Wie weit sind mRNA-Grippeimpfstoffe?
Bei Corona-Impfstoffen ist die mRNA-Technologie nicht wegzudenken. Können wir uns bald schon auch mit mRNA-Impfstoffen vor Grippe schützen? Entsprechende Impfstoffkandidaten werden derzeit von vielen Firmen entwickelt. Einige davon befinden sich derzeit bereits in klinischen Studien der Phase 3.
Noch sind es lediglich die COVID-19-Impfstoffe, bei denen mRNA als Matrize für das Antigen fungiert. Doch forschen die einschlägigen mRNA-Corona-Impfstoff-Riesen Biontech und Moderna daran, diese innovative Technologie auch bei anderen Schutzimpfungen zur Zulassung zu bringen – diese scheint nicht mehr so weit entfernt, denn: Beide Unternehmen prüfen ihre mRNA-Grippeimpfstoffkandidaten bereits in klinischen Studien der Phase 3. Und auch Sanofi und Curevac arbeiten an mRNA-Influenzavakzinen. Daneben gibt es zahlreiche Unternehmen, deren Impfstoffkandidaten sich derzeit erst in der präklinischen Phase befinden.
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Hinter der Abkürzung qIRV (22/23) verbirgt sich Biontechs quadrivalenter Grippeimpfstoff mit modifizierter mRNA, die für die vier Antigene der von der WHO für die nördliche Hemisphäre empfohlenen Grippevirusstämme in der – nun bereits vergangenen Saison 2022/23 – kodiert [1]. Die nukleosidmodifizierte mRNA (modRNA) soll ungewollte Immunreaktionen reduzieren und eine länger andauernde Antigenproduktion ermöglichen.
Biontech arbeitet bei Grippe, wie schon bei den COVID-19-Impfstoffen, mit Pfizer zusammen und prüft den Grippeimpfstoffkandidaten derzeit in Phase 3 gegen einen bereits zugelassenen tetravalenten Grippeimpfstoff bei ab 18-Jährigen (Studienregisternummer NCT05540522) [2,3]. Ergebnisse werden laut clinicaltrials.gov 2024 erwartet [2].
Daneben entwickeln Biontech/Pfizer auch einen Kombinationsimpfstoff (BNT162b2 + BNT161) in Phase 1, der gleichzeitig vor COVID-19 (bivalent gegen den ursprünglichen Stamm von SARS-CoV-2 und Omikron BA.4/5 und Influenza (tetravalent) schützt [1].
Modernas mRNA-Impfstoff: hohe Serokonversionsrate
In Phase 3 (drei Studien: P301, P302, P303) wird auch Modernas tetravalenter Grippeimpfstoffkandidat mRNA-1010 an Erwachsenen (südliche Hemisphäre) geprüft. mRNA-110 kodiert für die Hämagglutinine der vier von der Weltgesundheitsorganisation empfohlenen Grippevirusstämme [4]. Im Februar 2023 veröffentlichte Moderna Zwischenergebnisse, denen zufolge die Serokonversionsraten für Influenza A(H3N2) und A(H1N1) höher als beim Vergleichsimpfstoff Fluarix (standarddosiert, tetravalent) waren [5].
Daneben forscht Moderna in Phase 2 an weiteren Grippeimpfstoffkandidaten auf mRNA-Basis (mRNA-1020, mRNA-1030) – zwei Impfstoffe mit acht mRNAs (je für Hämagglutinin und Neuraminidase der vier von der WHO empfohlenen Grippevirusstämme). Für sogar mehr als acht mRNAs sollen die Grippeimpfstoffkandidaten mRNA-1011 und mRNA-1012 kodieren – dem Verband forschender Arzneimittelhersteller (vfa) zufolge jeweils für Hämagglutinin und Neuraminidase von den vier WHO-ausgesuchten Grippeviren-Stämmen plus ein oder zwei zusätzliche Hämagglutinine von anderen Stämmen [1].
Kombinationsimpfstoffe gegen mehrere Atemwegserreger entwickelt Moderna ebenfalls. Sie sollen vor
• COVID-19 plus Influenza (mRNA-1083) – Phase 2
• COVID-19, Influenza, RSV (mRNA-1230) – Phase 1
• Influenza plus RSV (mRNA-1045) – Phase 1
• pandemischer Influenza (mRNA-1018) – in Phase 1
schützen [6].
Curevac: „leistungsstärksten Kandidaten“ ausgewählt
Auch wenn Curevac bislang noch keinen mRNA-Impfstoff zur Zulassung bringen konnte, forscht man dort engagiert neben COVID-19-Vakzinen auch an Influenzaimpfstoffen auf mRNA-Basis: In einer offenen Phase-I-Dosiseskalationsstudie bei 18- bis 55-Jährigen und Menschen ab 65 Jahren prüft das Tübinger Unternehmen zurzeit die Sicherheit, Reaktogenität und Immunogenität seines mRNA-Grippeimpfstoffkandidaten CVSQIV (unmodifizierte mRNA).
