen, die sich den Klimaschutz auf die Fahnen schreibt. DAZ.online hat mit der hessischen Bundestagsabgeordneten Bettina Hoffmann gesprochen, die Mitglied in den Ausschüssen für Gesundheit und Umwelt ist.

DAZ.online: Frau Hoffmann, Sie sind in der AG Gesundheit der Grünen-Fraktion für Fragen rund um den Klimaschutz zuständig. Eine Grundsatzfrage: Sollte der Gesundheitsbereich nicht grundsätzlich ausgeklammert werden beim Klimaschutz? Gilt hier also das Prinzip: Gesundheit geht vor Klima?

Hoffmann: Um unsere im Paris-Abkommen vereinbarten Klimaziele zu erreichen, wird es Veränderungen in allen Branchen geben, die Gesundheitsbranche und die Logistikbranche sind da sicher keine Ausnahme. Ich möchte vor allem betonen, dass es beim Schutz von Klima und Gesundheit sehr viele Win-Win-Situationen gibt. Viele Maßnahmen, die für das Klima gut sind, schützen auch unsere Gesundheit. Autos mit E-Antrieb stoßen keine schädlichen Diesel-Abgase aus. Die Förderung von Rad- und Fußwegen sorgt für mehr Bewegung. Und wer sich klimafreundlich ernährt, isst auch gesünder. Dieser Zusammenhang steht für mich im Fokus, wenn ich an die Themen Gesundheit und Klima denke.

Hoffmann: Der Versandhandel wälzt seine Kosten auf der Gesellschaft ab

DAZ.online: Wir haben zuletzt den Klimaschutz in der Arzneimittelversorgung thematisiert. Beginnen wir beim Versandhandel: Jedes Jahr legen die von den Versendern beauftragten Logistikunternehmen Millionen von Straßenkilometern zurück. Das hat nicht nur über das Klima indirekte Folgen für die Gesundheit der Menschen, sondern wegen der Abgase auch sehr direkte Auswirkungen. Sollten nicht gerade die Grünen den Versandhandel daher reduzieren wollen?

Hoffmann: Die explodierende Zahl der Online-Bestellungen bringt in der Tat Probleme mit sich. In den Städten drehen dreckige Diesel-Sprinter mehrmals am Tag ihre Runde durch Wohngebiete. Der Verbrauch von Verpackungsmüll nimmt drastisch zu. Viele stationäre Läden, gerade auf dem Land, verlieren Kunden und schließen. Es ist auch bekannt, dass die Gehälter bei den Lieferdiensten oft nicht gut sind. Kurzum: Viele gesundheitliche, soziale und ökologische Kosten wälzt der Versandhandel im Allgemeinen derzeit auf die Gesellschaft ab. Wir brauchen neue Regeln, damit sich das ändert.

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