Auch Bayern reformiert den Notdienst
Weil immer mehr Apotheken schließen, steigt die Zahl der zu leistenden Dienste für die verbleibenden Apotheken. Das geht so weit, dass Apotheken aufgrund der vielen Dienste unverkäuflich werden. Einige Kammern haben schon gegengesteuert und von festen Kreisen auf eine geodatenbasierte Verteilung umgestellt. Auch in Bayern wurde dies bei der Delegiertenversammlung am heutigen Mittwoch in München intensiv diskutiert und schließlich auch beschlossen.
Nach einigen anderen Kammern geht auch Bayern das Thema Notdienst an. Dass auch im Süden großer Handlungsbedarf besteht, macht Geschäftsführer Volker Schmitt zu Beginn der Delegiertenversammlung, die am heutigen Mittwoch in München stattfand, deutlich. So sind aktuell in Bayern 7,54% (232) der Apotheken zum Dienst eingeteilt, durchschnittlich sind es 28 Dienste pro Jahr und pro Apotheke, allerdings liege die Bandbreite zwischen 13 und 91 Diensten. Bedingt durch die anhaltende Schließung von Apotheken seien aber keine Spielräume mehr für die Aufrechterhaltung der Turni vorhanden, so Schmitt. Zudem führten die rechtlich vorgegebenen Grenzen bei Aufrechterhaltung des Systems der Notdienstkreise zwangsläufig zu mehr Diensten pro Apotheke und die Erleichterungen durch Verzahnungen von benachbarten Kreisen seien mit dem bisherigen System ausgereizt. Deswegen habe sich die Kammer Gedanken zur Umstellung der Dienstbereitschaft gemacht.
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Zum einen soll darauf hingewirkt werden, dass die bestehenden Kilometergrenzen ausgeweitet werden: in städtischen Gebieten auf 15 Kilometer, in ländlich geprägten Gebieten auf 20 Kilometer sowie in sehr ländlich geprägten 30 Kilometer. Zudem überlegt man nun auch in Bayern, die althergebrachten Notdienstkreise aufzulösen und mithilfe einer Software die Dienste zuzuteilen. Andere Länder haben dies schon vollzogen oder planen dies zu tun. Das würde allerdings die Abkehr vom bisherigen System des geregelten Turnus bedeuten, denn das System erfordere zwingend eine „arrhythmische“ Einteilung mit unregelmäßigen Dienstplänen. Es ermögliche allerdings eine Verzahnung mit den benachbarten Bundesländern Hessen und Baden-Württemberg, weil diese Länder dasselbe Tool nutzten, wie in Bayern angedacht ist. Thüringen nimmt allerdings bislang nicht teil.
Zeitliche versus räumliche Gerechtigkeit
Bevor die Delegierten zur Abstimmung aufgerufen wurden, stellte ein Vertreter des Herstellers des Tools das angedachte System und die Vor- und Nachteile vor. Ziel sei es, das zweidimensionale Problem – zeitliche versus räumliche Gerechtigkeit – zu lösen. Für die räumliche Aufteilung sollen alle Apothekenstandorte geokodiert sowie eine Entfernungsmatrix auf Basis von Straßenkilometern erstellt werden. Zudem können im System bestimmte Parameter hinterlegt werden, wie minimale und maximale Entfernung zwischen diensthabenden Apotheken sowie eine Deckelung der maximalen Dienste im Jahr oder paralleler Dienste innerhalb eines PLZ-Gebiets. Daneben könnte eine gerechte Verteilung auf Wochenenden, bestimmte Wochentage sowie Feiertag, zum Beispiel Weihnachten, berücksichtigt werden. Es würden zudem Partnerapotheken ermittelt, die zeitgleich Notdienst haben, sowie Stellvertreterapotheken, die als Tauschpartner zur Verfügung stehen. Das System finde einen Kompromiss zwischen zeitlicher und räumlicher Gerechtigkeit. Es sei aber auch klar, dass einzelne Apotheken mehr Dienste haben werden, die große Mehrheit aber weniger.
Viele Fragen, Kritik an der Art und Weise
Im Anschluss hatten die Delegierten die Möglichkeit Fragen zu stellen. Und die waren zahlreich. Sie betrafen Dinge, wie man künftig über Dienste informiert werde oder wie der Tausch vonstattengehe sowie viele individuelle Probleme. Viele Fragen, zum Beispiel zur Zahl der Dienste, ließen sich dem Hersteller zufolge zum jetzigen Zeitpunkt aber nicht beantworten.
Auch die Kosten kamen zur Sprache. So bezahlt die Kammer pro zu verplanende Apotheke 70 Cent. Dies ist aber auf 1200 Euro im Monat gedeckelt, wovon die Kammer in Bayern profitiert. Die Pilotphase soll kostenfrei sein.
Für etwas Unmut sorgte bei einigen, dass es keine wirkliche Testphase gebe, sondern heute eine Entscheidung getroffen werden müsse, um 2025 mit der Pilotierung starten zu können. Pilotierung bedeute aber de facto Einführung für alle Apotheken, getestet würden die Parameter. Hier mehr oder weniger vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden, stieß so manchem sauer auf. Man lehne die Sache gar nicht grundsätzlich ab, fühle sich aber überrumpelt.
Einige Delegierte hätten sich zudem ein Beispiel einer Apotheke etwa aus Hessen gewünscht, wo das System im kommenden Jahr an den Start geht, wie sich die Zahl und die Verteilung der Dienste verändert habe. Die sei aber in den Augen des Anbieters nicht zielführend, weil eine einzelne Apotheke nicht repräsentativ sei. Die individuelle Situation sei kaum darstellbar.
Geschäftsführer Schmitt machte in der Diskussion deutlich, dass ein „Weiter so“ nicht möglich sei, die Turni seien nicht mehr aufrechtzuerhalten. Von daher sei eine Umstellung auf das vorgestellte System alternativlos. Die Delegierten müssten diesen Entschluss auch nicht jetzt fassen, so Schmitt. Aber das verzögere die Einführung, man rechne mit einer Vorlaufzeit von einem Jahr und dieser Zeit werde die Belastung weiter steigen. „Dafür muss ich kein Prophet sein“, so der Geschäftsführer.
In zahlreichen Wortmeldungen wurde sich aber auch für die Einführung des Systems ausgesprochen. So plädierte beispielsweise ein Delegierter dafür, persönliche Befindlichkeiten außen vor zu lassen und im Sinne der Kolleg*innen draußen zu entscheiden.
Start 2025
Die Vorbereitungen sollen dann im kommenden Jahr losgehen, zum Beispiel werden die Geodaten erhoben. Zudem werde die Kammer mit verschiedenen Kilometergrenzen, die den größten Hebel darstellen, rechnen, um zu erörtern, mit welchen Abständen man den größten Effekt erziele. Bei diesen habe die Kammer einen gewissen Ermessensspielraum, müsse sich an die Vorgaben des Ministeriums halten. Die genannten Vorschläge liegen Schmitt zufolge beim Ministerium. Dort habe es nur vor der Landtagswahl keine Entscheidung gegeben, aber durchaus positive Signale. 2025 könne man dann gemeinsam mit Baden-Württemberg in die Pilotierung starten.
Letztendlich wurde dann folgender Beschluss gefasst, ohne Gegenstimmen und mit nur vier Enthaltungen.
Im Gegensatz zur ursprünglichen Fassung wurde der Zeitrahmen der Einführung ergänzt sowie der letzte Satz, dass man mit diesem Beschluss für Entlastungen sorge.
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