Toffer wog 250 Kilo und pinkelte Blut – dann krempelte er sein Leben komplett um

„Ich schlief jahrelang in einem kaputten Bett, von dem schon der Stoff abplatzte. Mein Kopfkissen war vergilbt. Ich saß beim Computerspielen auf einem Holzstuhl, dessen Beine sich durch den Teppichboden in den Beton gedrückt hatten. Auf den Stuhl legte ich Decken, damit mir der Hintern nach ein paar Stunden am Rechner nicht so wehtat“, erinnert sich Toffer an das Leben, das er noch Ende 2014 führte. Er war zu der Zeit arbeitslos und aß jeden Tag ein Paket Toastbrot mit Discounter-Wurst. Er wog 248,5 Kilogramm.

Die Einzimmerwohnung in Aachen, in der Toffer damals wohnte, sei in einem katastrophalen Zustand gewesen, erzählt der heute 33-Jährige. „Ich war so faul, dass ich den Müll einfach neben mich warf – der Haufen war irgendwann anderthalb Meter hoch.“ Und in ihm drin sah es nicht viel besser aus. „Mir war alles egal. Ich rauchte zwei Schachteln Zigaretten am Tag und duschte manchmal wochenlang nicht. Eine Folge davon war, dass ich einmal sogar die Haut unter meinem Arm abziehen konnte. Auch meine Zähne habe ich kaum noch geputzt.“ Die Zahnschmerzen, die er irgendwann bekam, saß er einfach aus. Soziale Kontakte wollte er nicht, nur am Computer sitzen und zocken. 

„Mehr Geld – das war mein Untergang“

Toffer, der eigentlich Christopher heißt, lebte zu diesem Zeitpunkt in den Tag hinein, spielte „World of Warcraft“, schlief und aß. Als es ihm einmal kurz finanziell besser ging, erwies sich der kleine Geldsegen als noch größeres Verhängnis. „Das war mein Untergang“, sagt Toffer. Er aß noch mehr ungesundes Zeug und ging regelmäßig mit Freunden in die Kneipe, um zu trinken. Er stopfte sich mit Süßigkeiten, Fertiggerichten und Softdrinks voll. „Ich musste alle zwei Stunden zur Toilette gehen, um den Zucker auszuspülen.“ Toffer hatte Diabetes und wusste es nicht. „Von dem vielen Zucker bekam ich wieder Durst und trank noch mehr Apfelschorle.“ Ein Teufelskreis. Er erreichte sein Höchstgewicht, konnte nur noch weite Oberteile und Jogginghosen tragen.

Dann starb sein Opa. Toffer schaffte es nicht, die 400 Meter von der Kirche bis zum Grab zu gehen, ohne sich zwischendurch auf eine Bank zu setzen. Seine Unterschenkel und Füße waren so voller Wasser, dass die Haut spannte und jeder Schritt schmerzte.

Toffers Beine waren prall mit Wasser gefüllt. Die Narben auf der Haut sind noch zu sehen. 

„Irgendwann tat mir das Wasserlassen weh und es kam nur noch Blut.“ Eine Woche lang versuchte er, die Schmerzen einfach auszuhalten. Dann rief er seinen Vater an – der brachte ihn in die Notaufnahme. Im Krankenhaus stellten die Ärzte einen Zuckerwert von 600 Milligramm pro Deziliter fest, der Normalwert eines gesunden Menschen steigt nach dem Essen nicht über 140.

Bei der anschließenden Untersuchung sagte ihm der Arzt, dass ein Nierenversagen drohe und er „es nicht mehr lange machen“ werde, wenn er sein Leben nicht komplett ändere. Diese Prognose rüttelte etwas wach, Toffer war damals 28. In der Nacht lag er allein in seinem Krankenhauszimmer. Ohne die Ablenkung, die er sich sonst am Computer holte, kam er ins Grübeln. Er wollte nicht sterben. Er wollte leben – und schöne Dinge erleben. Da fasste er einen Entschluss. 

Zucker, Weißbrot, Alkohol und Tabak sind tabu

Um Gewicht zu verlieren, ging Toffer zweimal pro Woche ins Schwimmbad. Eine Internistin behandelte seine Diabetes-Erkrankung. Er verzichtete auf Zucker und aß statt einer Packung Toastbrot drei Scheiben Vollkornbrot pro Tag. Alkohol und Tabak waren tabu. Und plötzlich purzelten die Pfunde. Ein Erfolg, der seinem ganzen Leben Auftrieb gab. 

