„Alarmstufe Rot“: Bundesweiter Krankenhaus-Protest
Jedes fünfte Krankenhaus könnte in den kommenden zehn Jahren schließen – es fehlt an Geld. Die Versorgung in Deutschland ist gefährdet wie noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik, heißt es von der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Aus diesem Grund protestieren an diesem Dienstag die Kliniken bundesweit. Der Vorwurf an die Bundesregierung: Sie schaut dem Niedergang der Gesundheitsversorgung tatenlos zu.
Im deutschen Gesundheitswesen brennt es an allen Ecken und Enden. Nachdem vergangene Woche bundesweit die Apotheken geschlossen blieben und die Apothekenteams ihren Unmut auf die Straße brachten, machen an diesem Dienstag die Kliniken unter dem Titel „Alarmstufe Rot – Krankenhäuser in Not“ auf ihre katastrophale wirtschaftliche Lage aufmerksam. „Strukturelle Unterfinanzierung und die Folgen der Inflation bedrohen die Versorgungslandschaft in Deutschland wie nie zuvor seit dem Ende des zweiten Weltkriegs“, heißt es in einem Protestaufruf. Zahlreiche Kliniken wollen sich beteiligen, in Berlin ist um 11 Uhr eine zentrale Kundgebung geplant.
Wie dramatisch die Lage ist, machte der Chef der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, am Montag gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland klar. Er erwarte in den kommenden Jahren die Schließung von bis zu einem Fünftel der Kliniken in Deutschland. Dabei gehe es nicht nur um finanzielle Fragen. „Wir werden auf absehbare Zeit gar nicht mehr das Personal haben, die bisherigen Strukturen unverändert aufrecht zu erhalten“, erklärte Gaß. Dabei hätten die Krankenhäuser „längst akzeptiert, dass wir Standorte zusammenlegen, umgestalten oder schließen müssen“. Laut Statistischem Bundesamt gab es in Deutschland im Jahr 2021 rund 1900 Kliniken.
600 Millionen Euro neue Schulden pro Monat
Erst in der vergangenen Woche war der „Krankenhaus Rating Report“ veröffentlicht worden. Demnach werden im kommenden Jahr 80 Prozent der Klinken ein negatives Jahresergebnis verzeichnen. Entscheidend seien dabei die erhöhten Personalkosten. Die Krankenhäuser stünden „mit dem Rücken zur Wand“, erklärte Gaß anlässlich der Veröffentlichung. „Noch nie waren der Anteil der insolvenzgefährdeten Krankenhäuser und das Ausmaß der negativen Jahresabschlüsse so gewaltig wie im diesjährigen ‚Krankenhaus Rating Report‘“.
Gaß fordert, „die uns gesetzlich zustehende Refinanzierung der durch die Inflation gestiegenen Kosten. 2,3 Prozent Erlössteigerung im Jahr 2022 und 4,3 Prozent 2023 bei gleichzeitig rund 17 Prozent Preissteigerung in diesen beiden Jahren sind völlig unzureichend. Aktuell häufen die Krankenhäuser jeden Monat rund 600 Millionen Euro neue Schulden an, um die Patientenversorgung aufrechtzuerhalten. Das wird nicht mehr lange gutgehen.“ Zu den Reformplänen erklärt er, dass Bund und Länder benennen müssten, woher die 25 bis 50 Milliarden Euro zu deren Umsetzung herkommen sollen.
Botschaft Lauterbachs ein „Offenbarungseid“
Allerdings äußert der DKG-Präsident die Vermutung, dass die Bundesregierung diese Entwicklung offenbar akzeptiert hat. Die wiederholte Botschaft von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), „die Lage der Krankenhäuser sei dramatisch, aber er könne daran nichts ändern, ist ein Offenbarungseid. Dem Niedergang der Gesundheitsversorgung tatenlos zuzusehen, ist letztendlich nichts anders als das Eingeständnis der eigenen Machtlosigkeit“. Ideen, wo das Geld herkommen könnte, hatte Gaß allerdings auch und mahnte die Regierung solle „den eigenen Koalitionsvertrag ernst nehmen und umweltschädliche Subventionen, wie das Dienstwagenprivileg und die Steuerfreiheit von Flugbenzin abschaffen“. Im Ergebnis „stünde ein hoher zweistelliger Milliardenbetrag zur Verfügung, um die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung auch ohne neue Schulden oder zusätzliche Krankenkassenbeiträge abzusichern.“
Auch die Städte klagten im Vorfeld der heutigen Proteste. „Durch die Inflation sind auch die Kosten für medizinisches Material oder Lebensmittel deutlich gestiegen“, sagte der Präsident des Deutschen Städtetages, Markus Lewe, der Deutschen Presseagentur am Dienstag. Es bräuchte sofortige Hilfen, die sechs Milliarden Euro, die der Bund zum Ausgleich der gestiegenen Energiekosten bereitstellen wolle, reichten nicht. Laut Lewe müssten die Krankenhausschließungen verhindert werden, „damit möglichst viele Menschen wohnortnah und medizinisch und pflegerisch gut betreut werden können“.
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