Ein weiterer mRNA-Grippeimpfstoffkandidat ist Flu-SV-mRNA (modifizierte mRNA), der vorläufigen Studienergebnissen zufolge bei älteren Menschen zwischen 60 und 80 Jahren „ein gutes Verträglichkeitsprofil und keine besorgniserregenden Sicherheitssignale“ sowie „etwa 2,3-mal so viele Antikörper wie ein zugelassener Vergleichs-Impfstoff“ gezeigt haben soll.
Anfang Mai informierte Curevac außerdem über die Impfung des ersten Teilnehmers einer kombinierten Phase 1/2-Studie für multivalente Grippeimpfstoffe [7]. Und Mitte September dieses Jahres gab Curevac bekannt, dass man den „leistungsstärksten Kandidaten mit breiter Antigenabdeckung gegen WHO-empfohlene Grippestämme für Phase 2 auf Basis positiver Daten aus Phase-1-Zwischenanalyse ausgewählt“ habe, der erste Teilnehmer solle noch in diesem Jahr geimpft werden [8]. Wie auch bei COVID-19 arbeitet Curevac bei mRNA-Grippeimpfstoffen mit GlaxoSmithKline (GSK) zusammen.
Monovalenter Grippeimpfstoff von Sanofi
Sanofi Pasteur hat sich ebenfalls einen Partner für die Entwicklung eines mRNA-Influenzaimpfstoffs gesucht: Translate Bio. Der gemeinsam entwickelte Impfstoffkandidat SP0273 befindet sich derzeit noch in Phase 1 und ist ebenfalls als quadrivalenter Grippeimpfstoff konzipiert [9].
Universeller Grippeimpfstoff in präklinischer Phase
Dem Verband forschender Arzneimittelhersteller zufolge arbeitet unter anderem auch Arcturus, teilweise in Zusammenarbeit mit CSL Behring, an einem pandemischen und saisonalen Grippeimpfstoff auf mRNA-Basis, allerdings befindet sich der Kandidat LUNAR-FLU derzeit erst in der vorklinischen Entwicklung. Ebenfalls in der präklinischen Phase soll ein Grippeimpfstoffkandidat von CSL Seqirus sein, der laut vfa eine „selbstampflifizierende mRNA, bicistronisch (d. h. kodierende Sequenzen für die Proteine Hämagglutinin und Neuraminidase in der gleichen mRNA)“ enthält. Und die University of Pennsylvania hat sich einen universellen mRNA-Grippeimpfstoff zum Forschungsziel gesetzt, der für die „Hämagglutinine aller 20 bekannten Influenza-A- und B-Subtypen“ kodieren soll (vorklinische Entwicklung) [1].
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Geht man nach den klinischen Phasen, dürften – so diese positiv enden – wohl Biontech oder Moderna das Rennen um den ersten mRNA-Grippeimpfstoff gewinnen.
Literatur
[1] mRNA-Impfstoffe für Schutzimpfungen. Informationen vom Verband forschender Arzneimittelhersteller. 14. September 2023
[2] A Study to Evaluate a Modified RNA Vaccine Against Influenza in Adults 18 Years of Age or Older. Klinische Studie von Pfizer. https://classic.clinicaltrials.gov/ct2/show/record/NCT05540522
[3] Pfizer Initiates Phase 3 Study of mRNA-Based Influenza Vaccine. Pressemitteilung Pfizer vom 14. September 2022
[4] Müller C. Grippeimpfstoff: Hat man bisher aufs falsche Antigen gesetzt? DAZ.online: News vom 22.06.2018
[5] Moderna Announces Interim Phase 3 Safety and Immunogenicity Results for mRNA-1010, a Seasonal Influenza Vaccine Candidate. Pressemitteilung Moderna von 16. Februar 2023
[6] mRNA pipeline. Informationen von Moderna (abgerufen am 12.10.2023). https://www.modernatx.com/research/product-pipeline
[7] CureVac gibt Impfung des ersten Teilnehmers in kombinierter Phase 1/2-Studie für multivalente, modifizierte Grippe-Impfstoffkandidaten bekannt, entwickelt in Zusammenarbeit mit GSK. Pressemitteilung vom 8. Mai 2023. www.curevac.com/curevac-gibt-impfung-des-ersten-teilnehmers-in-kombinierter-phase-1-2-studie-fuer-multivalente-modifizierte-grippe-impfstoffkandidaten-bekannt-entwickelt-in-zusammenarbeit-mit-gsk/
[8] CureVac geht in Phase 2 der laufenden saisonalen Grippestudie in Zusammenarbeit mit GSK nach Auswahl eines vielversprechenden mRNA-Impfstoffkandidaten mit breiter Abdeckung. Pressemitteilung vom 12. September 2023. www.curevac.com/curevac-geht-in-phase-2-der-laufenden-saisonalen-grippestudie-in-zusammenarbeit-mit-gsk-nach-auswahl-eines-vielversprechenden-mrna-impfstoffkandidaten-mit-breiter-abdeckung/
[9] Our Pipeline. Informationen von Sanofi (abgerufen am 12.10.2023). www.sanofi.com/en/our-science/our-pipeline
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