Mit dem Erfolg beim Abnehmen kamen berufliche und private Veränderungen. Weihnachten 2016 traute Toffer sich zum ersten Mal, mit seinem Gesicht online zu gehen. Er hatte bereits ein paar Monate einen Streamingkanal betrieben, und jetzt, wo ihn jeder sehen konnte, wuchs der auf einmal. Toffer wurde als Gaming-Streamer immer bekannter. Das weckte seinen Ehrgeiz und er entwickelte sein Profil weiter, moderierte Gaming-Shows und gewann Zuschauer, die jeden Tag verfolgten, was er so trieb. Inzwischen gehört Toffer unter dem Pseudonym Kimuh zu den erfolgreichsten „World of Warcraft“-Streamern Deutschlands. Bei der Plattform Twitch schauen ihm täglich 400 bis 500 Menschen zu. Zu vielen pflegt er persönlichen Kontakt. Toffer hat eine Community um sich aufgebaut – 2018 konnte er eine Viertelmillion User verbuchen. Auch seine heutige Freundin schaute seinen Stream – so lernten sich die beiden kennen. 

Für selbstverständlich hält Toffer diesen Erfolg nicht: „Die Menschen gucken meinen Stream, weil ich versuche, Nähe zu ihnen aufzubauen. Ich bin immer ehrlich und so herzlich, wie ich kann.“ Je mehr Zuschauer und Abonnements er bei Twitch hat, desto mehr Geld verdient er. „Beiß niemals die Hand, die dich füttert, lautet meine oberste Regel. Ich bin den Zuschauern dankbar für ihre Treue und will diese Dankbarkeit an sie zurückgeben.“ 

Seit 2018 arbeitet Toffer zusätzlich bei ROCCAT – eine Hamburger Firma, die Peripherie-Geräte wie Tastaturen, Mäuse und Headsets für Gamer produziert. Dieser Job bedeutet ihm viel, denn er bewahrt ihn davor, in seine alten Muster zurückzufallen: „Die Arbeit hilft mir, einen geregelten Tagesablauf zu haben. Ich muss morgens aufstehen, zur Arbeit gehen und bewege mich dadurch regelmäßig.“ Von den chaotischen Zuständen zu Hause hat er sich ebenfalls verabschiedet. Ordnung und Sauberkeit sind neben regelmäßiger Körperhygiene selbstverständlich für ihn. „Jetzt ist meine Wohnung immer aufgeräumt und alles steht an seinem Platz. Meine Freundin hat mir viel beigebracht. Sie ist ein sehr ordentlicher Mensch.“

Den Gürtel konnte Toffer vor seiner Gewichtsreduktion nur noch im ersten Loch schließen. Das Accessoire möchte er aufheben, damit es ihn erinnert, wie viel er abgenommen hat. 

Next Step: Fitness-Camp

„Nach 15 Jahren möchte ich endlich mal wieder zwei, statt drei Zahlen auf der Waage sehen“, sagt Toffer. Um auch dieses Ziel noch zu erreichen, fährt der 1,90 Meter große Mann im Sommer mit einem befreundeten Kollegen in ein Fitness-Camp. Dort wird er unter ärztlicher Überwachung Sport machen, seine Fitness steigern und an Kochkursen teilnehmen. „Ohne Bewegung komme ich nicht weiter beim Abnehmen und das ist mein nächster Schritt“, erklärt er. Wie erfolgreich er sein wird, können seine Fans auf seinem Stream sowie bei Twitter und Instagram verfolgen.

Toffer ist angekommen, in Hamburg, in seinem Job, in seinem Leben. Er plant eine gemeinsame Zukunft mit seiner Freundin. Seine Gesundheit ist ihm ebenso wichtig wie sein Erfolg. Er ist glücklich. Rückblickend sagt er, dass er in seinem Leben einiges hätte anders machen können, zumindest alles, was seine Gesundheit betrifft. Doch irgendwie habe ihn diese Zeit auch zu dem gemacht, der er heute ist. „Jeder ist seines Glückes Schmied. Du machst aus dir, was du willst. Wenn du dich reinhängst, wirst du belohnt.“

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