„Es darf nicht sein, dass wir übersehen werden“
Als singende Apothekerin hat Doreen Wegner für viel Wirbel gesorgt. Möglicherweise flattert den Kolleginnen und Kollegen kommende Woche Post von ihr ins Haus: Wegner wendet sich in einem Brandbrief an die Apothekenmitarbeitenden in Deutschland und lädt alle ein, mutig zu sein und sich mit „Energie und Kraft“ gegen die Missstände zu stemmen. Kammern und Verbände sollen ihr Schreiben zustellen.
Doreen Wegner lässt nicht locker: Als singende Apothekerin sorgte sie kürzlich für Schlagzeilen – den Hit „Was soll das“ von Herbert Grönemeyer hatte sie zu einem Apotheken-Protestsong umgewandelt. Damit erregte sie viel Aufmerksamkeit, auch in den Publikumsmedien. Doch das reicht der Kollegin aus Mecklenburg-Vorpommern nicht – in einem Brief, den sie der ABDA sowie allen Kammern und Verbänden zum Weiterleiten geschickt hat, appelliert sie an den Berufsstand, endlich laut zu sein und auf die Lage der Apotheken hierzulande aufmerksam zu machen.
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„Das neue GKV-Finanzstabilisierungsgesetz ist nun ‚durchgewunken‘ worden und ich denke, ich bin nicht die Einzige, die enttäuscht ist über diese Entscheidung, nun noch mehr zur Kasse gebeten zu werden“, schreibt Wegner. „Wir alle haben in der Pandemie bewiesen, wie wichtig eine schnelle und unkomplizierte Versorgung durch uns Apotheken vor Ort ist. Wir alle haben uns so sehr bemüht, unter wirklich schwierigen Bedingungen alle Menschen bestmöglich zu versorgen. Eine hohe Arbeitsbelastung, die vielen fehlenden Arzneimittel und die Folgen der Energiekrise gehen an uns allen nicht spurlos vorbei. Ist es nicht an der Zeit, dass auch wir einmal gehört werden?“
In ihrem Betrieb in Feldberg habe sie all ihre Schaufenster umgestaltet, um auf die Lage der Apotheken vor Ort aufmerksam zu machen. „Ich bin hier mit vielen Menschen ins Gespräch gekommen und habe viel Verständnis für unsere Situation bekommen. Das hat mir Mut gemacht“, betont die Pharmazeutin. Der Text zu ihrer Apotheken-Version des Grönemeyer-Hits „Was soll das“ sei geradezu aus ihr herausgesprudelt. „Niemals hätte ich gedacht, dass dieses Video so die Runde macht, da ich eigentlich nur vorhatte, hier in meinem Umfeld die Menschen aufzuklären.“
Mediales Interesse und politische Unterstützung
Nachdem Christian Thieme, Initiator von #druckaufGKV, ihr Video bei youtube hochgeladen hatte, sei alles ganz schnell gegangen: Neben den Fachmedien hätten inzwischen auch zum Beispiel der Fernsehsender RTL, der Radiosender Ostseewelle und die Tageszeitung „Nordkurier“ über sie berichtet. Die Aufmerksamkeit trägt Früchte: „Ich habe nun die Unterstützung von unserer Bürgermeisterin Frau Constance von Buchwaldt und sie hat gleich einen Brief an Professor Karl Lauterbach verfasst.“ Zuvor habe es bereits ein Gespräch mit dem SPD-Bundestagsabgeordneten Johannes Arlt gegeben. „Nun habe ich mit zwei Kolleginnen die Möglichkeit bekommen, nach Berlin zu fahren und mich mit an den Tisch zu setzen.“
Wegner setzt jetzt zudem auf die Unterstützung der Apothekerschaft in ganz Deutschland. „Ich gebe die Hoffnung nicht auf und ich hoffe ebenfalls, dass ich noch ganz viele Kolleginnen und Kollegen mit Energie und Kraft mitreißen kann, mutig zu sein. Wir sind nur im Ganzen ein Team und dann schaffen wir es auch, laut zu sein und erhört zu werden“, ist sie überzeugt. „Wir alle brauchen bessere Bedingungen und dazu gehört unbedingt, dass der erhöhte Kassenabschlag wieder zurückgenommen wird, gefolgt von einer Honorarerhöhung, damit auch junge Menschen wieder Motivation und Freude haben und in die Gesundheitsberufe zurückfinden.“
„Nicht klug, bei den Apotheken den Rotstift anzusetzen“
Wenn die Politik auch in Zukunft noch die Versorgung der Menschen bundesweit sicherstellen wolle, brauche es jetzt die Kehrtwende. „Es wird Zeit für ein nachhaltiges und stabiles Gesundheitssystem, denn es kommen auf uns wirklich große Aufgaben zu“, betont Wegner. „Die Menschen werden immer älter und sie wollen alle versorgt werden. Da ist es sicher nicht klug, bei den Apotheken vor Ort den Rotstift anzusetzen. Es darf nicht mehr sein, dass wir alle von der Politik übersehen werden.“
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